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19.11.11 / Demokratische Bedrohung / FDP-Mitgliederentscheid zur Euro-Rettung bringt die Parteispitze in Erklärungsnöte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-11 vom 19. November 2011

Demokratische Bedrohung
FDP-Mitgliederentscheid zur Euro-Rettung bringt die Parteispitze in Erklärungsnöte

Auf dem FPD-Parteitag trat eine Kluft zwischen Führung und Basis zutage, die auch in Union und SPD zu spüren ist. Die liberale Euro-Debatte wirft ein Schlaglicht auf den Zustand der Parteien-demokratie.

Nicht wenige FDP-Parteitagsdelegierte dürfte nach dem Sonderparteitag vom vergangenen Wochenende die Frage quälen: War Philipp Rösler wirklich die richtige Wahl? Der erst wenige Monate amtierende Chefliberale langweilte seine Zuhörer nicht bloß mit einer Rede ohne Spitzen, ohne Glanz. Schlimmer noch: Er konnte nicht überzeugen.

Im Zentrum stand die Euro-Rettung und das Mitgliedervotum, mit welchem die Freidemokraten bis zum 13. Dezember über den dauerhaften Euro-Rettungsschirm abstimmen sollen. Für Rösler, ja für die gesamte FDP-Spitze, ist die Abstimmung brandgefährlich. Der Son-derparteitag sollte dazu dienen, die Basis auf Linie zu bringen, dass sie der Euro-Rettungspolitik zustimmen möge.

Doch was Rösler anbot, waren die alten Versprechen, die kaum noch einer glauben will – nicht einmal die Anhänger der Rettungspolitik, wie ausgerechnet Ex-FDP-Chef Guido Westerwelle später durchblicken ließ.

Mit der FDP, so tönte Rösler, werde es keine Transferunion und keine Euro-Bonds geben. Soll heißen: Weder würden die Liberalen je zustimmen, dass Deutschland dauerhaft für andere Euro-Länder zahlen muss, noch, dass für die Schulden der einzelnen Staaten alle gemeinsam haften, womit im schlimmsten Falle der Stärkste die Schulden aller anderen am Hals hätte.

Doch die Delegierten wussten genauso wie die FDP-Mitglieder an der Basis: Der angestrebte dauerhafte Rettungsschirm ist längst eine Transferunion. Und dass die Europäische Zentralbank (EZB) Staatsanleihen bankrottgefährdeter Länder aufkauft, bedeutet, dass nationale Schulden auf die Kappe aller genommen werden. Damit erfüllt diese Politik auf anderem Wege, was Euro-Bonds bringen würden. Das Gleiche gilt für die verdeckten „Target-Kredite“, über welche sich fremde Notenbanken der Euro-Zone bereits zirka 450 Milliarden Euro von der Bundesbank „geliehen“ haben.

Doch Rösler blieb jener Taktik treu, welche die Deutschen zunehmend in Rage bringt: Vorn auf dem Podium schloss er kategorisch aus, was hinter der Bühne längst und für jedermann sichtbar läuft. Entsprechend lau fiel der Beifall der Delegierten aus.

Völlig anders Guido Westerwelle. Der vom Parteichefposten unter demütigenden Bedingungen verjagte Außenminister donnerte seine Worte ins Parkett wie zu seinen besten Zeiten als Wahlkämpfer. Dabei setzte er ganz auf Emotionen, beschwor die deutsch-französische Freundschaft und das heutige Euro-System als unverzichtbare Voraussetzung für deren Fortbestand. Doch mit seinem Hinweis, Europa koste eben auch etwas, machte er wenigstens klar, dass er das Blendwerk,  hinter welchem Rösler die Folgen der Euro-Politik der Bundesregierung weiterhin verstecken will, für verschlissen hält. Daher verlegte er sich zwar auf das sattsam bekannte Hantieren mit der Angst der Deutschen vor Isolierung und Einkreisung, verschwieg den Delegierten aber nicht (mehr) die Kosten seiner Politik.

„Euro-Rebell“ Frank Schäffler nutzte seine kurze Redezeit, um noch einmal seine Bedenken gegen die Rettungsschirm-Politik mit der ihm eigenen Eindringlichkeit vorzubringen. Ein wichtiger Verbündeter war ihm Burkhard Hirsch. Als Urgestein der Linksliberalen legte Hirsch den Schwerpunkt auf die Frage, in was für ein Europa wir eigentlich gerieten, wenn europäische Völker eines nach dem anderen ihre demokratischen Mitwirkungsrechte an Aufseher von EU, EZB und Internationalem Währungsfonds (IWF) verlieren.

Aus den Beiträgen der „Rebellen“ um Hirsch und Schäffler schimmerte das lange kaum gespürte Feuer der Partei von Freiheit, Bürgerrecht und Volkssouveränität. Irritierend wirkte indes, dass dieses Feuer kaum in den Reden von Nachwuchsfunktionären loderte, die sich eher mit peinlichen Ergebenheitsadressen bei der Führung anbiederten oder abgeschmackte Wahlkampfreden hielten.

Ins Bild von der Freiheitspartei passt in den Augen der Freidemokraten, dass sie die einzige Partei seien, die ihre Mitglieder überhaupt zum Euro-Rettungsschirm befragt, während bei allen anderen nur die Führung entscheide. Damit gibt die FDP in der Tat ein Beispiel für parteiinterne Demokratie.

Damit könnte allerdings auch eine bedenkliche Kluft zutage treten: Selbst die FDP-Spitze rechnet damit, dass bis zu 40 Prozent der Parteimitglieder dem Antrag der „Rebellen“ zustimmen könnten. Doch auf dem Frankfurter Parteitag schlug sich, dem Beifall nach zu urteilen, nur etwa ein Viertel der Delegierten auf die Seite von Frank Schäffler und Burkhard Hirsch. Und auf dem Podium, wo die Prominenz saß, zollte ihnen kein einziger Applaus.

Ohne dem Ausgang des FDP-Mitgliederentscheids vorzugreifen, lässt sich also eine Diskrepanz zwischen der Basis und ihrer Führung feststellen, die nur schlecht zum Prinzip der demokratischen Repräsentanz passt. Wenn eine so starke Strömung wie die von Frank Schäffler „oben“ mit keinem einzigen Repräsentanten vertreten ist, dann stimmt hier etwas nicht. In den anderen demokratischen Parteien lässt sich ein ähnliches Auseinanderdriften von „oben“ und „unten“ feststellen.

Die Unruhe, mit welcher die Führungen von Union und SPD den freidemokratischen Alleingang in parteiinterner Demokratie begleiten, hat also ihren Grund: Die FDP-Abstimmung könnte eine grundsätzliche Debatte über den Zustand der heutigen Parteiendemokratie lostreten. Die Empörung, mit welcher Guido Westerwelle den Einwand zurück­wies, der Parteitag sei nicht repräsentativ für die Basis, die hatte schon etwas von der Empörung eines Ertappten. Hans Heckel


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