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03.12.11 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-11 vom 03. Dezember 2011

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

Adventszeit ist Familienzeit, das war immer so und ist auch so geblieben. Mögen sonst die Sippenmitglieder auseinanderdriften, Weihnachten gehört nun einmal der Familie, und zum Plätzchenbacken im Advent finden sie sich vereint in trauter Eintracht um Mutters Küchentisch zusammen. Ach, wer erinnert sich nicht von uns Älteren an diesen ganz besonderen Tag im Advent, wenn sich die ganze Familie zum Marzipanbacken zusammenfand und alle bemüht waren, das schönste Marzipanherz zu formen. Das verlangte schon einige künstlerische Fähigkeiten, denn der Randstreifen musste säuberlich auf das ausgestochene Bodenstück gesetzt, mit Rosenwasser aufgepappt und mit einem „Marzipankneifer“ akkurat gemustert werden. Und dann musste es beim Flämmen unter Holzkohlenfeuer die richtige Bräunung erhalten – das war schon hehre Küchenkunst, die ostpreußische Familienmütter perfekt beherrschten. Na, und wenn was schief ging, dann wurden die misslungenen Gebilde lieber gleich vernichtet. Danach jieperten wir kleinen Kruschkes doch schon sehr und waren selig, wenn wir ein misslungenes Schmeckprobchen ergatterten. Ja, das war Advent tohuus – und in der Erinnerung glaubt man noch diesen warmen, süßen Duft von Mandeln und Rosenwasser zu spüren, der sich mit dem von Honig, Zimt, Nelken und Kardamom beim Katharinchen backen mischte. Ja, die Katharinchen, diese großen rundbogigen Pfefferkuchen, mit Mandeln belegt, die durften auf keinem Bunten Teller fehlen. Als wir einmal vor langen Jahren auf Leserwunsch nach den typischen Ausstechförmchen fragten, bekam ich etliche zugesandt, und eines habe ich behalten. Es ist zwar kein Original, aber originalgetreu nachgearbeitet, man kann damit „echte“ Katharinchen backen. Ich will mich gerne von ihm trennen und es einem backfreudigen Familienmitglied überlassen.

Heimat kann man eben schmecken, und unsere ostpreußische Küche bietet da schon einige Spezialitäten wie Beetenbartsch, Graue Erbsen oder Schmand mit Glumse. Aber haben Sie schon einmal „kahle Mäuse“ probiert? Der Name klingt nicht gerade einladend und es dürfte sich auch nicht um geschorene kleine Nager handeln – ja, aber um was dann? Die Fragestellerin möchte es gerne wissen, denn sie hat die „kahlen Mäuse“ als Kind gegessen, und zwar in der Gegend von Treuburg. Es muss also ein spezielles Gericht aus dem Norden Masurens sein, ich habe es leider in keinem ostpreußischen Kochbuch finden können. Denkbar wäre es, dass es sich um „Keilchen“ handeln könnte – also um Mehlklöße, die in der Form vielleicht an kleine Mäuse erinnern und durch ihre Glätte auch leicht vom Teller flutschen, aber das ist eben nur eine Vermutung. Ostpreußen war ja ein „Kielkeland“, am berühmtesten waren die Heilsberger Keilchen. Vielleicht kennen einige Leserinnen noch das Originalrezept von den „kahlen Mäusen“, das sie bitte an uns senden möchten.

