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26.11.11 / Kalter Frieden / Der britische Historiker Frederick Taylor über die direkte Nachkriegszeit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-11 vom 26. November 2011

Kalter Frieden
Der britische Historiker Frederick Taylor über die direkte Nachkriegszeit

Der Autor, dem wir schon die Bücher „Dresden. Dienstag, 13. Februar 1945“ und „Die Mauer. 13. August 1961 bis 9. November 1989“ verdanken, bietet einen vorzüglichen Überblick über das, was in und mit Deutschland und den Deutschen bei Kriegsende und kurz nachher geschah. Den eigentlichen Ausführungen vorangestellt sind markante Sätze, die schlagwortartig aufschlussreiche Einblicke vermitteln. So schrieb General Dwight D. Eisenhower seiner Frau im September 1944: „Gott, ich hasse die Deutschen.“ Das war zu der Zeit, als erstmals ein amerikanischer Soldat deutschen Boden betrat. Dieser Hass war nicht Ausfluss einer misanthropischen Grundeinstellung, sondern die Frucht der Goebbelsschen Propaganda: „Ein Volk, ein Reich, ein Führer!“ Mit diesem Hass stand Eisenhower nicht allein; er beseelte die Mehrzahl der einflussreichen Kriegsgegner Deutschlands (fast wortgleich wie Eisenhower auch der amerikanische Präsident Roosevelt), die deshalb die Deutschen nicht befreien, sondern besiegen wollten. Taylor: „Das Wort ‚Vergeltung‘ mochte nicht offen ausgesprochen werden, aber deutsche Kollektivschuld“ wurde zur unausgesprochenen Leitvorstellung der Sieger mit schrecklichen Folgen insbesondere für die deutschen Kriegsgefangenen im Westen (Rheinwiesen) und nahezu jeden im Machtbereich der Roten Armee.

Taylor vergisst nicht die „Handvoll von Kritikern“ an dieser Auffassung zu erwähnen. Doch unterlässt er es zu prüfen, inwieweit der Kollektivschuldvorwurf gerechtfertigt gewesen ist. Es gibt Hunderte glaubwürdiger Zeitzeugen der NS-Ära, die das Verhalten der deutschen Mehrheit positiv bewerten, man denke nur an den Juden Victor Klemperer und seine Feststellung: „Fraglos empfindet das Volk die Judenverfolgung als Sünde.“ Aber diese Zeugnisse waren weder damals gefragt noch sind sie es heute. Helmuth von Moltke, der hingerichtet wurde, machte es sich zur Aufgabe, das westliche Ausland über den deutschen Normalbürger und seine Einstellung zu Hitler aufzuklären. Doch er stieß auf taube Ohren.

Nach dem Novemberpogrom 1938 fanden Tausende deutscher Juden Aufnahme in den USA. Am 7. August 1939 veröffentlichte die „New York Times“ unter der Überschrift „Prize for Nazi Stories“ einen Aufruf von Wissenschaftlern der Universität Harvard, an einem Preisausschreiben teilzunehmen. Zur Teilnahme berechtigt war jeder, der aus eigener Erfahung über „Mein Leben in Deutschland vor und nach dem 30. Januar“ schreiben konnte. Mehr als 250 Manuskripte gingen ein. Die meisten Autoren waren Juden, die Deutschland nach dem Novemberpogrom verlassen hatten. Bis heute ist nur ein kleiner Teil der Texte veröffentlicht. Offenbar wurde das Projekt stillschweigend eingestellt, weil die Berichte nicht den Erwartungen entsprachen. Die Einsicht eines der Projektleiter verraten die Worte: „Die Nationalsozialisten bildeten nämlich nur eine kleine verbrecherische Clique, welche die große schweigende Mehrheit tyrannisierte.“

Fragwürdig ist das Buch auch dort, wo von der Entnazifizierung in Bayern, „das als Hochburg der nationalistischen Rechten galt“ (welcher Nation, der bayerische oder der deutschen?), die Rede ist. Eine solche Hochburg war München Anfang der 20er Jahre, aber dann nicht mehr. Taylor beschreibt ausführlich die Verbrechen der Roten Armee, die von Stalin gebilligt wurden. In Bayern hatten die Amerikaner ausgerechnet einen Anhänger Stalins zum Entnazifizierungsminister gemacht. Sie wollten den Teufel mit Beelzebub austreiben. Das musste erbitterten Widerspruch auslösen.

Wenn trotz solcher Unzulänglichkeiten das Buch eine positive Gesamtnote verdient, so deshalb, weil die zentralen Themen der deutschen Nachkriegsgeschichte, so das unterschiedliche Walten der Besatzungsmächte, Flucht und Vertreibung von Millionen, die jahrelange Hungersnot, die Entnazifizierung nebst Racheorgien, schonungslos nüchtern und ausführlich dargestellt werden. Konrad Löw

Frederick Taylor: „Zwischen Krieg und Frieden. Die Besetzung und Entnazifizierung Deutschlands 1944-1946“, Berlin Verlag, Berlin 2011, gebunden, 519 Seiten, 28 Euro


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