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19.11.11 / Zwei Jahrzehnte Lieferzeit / Junge, qualifizierte Fachkräfte braucht die deutsche Wirtschaft, doch die Gesellschaft hat zu wenig zu bieten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-11 vom 19. November 2011

Zwei Jahrzehnte Lieferzeit
Junge, qualifizierte Fachkräfte braucht die deutsche Wirtschaft, doch die Gesellschaft hat zu wenig zu bieten

Der Mikrozensus, die jüngste Volksbefragung in Deutschland, zeigt: Deutschland wird immer älter und es gibt immer weniger Kinder und Jugendliche, besonders im Osten der Bundesrepublik. Deutschland ist in Mitteleuropa das kinder-ärmste Land.

Allseits bekannt ist, dass seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts („Pillenknick“) die Zahl der Neugeborenen hierzulande kontinuierlich sinkt. Allen familienpolitischen Maßnahmen und Kinderkrippen zum Trotz muss nun das Statistische Bundesamt feststellen: Die erhoffte Wende in der Bevölkerungsentwicklung fand nicht statt. Die neuesten Zahlen des Mikrozensus, die Roderich Egeler, Präsident des Statistischen Bundesamtes, kürzlich vorstellte, sprechen eine deutliche Sprache: Seit 30 Jahren stagniert die Geburtenrate pro Frau bei 1,4 Kindern, obwohl 2,1 Kinder für die Bestandserhaltung der Bevölkerung notwendig sind.

Besonders die Zahl der unter 18-Jährigen gilt als Gradmesser für die Zukunft, weil nur sie potenziell zukünftig Kinder bekommen können. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung lag vor zehn Jahren noch bei 18,8 Prozent und ist heute auf 16,5 Prozent gesunken. Rechnet man diese Zahlen hoch, so werden in unserem Land im Jahr 2020 noch 15 Prozent Kinder und Jugendliche leben. Keines unserer Nachbarländer hat derart schlechte Zahlen.

Wenn kein gewaltiger Umschwung erfolgt – und der ist nicht abzusehen –, wird die Zahl junger Menschen in Deutschland in den folgenden Jahrzehnten immer kleiner werden. Viele der Krippen, Kindergärten und Schulen, die jetzt noch gebaut werden, dürften bald wieder geschlossen werden. Dramatisch wird sich diese Entwicklung vor allen Dingen auf die deutschen Sozialsysteme auswirken, die auf Transferleistungen von den Jungen auf die Älteren beruhen.

Auch die Wirtschaftsleistung Deutschlands hängt vom Nachwuchs direkt ab. Die derzeit boomende Wirtschaft mag darüber hinweg täuschen, welche Probleme in Zukunft bevorstehen. Aber: Als rohstoffarmes Land ist Deutschland direkt von gut ausgebildeten und zahlreichen Fachkräften abhängig. Anders als bei Finanzkrisen, deren Auswirkungen zumindest mittelfristig zu spüren sind, kommt der Effekt der Kinderarmut schleichend daher. Bereits jetzt ist allerorten vom Mangel an Fachkräften die Rede. Solche Menschen, die von ihrer Ausbildung und Mentalität tatsächlich in den deutschen Arbeitsmarkt passen, lassen sich nicht kurzfristig leihen und auf den Markt „schießen“, wie Ökonomen sagen. Von dem Moment, da man versucht, eine neue Generation von Menschen zu gewinnen, die gerne mehr Kinder haben möchte, bis zu dem Moment, wo die Kinder tatsächlich auf den Arbeitsmarkt treten, vergehen naturgemäß Jahrzehnte.

Das Statistische Bundesamt beeilt sich in seinem Bericht festzustellen, dass die „Kinder das Wertvollste einer Gesellschaft“ sind. Ähnliche Appelle sind von Kirchen und christlichen Gruppen zu hören, deren gläubige Mitglieder – statistisch nachgewiesen – immerhin auch die relativ höchste Zahl an Kindern auf die Welt bringen. Umgekehrt ist dort, wo der Glaube wenig praktiziert wird, die Zahl der Kinder besonders gering. Im Osten Deutschlands verringerte sich der Anteil der unter 18-Jährigen in den letzten 20 Jahren um 29 Prozent – und dies, obwohl die zu DDR-Zeiten gepflegte Tradition von flächendeckenden Kinderhorten, Kinderkrippen oder Kindergärten fast nahtlos fortgesetzt wurde.

Ein Beispiel für diese langsame Entvölkerung ist die Stadt Schleiz in Thüringen. Wer in die Stadt südlich von Jena/Gera kommt, wundert sich zunächst über leerstehende Häuserzeilen, wie sie inzwischen fast überall in Mitteldeutschland zu finden sind. Hatte sich in den letzten 150 Jahren die Bevölkerung in Schleiz von 4619 auf 9528 verdoppelt, so sinkt seit 1996 die Zahl der Einwohner (derzeit 8717) kontinuierlich ab. Noch immer regiert in Schleiz übrigens der alte SED-Bürgermeister Heinrich Rimpel, heute für die Partei „Die Linke“.

Mit hoffnungsvolleren Zahlen können die „alten“ Bundesländer im Westen aufwarten. Nur um zehn Prozent ist die Zahl der unter 18-Jährigen seit dem Mauerfall 1989 zurückgegangen. Die Bevölkerungsentwicklung wird daher für Großstädte wie München, Hamburg oder im Rheinland optimistischer prognostiziert. Der Kinderreichtum von Immigranten aus der Türkei, afrikanischen und arabischen Ländern sorgt hier für bessere Zahlen, aber auch für hohe Quoten bei Schulabbruch, Arbeitslosigkeit und Kriminalität.

Als Vorzeigeregion für eine geglückte Integration gilt die Region um das niedersächsische Cloppenburg. Kinderreichtum und eine wachsende Wirtschaft gehen hier Hand in Hand. In vielen Familien werden dort drei und mehr Kinder groß. Oft genug sind es hier christlich geprägte Russlanddeutsche, die durch ihren Fleiß und durch geordnete Familienverhältnisse für Aufschwung und gute Zukunftsaussichten sorgen.    Hinrich E. Bues


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