19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
26.11.11 / Der Traum vom EU-Austritt / Euro-Krise trifft auch Großbritannien – EU-Skeptiker erhalten immer mehr Zustimmung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-11 vom 26. November 2011

Der Traum vom EU-Austritt
Euro-Krise trifft auch Großbritannien – EU-Skeptiker erhalten immer mehr Zustimmung

Statt Schadenfreude über das Straucheln des Euros zu empfinden, spüren die britischen Euro-Verweigerer, dass sie mit in den Sog der Euro-Krise hineingezogen werden. Dabei leiden sie noch immer unter den Folgen der Banken-Krise und Fehlen struktureller Reformen.

Eigentlich hatte Volker Kauder, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, mit der Formulierung, dass in Brüssel jetzt Deutsch gesprochen werde, die Mitglieder seiner Partei dazu bewegen wollen, für den Euro auch ihr letztes Hemd zu geben. Er traf aber stattdessen einen empfindlichen Nerv der Briten. Dort deutete man die Aussage so, dass Berlin nun, wie befürchtet, die Macht in Brüssel an sich reißen wolle. Auf der Insel haben die EU- und Euro-Skeptiker eine starke Lobby. Beim Euro wollte man bewusst nicht mitmachen, auch weil man wirtschaftliche Zweifel an dem Erfolg des Projektes hatte. Allerdings müssen die Briten jetzt feststellen, dass sie trotzdem mit im sinkenden Euro-Boot sitzen, ohne jedoch Einfluss nehmen zu können.

Und so stand der Besuch des britischen Premiers David Cameron in Berlin vorvergangene Woche unter keinem guten Stern. Es war offensichtlich, dass es nicht nur der Streit um die Finanztransaktionssteuer war, der Bundeskanzlerin Angela Merkel und Cameron spaltete. Die Stimmung zwischen dem Vereinigten Königreich und der in der Euro-Rettung tonangebenden Achse Berlin−Paris ist spätestens seit dem Moment im Keller, seitdem der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy Cameron von den Euro-Rettungsgipfeln auslud. „Wird sind es leid, dass Sie uns kritisieren und sagen, was wir tun sollen. Sie sagen, dass Sie den Euro hassen, und jetzt wollen Sie sich in unsere Treffen einmischen“, so der Franzose.

Schon vier Wochen vor dem Deutschland-Besuch hatten die EU-Kritiker in Camerons eigener Partei einen Aufstand geprobt. Bei einer Abstimmung über ein Referendum zum EU-Austritt im Londoner Unterhaus wurde offenbar, dass vor allem die regierenden Tories genug von Brüssel haben, zumal 2013 auch noch der Briten-Rabatt ausläuft und das von Sparprogrammen gequälte Land in diesem Jahr bereits fünf Milliarden Euro netto an die EU zahlt. 83 Tories stimmten für ein Referendum, 15 enthielten sich und Cameron versuchte sofort, eine Brücke zu den Abweichlern von seiner EU-Linie zu schlagen. So meinte er vor seinem Berlin-Besuch: Die Euro-Krise böte nun die Gelegenheit, „die EU so neu zu gestalten, dass sie die Interessen unserer Nation, aber auch der übrigen 26 Nationen, besser erfüllt. Und in Großbritanniens Fall auch die Möglichkeit, Befugnisse zurückzuholen, statt sie weiter wegdriften zu sehen“. Angesichts des Umstandes, dass man auf dem Kontinent immer öfter von den „Vereinigten Staaten von Europa“ spricht und nach mehr, statt weniger Europa gerufen wird, gab Cameron deutlich zu erkennen, dass er diese Richtung nicht mitgeht. Zwar versuchte sein Koalitionspartner und Vizepremier, der Liberaldemokrat Nick Clegg, die Wogen zu glätten und betonte, dass man mitten in der Krise nicht die EU-Verträge ändern könne, denn das würde „Populisten, Chauvinisten und Demagogen“ nur Tür und Tor öffnen, aber jene, die er „Populisten, Chauvinisten und Demagogen“ nennt, treffen in Großbritannien schon lange auf offene Ohren.

Und Aussagen wie die des britischen Notenbankchefs Mervyn King, dass das Land in Sachen wirtschaftlicher Erholung und Reformen bereits auf dem richtigen Weg gewesen sei, bevor die Euro-Krise über den Ärmelkanal geschwappt ist, sind Öl im lodernden Feuer der EU- und Euro-Skeptiker. Das hat zur Folge, dass sich die Briten als schuldlose Opfer der Euro-Krise fühlen, was durchaus auch im Sinne der Regierung ist. Frust, der auf Missständen im Inland beruht, auf einen Feind außerhalb der eigenen Landesgrenzen zu lenken, entlastet die Regierung. Deren Sparprogramme haben die Stimmung im Land zusätzlich verschlechtert. Eine Arbeitslosenquote von 8,3 Prozent, eine Jugendarbeitslosigkeit von 20 Prozent und die höchste Frauenarbeitslosigkeit seit 23 Jahren, bei einer Inflation von über fünf Prozent, einer stagnierenden Wirtschaft und einem weiter steigendem Handelsdefizit lassen jeden Volkswirtschaftler erblassen. Die anlässlich der Sparprogramme massiven Entlassungen im öffentlichen Dienst treffen vor allem Frauen, die dort überproportional beschäftigt sind. Die Jugendarbeitslosigkeit führt zu Perspektivlosigkeit sondergleichen, die im August zu den weit über die Grenzen Londons hinausgehenden Krawallen geführt hat. Der Staatshaushalt wird in diesem Jahr das anvisierte Defizit von „nur“ 6,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes überschreiten und vermutlich acht Prozent erreichen. Arbeitslosigkeit, Inflation und die Sparprogramme drücken auf den Konsum und der sowieso schwache britische Export stagniert, da 50 Prozent in die EU gehen und dort sorgt die Euro-Krise für Verunsicherung, die sich auch in den Orderbüchern auf der Insel niederschlägt.

Demzufolge würde ein Austritt aus der EU den Briten wirtschaftlich zwar die Einsparung der Überweisungen an Brüssel bringen, das Land aber weiter politisch isolieren. Zudem würde ein Ventil abhanden kommen, über das die Bewohner des Vereinigten Königsreiches ihrem Unmut Luft machen können. Und einen Vorteil hat die Euro-Krise durchaus, denn da Anleger aus dem unsicheren Euro-Raum flüchten, ist das Interesse an Investitionen in Großbritannien groß. Selbst britische Staatsanleihen finden nun außer der fleißig eigene Papiere kaufenden Zentralbank, was die Inflation nach oben getrieben hat, wieder Abnehmer am Markt. Das senkt den Zins, den der Staat zahlen muss. Rebecca Bellano


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren