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19.11.11 / Militär war stets ein Teil vom Ganzen / Wie Offiziere und Soldaten die Gesellschaft und die Entwicklung in Berlin-Brandenburg prägten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-11 vom 19. November 2011

Militär war stets ein Teil vom Ganzen
Wie Offiziere und Soldaten die Gesellschaft und die Entwicklung in Berlin-Brandenburg prägten

Handbücher haben immer das Anliegen, eine Erst-information zu geben und zu weiteren Nachforschungen anzuregen. Dem Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA) ist dies mit dem recht umfangreichen Werk gelungen, wobei im ersten Teil die Militärgeschichte von Brandenburg-Berlin im Überblick vermittelt wird. Im zweiten Teil unterstützt ein Ortslexikon tatkräftig bei der Spurensuche des Reisenden.

Es wird deutlich, dass Militärgeschichte verflochten ist mit Wirtschaft, sozialen und kulturellen Verhältnissen sowie mit politischen Entwicklungen, was mit einführenden Aufsätzen präsentiert wird. Wolfgang Petter stellt das Gebiet Brandenburg-Berlin bis 1871 dar. Er blickt bereits auf die frühe menschliche Besiedlung, konzentriert sich dann auf die Ostausdehnung Deutschlands mit der Mark Brandenburg, die im Mittelalter  mit dem Erhalt der Kurwürde 1415 zur regionalen Führungsmacht wuchs. Es folgte der Dreißigjährige Krieg mit Schlachten, Entvölkerung und Wiederbesiedlung („Peuplierung“ etwa auch mit Hugenotten) sowie der Erweiterung von Rhein bis Memel. Der Große Kurfürst Fried-rich Wilhelm konsolidierte Brandenburg-Preußen nicht nur nach außen, sondern schaffte den Beamten- und Militärstaat nach innen.

Die Erhebung zum Königreich 1701 hatte das Kantonsreglement zur Folge, mit dem aus dem Land (nicht aus den Großstädten) Militärdienstleistende gewonnen wurden. In den Schlesischen Kriegen wuchs Preußen mit seinem brandenburgischen Kern zur europäischen Großmacht, deren Selbstgefälligkeit allerdings 1806 eine Katastrophe mündete. Militärgeschichtlich wichtig waren dann die Reformen mit Änderungen des Heeres und der Wehrpflicht – die heute mit Rückbesinnung in Frage gestellt werden. Preußen war daraufhin siegreich 1864 bis 1871.

Martin Rink betrachtet im zweiten einführenden Aufsatz Brandenburg-Berlin als militärische Zentralregion im Deutschen Reich 1871 bis 1945. Das preußische Vorbild des Militärischen übertrug sich auf die Länder des Deutschen Reiches. Die Streitkräfte wirkten nicht unerheblich auf Staat, Wirtschaft und Gesellschaft, was durchaus auch zu Gegenkräften führte, die aber wenig durchsetzungsfähig waren. Das Militärische war deutlich geschwächt nach 1919, erlebte aber eine neue Blüte mit der Wiederaufrüstung nach 1933. Geografisch sehr interessant wurde die militärische Prägung des Raumes Berlin-Brandenburg mit seinen Kasernen, zentralen Stäben, Ämtern und Ausbildungseinrichtungen, was bis heute zu sehen ist. Torsten Diedrich und Winfried Heinemann reflektieren in ihrem Beitrag Brandenburg-Berlin im geteilten Deutschland 1945 bis 1990. Ausführlich stellen sie dar Auftrag, Gliederung und Dislozierung der Roten Armee als Besatzungsmacht, die Blockade West-Berlins und die Pläne, dieses „kapitalistischen Dornes“ im sozialistischen Frontstaat DDR habhaft zu werden. Aber nach den Vereinbarungen der Siegermächte durfte sich kein deutsches Militär in Berlin aufhalten. Das Verteidigungsministerium der DDR wurde nicht in Berlin, sondern in Straußberg eingerichtet − in einem von Herman Göring gebauten Kasernenkomplex mit Fliegerhorst.

Werner von Scheven, der als Stellvertreter von Generalleutnant Schönbohm mit dem Bundeswehrkommando Ost die Bundeswehr in den jungen Bundesländern ab 1990 repräsentierte, berichtet im vierten Aufsatz des einführenden Abschnittes über den militärischen Umbau in Brandenburg-Berlin nach der deutschen Einigung 1990. Hier wird deutlich,  einerseits bei Entlassung von Soldaten und Zivilpersonal der Nationalen Volksarmee der DDR oder deren Übernahme in die Bundeswehr was geleistet wurde. Dann die Abwicklung des riesigen Waffen- und Munitionsbestandes ohne Gefahren. Wichtig war auch die Kooperation mit den abziehenden russischen Streitkräften sowie die zivil-militärische Zusammenarbeit nicht mehr mit der „Armee“, sondern mit der Bundeswehr etwa bei Katastrophen-Einsätzen an Oder und Elbe. Leider hat von Scheven die Vermessungsunterstützung Ost von 1993 bis 1998 nicht genannt, die von Bundeswehr-Vermessungssoldaten für die neuen Landesvermessungsämter geleistet wurde, um das Festpunktfeld für anschließende investive Gewerbe- und Siedlungsflächen zu verdichten. 

Gerade beim letzten Aufsatz wird etwas klar, was sich dann im Teil „Ortslexikon“ zeigt: Das Handbuch versteht Brandenburg-Berlin als die heutigen Bundesländer, was im Titel durch die Ergänzung mit diesem Wort hätte eindeutig gemacht werden können. Gleichwohl ist es ein sehr wertvolles Buch mit hervorragenden, meistens unbekannten Bildern. Es schließen sich Quellen-, Literatur-, Orts- und Personennamenverzeichnis an. Das Handbuch ist eine neue Form des anspruchsvollen militärgeschichtlichen Reiseführers.       Thomas Palaschewski

Kurt Arlt, Michael Thomae und Bruno Thoß (Hrsg.): „Militärgeschichtliches Handbuch Brandenburg-Berlin“, be.bra, Berlin, 703 Seiten, gebunden, 48 Euro


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