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26.11.11 / Zwischen Pest und Cholera / Die ägyptische Alternative: Militärdiktatur oder Gottesstaat

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-11 vom 26. November 2011

Zwischen Pest und Cholera
Die ägyptische Alternative: Militärdiktatur oder Gottesstaat

Wenige Tage vor der für den 28. November angesetzten ersten Runde der Parlamentswahlen versinkt Ägypten erneut im Chaos und die Sympathien, die das Militär noch beim Sturz von Präsident Hosni Mubarak genoss, sind endgültig verspielt. Die jüngsten Unruhen in Kairo und anderen Städten mit dutzenden Toten und über 1000 Verletzten nähren aber – wie schon das Kopten-Massaker im Oktober – die Gerüchte, dass die Militär-Junta unter Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi selber dahinterstecke, um die immer wieder verschobenen Wahlen weiter verschieben oder ganz absagen zu können.

Das Wahlgesetz ist ohnehin recht vage und die Infrastruktur reicht kaum für eine geordnete Stimmabgabe der 44 Millionen Berechtigten. Auch dahinter wird Kalkül vermutet, denn das fördert Missbräuche – und damit Anfechtungen, mit denen man unerwünschten Personen Mandate aberkennen kann. Das oberste Verwaltungsgericht hat übrigens entschieden, dass Parteigänger Mubaraks nun doch kandidieren dürfen. Aber am Sieg der Muslimbruderschaft gibt es keinen Zweifel. Wenn die Wahl stattfindet.

Die Sicherheitslage hat sich ganz allgemein dramatisch verschlechtert. Es gibt einfach keine funktionierende Exekutive mehr, was sich in allen Daseinsbereichen zeigt. Wer es sich leisten kann, wohnt hinter gesicherten Mauern und ist nur mit Leibwächtern unterwegs, denn Überfälle sind an der Tagesordnung. Selbst „muslimisch gekleidete“ Frauen werden belästigt, wenn sie ohne Begleitung sind. Aus dem Sinai kommen Berichte über Organ- und Menschenhandel. In Oberägypten gibt es blutige Familienfehden. Und Übergriffe auf Christen häufen sich – in dieser Atmosphäre können Berichte über eine angebliche Marienerscheinung in Alexandrien nicht verwundern.

Der wirtschaftliche Niedergang hat die sozialen Probleme weiter verschärft. Die Meinungsfreiheit ist zwar heute größer als früher, aber wie lange noch? Manche Blogger wurden verhaftet und seit Beginn der Revolution sind 12000 Personen vor Militärgerichten gelandet. Der vor 30 Jahren verhängte Ausnahmezustand ist weiter in Kraft.

Und überhaupt deutet immer mehr darauf hin, dass die Junta eigentlich nur den Volkszorn dafür genützt hatte, um Präsident Hosni Mubarak auszuschalten. Denn dessen „neoliberale“ Politik war zu einer Bedrohung für den auch wirtschaftlich äußerst mächtigen Militärapparat geworden.

Der Friedens-Nobelpreisträger Mohammed ElBaradei, der einst als Hoffnungsträger galt und vor überhasteten Schritten gewarnt hatte – er riet sogar dafür, Mubarak so zu behandeln wie 1952 den von der Offiziers-Junta abgesetzten König, nämlich ihn einfach ausreisen zu lassen – war zuletzt nur noch ein Rufer in der Wüste. Doch nun, nach dem Rücktritt des zivilen Kabinetts, scheint sich die Militär-Junta plötzlich an ihn zu erinnern und wollte ihn zum neuen Premierminister machen. Er ließ sich aber nicht breitschlagen. R. G. Kerschhofer


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