19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
19.11.11 / Gestörte Mutterliebe / Verschollene Verwandte klärt über Familiengeheimnisse auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-11 vom 19. November 2011

Gestörte Mutterliebe
Verschollene Verwandte klärt über Familiengeheimnisse auf

„Deutschenflittchen, zischte es hinter ihr, Deutschenflittchen, Deutschenflittchen. Warum wiederholten die Leute alles dreimal, als wollten sie den anderen ihre Worte in den Kopf hämmern, als genüge es bei so einem Wort nicht, es einmal auszusprechen …“

Die Kulturwissenschaftlerin Odilie Kennel wurde 1967 nahe der französischen Grenze in Baden-Württemberg geboren. Sie wuchs zweisprachig auf und erlangte schon früh ein Gefühl dafür, was Deutsche und Franzosen verbindet und voneinander trennt. Ein Blick in die Vergangenheit hilft hier. Das ist auch Aufgabe von Kennels Romanheldin Louise in „Was Ida sagt“. Eigentlich Französin, zog sie gleich nach dem Abitur nach Berlin, um dort Geschichte zu studieren. Doch ein Studienprojekt führt sie nach elf Jahren Abwesenheit zurück in ihre Heimat. Eigentlich will sie Zeitzeugen zum Zweiten Weltkrieg befragen, doch eine Benachrichtigung ihrer Mutter Paulette über den Tod der Großtante Adrienne verleitet Louise, doch einmal bei der Beerdigung vorbeizuschauen, denn merkwürdigerweise war in der von der Mutter mitgesandten Todesanzeige eine Tochter von Adrienne aufgeführt, von der die 28-jährige Louise nie zuvor gehört hatte.

Nachvollziehbar schildert die Autorin, wie die Heimreise Louise bedrückt. Der kleine französische Küstenort erinnert die Wahl-Berlinerin an ihre Kindheit, die keineswegs glücklich war, da der Vater oft auf Geschäftsreise und die Mutter stets in sich gekehrt und abweisend war. Doch der Leser wird am Ende erfahren, was die Gründe hierfür sind, denn dank Ida, der unbekannten Tochter der verstorbenen Großtante, erfährt Louise einiges über ihre Familie. Zwischen Idas Vergangenheitsberichten und den Entwicklungen in Louises Gegenwart schildert die Autorin die Vergangenheit und Gegenwart auch aus der Perspektive von Louises Mutter Paulette. Und am Ende weiß der Leser mehr als Louise über ihre Familie und ist voller Mitleid für Paulette, deren Zukunft bereits als junges Mädchen durch den Zweiten Weltkrieg eine Wendung nahm, deren Folgen sie nie verarbeitet hat. Aber auch die Gründe für die Eiseskälte, die zwischen Ida und ihrer verstorbenen Mutter Adrienne herrschte, werden offenbar und erklären das Verhalten und die Schrullen der Protagonisten.

Odilie Kennel ist mit „Was Ida sagt“ ein interessanter Roman gelungen, der das Aufeinandertreffen von Deutschen und Franzosen im Zweiten Weltkrieg, aber auch Konflikte zwischen den Generationen einer Familie zum Thema hat. Dabei legt die Autorin Wert auf zwischenmenschliche Beziehungen und nicht auf nationale Freund-Feind-Schemata. Bel

Odilie Kennel: „Was Ida sagt“, dtv premium, München 2011, kartoniert, 315 Seiten, 14,90 Euro


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren