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26.11.11 / Tanz auf dem Vulkan / New York vor Börsenchrash

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-11 vom 26. November 2011

Tanz auf dem Vulkan
New York vor Börsenchrash

Eigentlich sind Krisen etwas Besonderes, sie sind sozusagen ein negativer Höhepunkt. In den letzten Jahren jedoch erleben wir eine Krise nach der nächsten und in der Rückschau können wir der Krisen müde Gewordenen erkennen, dass sie nicht aus dem Nichts kamen. Lange bevor die jeweiligen Krisen an die Oberfläche drangen, schlummerten sie bereits im Verborgenen. Wer jedoch aufmerksam war, konnte schon vor Ausbruch Anzeichen erkennen. So erkennt auch der Leser von „Die Party bei den Jacks“, dass da einiges unter der Oberfläche brodelt, was kurz vor dem Ausbruch steht. Über den Ausbruch selbst kann der Leser zwar nichts erfahren, denn bei dem vorliegenden Werk handelt es sich um ein Fragment aus dem Nachlass des US-Schriftstellers Thomas Wolfe. Über diesen sagte einst Literatur-Nobelpreisträger William Faulkner: „Er mag von uns allen am meisten Talent gehabt haben, er hätte der größte amerikanische Schriftsteller werden können, wenn er bloß länger gelebt hätte …“ Da Wolfe jedoch mit 37 Jahren an Tuberkulose starb und sein Leben ähnlich ungesund verlief, wie das seiner Romanfiguren in „Die Party bei den Jacks“, hinterließ er nur wenige, aber dafür anspruchsvolle Werke. Warum Wolfe heute jedoch fast in Vergessenheit geraten ist, ist nicht ganz klar. Vielleicht ist sein Stil für die heutige Zeit zu poetisch und langatmig. Er hält sich gern an Details fest, doch da diese zumeist eine starke Symbolkraft haben, ist dies durchaus gerechtfertigt.

Der Leser dieses erstmals auf Deutsch publizierten Romanfragments des deutschstämmigen US-Schriftstellers, der mehrfach Deutschland besuchte und hier auch verehrt wurde, ahnt jedoch schnell, auf welche Krise der Roman hinführt: Die Hauptfigur ist Börsenspekulant und man schreibt das Jahr 1928. Auf der Party finden sich allerdings nicht nur Börsenspekulanten und Bankiers, sondern auch skrupellose Fabrikbesitzer, die scheinbar selbstlos die Kunst fördern, vor allem junge Schauspielerinnen, und viele Künstler, die sich die Reichen für Spaß und Spiel halten. Und auch ein gefallenes 26-jähriges Mädchen: „Es stimmte zwar, sie war ein Kind ihrer Zeit, die unglückselige Verkörperung dessen, woran ihre Zeit krankte. Sie ließ es zu, dass ihre Zeit sie tötete. Ihr Leben war bestimmt von Geschwindigkeit, rauschhaftem Wechsel und gewaltsamer Bewegung, von einem fiebrigen Tempo, das sich nie von sich aus erschöpfte oder zum Stillstand kam, sondern in wahnsinniger Übersteigerung immer weiter zunahm. Unweigerlich musste am Ende die Zerstörung stehen. Ihr Leben war also bereits dem Untergang geweiht.“

Die ausführlichen Anmerkungen am Ende des Buches weisen darauf hin, dass sich Wolfe zu Unrecht bei einem seiner Deutschlandaufenthalte über die Behauptung eines Journalisten, er würde nur sein Leben aufschreiben, aufgeregt hat: Wolfes eigene Erlebnisse sind immer erkennbar. So weist George, der Geliebte von Esther Jack, der Frau des Börsenspekulanten, Parallelen zu Wolfe selbst auf, denn auch Wolfe war eine Zeit lang der Geliebte einer Millionärsgattin und erfuhr über sie viele der Details aus der „feinen Gesellschaft“, die er in „Die Party bei den Jacks“ literarisch verarbeitet hat. Rebecca Bellano

Thomas Wolfe: „Die Party bei den Jacks“, Manesse, München 2011, gebunden, 354 Seiten, 19,95 Euro


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