Das alte „Kriegskochbuch für fleischlose Tage“ hat Erinnerungen an trübe Zeiten geweckt, und Frau Ilse Conrad-Kowalski musste an die Kochkünste ihrer Mutter denken, als sie 1945 als Flüchtlinge in Flensburg gestrandet waren. Eine Kartoffel für jeden am Sonntag war schon das reinste Festessen. Wochentags gab es nur Wruken – also Steckrüben –, selbst das Schulbrot bestand aus einer gekochten Wrukenscheibe. Marmelade wurde aus Roter Bete mit künstlichem Ananasaroma fabriziert, Aromen spielten sowieso eine große Rolle, so bei dem Ersatz-Marzipan aus Kartoffeln mit viel Mandelaroma. Und als Ilse die Flensburger Schule verlassen musste, bekam sie als Abschieds­essen „Knäckebrot“ aus Kartoffelschalen vorgesetzt. Aber ein Brotaufstrich ist ihr noch in guter Erinnerung geblieben: die Hefeleberwurst. Die wollte sie schon immer einmal nachkochen, aber sie konnte sich nicht an das Rezept ihrer Mutter erinnern, nur daran, dass sie wie jede echte ostpreußische Leberwurst mit Majoran gewürzt wurde. Nun habe ich diese Hefeleberwurst auch in bester Erinnerung, sie schmeckte wirklich gut. Ihre Herstellung richtete sich nach den zur Verfügung stehenden Zutaten, Hefe, Majoran und Zwiebeln vermitteln geschmacklich den Leberwurst-Effekt. Wer kann sich noch an diese Ersatz-Leberwurst nach ostpreußischer Art erinnern? (Ilse Conrad-Kowalski, Rademacherstraße 11 in 23556 Lübeck, Telefon 0451/891818.)

An die Schmalzbrote ihrer Kinderzeit in Königsberg denkt Frau Jutta Nitsch La Pinta, die sie heimlich den russischen Kriegsgefangenen, die vor ihrer Schultüre die Straße fegen mussten, zugesteckt hatte. Wir veröffentlichten diese Erinnerung in unserer Kolumne und weil Frau Jutta auch nach ehemaligen Schülerinnen der Johanna-Ambrosius-Schule gefragt hatte, bekam sie Kontakt zu zwei Leserinnen – eine große Freude für die heute in Florida lebende Königsbergerin. Frau Ingrid Nowakiewitsch berichtete ihr über den heutigen Stand des Schulgebäudes, das jetzt als Volkshochschule genutzt wird, eine andere Leserin plauderte mit ihr am Telefon über die Schulzeit und vor allem über den Lehrer Voigt, den Sohn der Dichterin Johanna Ambrosius. Beiden Leserinnen soll ich ihren herzlichen Dank für die Freude vermitteln, die sie Frau Nitsch La Pinta mit ihren Gesprächen bereitet haben. Nun hofft Frau Nitsch La Pinta auf weitere Verbindungen mit alten Königsbergerinnen, diesmal mit ehemaligen Mitschülerinnen der Königin-Luise-Schule. Jutta hat 1943/44 in dem Oberlyzeum die erste Klasse besucht, ihre Klassenlehrerin war Fräulein Kalweit. Eine ältere, schon pensionierte Dame, die aber während des Krieges in den Schuldienst zurückberufen wurde. Frau Jutta erinnert sich, dass schon bei dem ersten Luftangriff der Engländer 1944 eine Sprengbombe als Blindgänger genau neben der Stelle, wo sich ihr Klassenzimmer befand, steckte. Ihr langer Brief ist überhaupt voller Erinnerungen an ihre Kindheit, so auch an die Klavierstunden im Konservatorium, die eine Französin, Madame Le Blank, der kleinen Jutta gab. Sie war eine sehr strenge Pädagogin und ihre Schülerin hasste den Unterricht, „aber etwas muss doch von den vielen Übungen hängen geblieben sein“, wie Frau Nitsch La Pinta schreibt. „Alles, was ich im Leben erreicht habe, die Hochschulausbildung bis zum M.S.degree hier in Amerika verdanke ich meinen geliebten Eltern und den ausgezeichneten Lehrern meiner Heimatstadt. Unser Schulsystem war einmalig!“ Sie hat diese Erinnerungen in einem Extra-Beitrag für unsere Ostpreußische Familie verarbeitet, den wir in einer späteren Folge bringen werden. Dafür und für Ihre lieben Zeilen herzlichen Dank, liebe Jutta im fernen Florida!

