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19.11.11 / »Wie vortheilhaft es Ihnen sein würde« / Preußische Seehandlung: Schon im Absolutismus versuchte sich der Staat als Unternehmer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-11 vom 19. November 2011

»Wie vortheilhaft es Ihnen sein würde«
Preußische Seehandlung: Schon im Absolutismus versuchte sich der Staat als Unternehmer

Die Stiftung Preußische Seehandlung ist erst knapp drei Jahrzehnte alt. Die Geschichte der Preußische Seehandlung reicht jedoch bis in die Zeit ihres Gründers, Fried­rich des Großen, zurück, dessen Geburtstag sich kommendes Jahr zum 300. Mal jährt.

Das 19. Jahrhundert gilt als Hochzeit von Imperialismus und Kolonialismus. Das Streben nach Kolonien gab es aber auch schon im 18. Jahrhundert. Engländer und Franzosen betätigten sich in Nordamerika, Holländer in Südostasien, Spanier und Portugiesen in Mittel- und Südamerika. Auch das kleine Brandenburg-Preußen, eigentlich eine typische Landmacht, blickte nach Übersee. Schon der Große Kurfürst hatte brandenburgische Stützpunkte an der westafrikanischen Küste im heutigen Guinea und in Mittelamerika errichten lassen.

Sie bestanden nur wenige Jahrzehnte, aber Preußen hatte gewissermaßen „Blut geleckt“. Als es nach dem ruinösen Siebenjährigen Krieg (1756–1763) darum ging, das Land wieder aufzurichten, begann Friedrich der Große eine Belebung der „Commercien“ in allen nur denkbaren Bereichen. Dazu gehörte auch die Gründung einer Seehandlungs-Societät („Societé de Commerce Maritime“) am 14. Oktober 1772. Im Gründungspatent dieser Einrichtung zur Förderung der heimischen Kaufleute hieß es: „Wie vortheilhaft es Ihnen sein würde, unmittelbar und unter Unserer Flagge von Unseren Häfen, die Häfen von Spanien und alle anderen Plätze zu beschiffen, wo sich sichere Aussichten zu einem tüchtigen Gewinn von Ein- und Ausfuhr vorfinden mögen.“

Damit war die Preußische Seehandlung geboren. Ihre Schiffe waren bewaffnet, durften das preußische Wappen führen und erhielten das Monopol bei so wichtigen Gütern wie Salz und Wachs. Schon bald blieb es nicht beim Seehandel. Fried­richs Nachfolger benutzten das Institut zur Verwaltung der enormen preußischen Schulden nach den napoleonischen Kriegen und erlaubten zusätzlich Geldmarktgeschäfte und das Engagement in Industrieunternehmen.

Damit begann die – freilich relativ kurze – Blütezeit des Unternehmens, das zwischen 1820 und 1848 von dem Bankier und Unternehmer Christian von Rother (1778–1849) geprägt wurde. Rother bestimmte die preußische Wirtschafts- und Finanzpolitik im Vormärz. Die Seehandlung wurde Staatsbankhaus, förderte den Chausseebau, die Dampfschifffahrt auf Elbe, Havel und Spree, baute Fabriken und richtete Kranken- und Invalidenkassen ein. Um 1840 war die Seehandlung der größte Arbeitgeber Preußens.

Und doch kam just in dieser Zeit der Niedergang. Das wirtschaftlich erstarkte Bürgertum sah ein allzu großes staatliches Engagement in seinem ureigensten Bereich mit Misstrauen. Auf großen Druck hin hob der König 1845 die Unabhängigkeit der Seehandlung auf und unterstellte sie dem preußischen Finanzministerium. Die meisten Unternehmen wurden verkauft, das Institut beschränkte sich auf das Bankgeschäft. Seit 1904 firmierte es als „Königliche Seehandlung (Preußische Staatsbank)“, nach 1918 als „Preußische Staatsbank (Seehandlung)“.

Die Bank hatte sich zwischen 1901 und 1903 jenes repräsentative Gebäude am Gendarmenmarkt gegenüber dem Großen Schauspielhaus, dem heutigen Konzerthaus, bauen lassen, das wie durch ein Wunder den Zweiten Weltkrieg relativ unbeschadet überstand. Nach 1945 zogen die Sowjets hier ein. 1949 wurde das Gebäude der neugegründeten Akademie der Wissenschaften der jungen DDR übergeben. Heute hat hier die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften ihren Sitz.

Wie alles Preußische wurde auch die Seehandlung auf alliierten Beschluss 1947 aufgelöst. Es kam zu einem 30 Jahre dauernden Dornröschenschlaf, bis sich 1983 der Gedanke durchsetzte, den noch vorhandenen Liquidationsüberschuss in eine gemeinnützige Stiftung zu überführen. Sie erhielt den Namen „Stiftung Preußische Seehandlung“ und wurde mit einem Grundkapital von 19 Millionen D-Mark ausgestattet mit der Zielsetzung, vor allem auf Berlin bezogene wissenschaftliche und kulturelle Projekte zu fördern.

Und so bewirkt die heute in Charlottenburg ansässige Stiftung im vereinten Berlin im Stillen viel Gutes. Sie fördert wissenschaftliche Tagungen, vergibt Druckkostenzuschüsse, vergibt Stipendien an junge Autoren und Schriftsteller aus osteuropäischen Ländern. Die von ihr finanzierten Literatur- und Theaterpreise des Landes Berlin sind alljährlich besondere Ereignisse im Berliner Kulturleben, wobei kaum jemand weiß, dass das Geld von einem Spender kommt, der auf eine fast 240-jährige Geschichte zurückblicken kann.  Dirk Klose


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