Sie ist zwar nicht meine Klassenkameradin, einige Jährchen liegen schon dazwischen, aber eine Mitschülerin vom Königsberger Bismarck-Oberlyzeum: unsere Ursula Zimmermann, die vor allem uns Königsberger in Hamburg zusammenhält. Wir denken und arbeiten gut miteinander, und so bat sie mich, einen Suchwunsch aufzugreifen, der kürzlich im „Königsberger Express“ erschien und der anscheinend bisher zu keinem Erfolg geführt hat. Das will ich heute gerne tun mit der Hoffnung, dass sich in unserem breit gefächerten Leserkreis auch Königsberger finden, die der Suchenden die gewünschten Hinweise geben können. Frau Doris Leitner würde nämlich gerne das Haus wieder finden, in dem sie im März 1941 als Doris Bleyer geboren wurde. Es lag südlich des Pregels in Spandienen III, einem ehemaligen Gutsbezirk an der Berliner Chaussee, der aufgesiedelt und 1928 in Königsberg eingemeindet wurde. Frau Bleyers Vater war als Schmied und Schlosser bei der Schichau-Werft tätig, es könnte sich also auch um eine Werkswohnung gehandelt haben. Das Haus lag im Block 7 und hatte die Nummer 80 – aber diese genaue Kenntnis nützte der heutigen Rentnerin nicht viel, als sie vor einigen Jahren ihre Heimatstadt besuchte. Einige der Blocks stehen noch, sind aber umnummeriert, sodass es ihr nicht möglich war, ihr Geburtshaus auszumachen. Sie konnte vor Ort niemanden finden, der über die ehemalige Siedlung Bescheid wusste. Frau Leitner lebt seit der Flucht 1945 in Bayern, in der Ostpreußengruppe, der sie nach ihrem Eintritt in den Ruhestand angehört, konnte ihr auch niemand helfen. Sie kann wohl auch nach dem Tod der Mutter – der Vater blieb vermisst – keine Verwandten mehr befragen, die sich an das Haus erinnern könnten. Deshalb die Frage an unsere Ostpreußische Familie: Wer hat damals in Spandienen gelebt und kann die Lage der einzelnen Blocks beschreiben oder besitzt noch einen Lageplan, nach dem sich Frau Leitner beim nächsten Königsberg-Besuch richten könnte? (Doris Leitner, E-Mail: doris-leitner@t-online.de)

In das weite Umland südlich des Pregels führt auch unser Bild. „Königsberger Kleingärten im Winter“ hat der Maler Kurt Bernecker sein Ölgemälde genannt, das dem großformatigen Kunstkalender „Ostpreußen und seine Maler 1912“ entnommen ist. Wie verloren stehen die Lauben in der Winterlandschaft, der kalte Ostwind hat den Schnee verweht, die Gärten liegen im Winterschlaf. Örtlich ließe sich das Motiv schwer einordnen, wenn der Maler es nicht genannt hätte: Kosse. Da Bernecker das Bild 1931 gemalt hat, waren die Parzellen noch neu, man sieht noch keine Hecken, keine Bäume, es ist, als läge die Großstadt meilenweit entfernt, einige Industrieanlagen sind in der Ferne zu sehen. Seit 1912 in Königsberg die ersten Schrebergärten geschaffen wurden, sprossen sie wie Pilze aus der Erde, denn als echter Ostpreuße wollte auch der Städter ein Stückchen Erde haben, in dem er säen und ernten konnte: Vor dem Sackheimer Tor, an der Cranzer Allee, am Wirrgraben, am Veilchenberg und ganz besonders in Ponarth. Den Maler hat wohl die unendlich scheinende Winterweite gereizt, in die das Rot der Lauben nur wenig Farbe bringen kann. Kurt Bernecker, der 1896 in Königsberg geboren wurde und auch hier studierte, überrascht immer wieder mit unkonventionellen Landschaftsbildern. Er war der Ehemann der Grafikerin Gertrud Lerbs, über deren Biografie wir in Folge 45 berichteten. Der reich bebilderte Band, den die LO gegen eine Spende von zehn Euro für die Bruderhilfe Ostpreußen versendet, hat bereits viele Freunde gefunden, das beweisen auch die erfreulichen Nachbestellungen. Einige der Kunstkalender stehen auch noch zur Verfügung und können, genau wie die Lerbs-Bernecker-Biographie bei uns bestellt werden. (Landsmannschaft Ostpreußen, Ute Vollmer, Buchtstraße 4, 22087 Hamburg, Telefon 040/414008-0, E-Mail: vollmer@ostpreussen.de)

Eure Ruth Geede


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