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03.12.11 / Deutsch für Russen / Wladimir Gilmanow in Offenburg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-11 vom 03. Dezember 2011

Deutsch für Russen
Wladimir Gilmanow in Offenburg

Reges Interesse fand eine Vortragsveranstaltung des Vereins Deutsche Sprache, Regionalgruppe Ortenau, mit Professor Wladimir Gilmanow von der Kant-Universität in Königsberg in Offenburg.

In seinen mit lebhafter Intonation vorgetragenen Ausführungen widmete sich der Referent dem scheinbar unüberbrückbaren Spannungsfeld zwischen dem zerstörten historischen Königsberg und dem „eingewanderten Kaliningrad“. Professor Gilma-now ging zunächst mit hohem Kenntnisstand auf die hervorragenden deutschen Geistesgrößen ein, die in Königsberg lebten und wirkten: Kant, Hamann, E.T.A. Hoffmann, Simon Dach, Agnes Miegel und Heinrich von Kleist. Er besprach ebenfalls bedeutende russische Kulturschaffende, die Königsberg in dieser Zeit besuchten und sich mit den deutschen Vordenkern austauschten. Von dieser Zeit einer deutsch-russischen Symbiose war Wladimir Gilmanow sichtlich bewegt und begeistert. Wehmütig berichtete er über die tragische Zäsur im 20. Jahrhundert und erläuterte mit bewegenden Worten die Apokalypse seit 1945. Er, dessen Eltern nach Kriegsende in das nördliche Ostpreußen einwanderten und der heute selbst an der Kant-Universität in Königsberg junge Menschen mit den verschiedenen Facetten deutscher Sprache vertraut macht, stellte fest, dass die deutsche Vergangenheit nebst Sprache trotz massiver Verdrängung noch heute allgegenwärtig ist. Diese Ansicht teilt er mit vielen Bewohnern des Gebiets trotz der zweiten großen neostalinistischen Zerstörungsphase der sechziger und siebziger Jahre, der unter anderem das historische Königsberger Schloss zum Opfer fiel. Dass sich seither wieder einiges zum Guten gewendet hat, begrüßt er, obwohl er bedauert, dass Königsberg als einzige Stadt im russischen Hoheitsgebiet nach wie vor den Namen eines stalinistischen Henkers trägt und sich wie ein dunkler Schatten zwischen eine deutsch-russischen Normalität schiebt.

Professor Gilmanow schätzt, dass etwa 20 Prozent der Schüler im Königsberger Gebiet Deutsch als Fremdsprache lernen.

Neuerdings ist diese Zahl jedoch leicht rückläufig, da sich zahlreiche Lehrer mangels wirtschaftlicher Perspektiven aus dem Bildungsbetrieb zurückziehen. Insgesamt ist der Stellenwert der deutschen Sprache im heutigen Russland recht hoch und etwa doppelt so wichtig wie in der früheren Sowjetunion. In seinen weiteren Ausführungen befasste sich der Referent mit dem sogenannten interkulturellen Strukturalismus, mit Hilfe dessen der profunde Kenner deutscher und russischer Literatur Vergleichslinien zwischen Goethe und Dostojewskij herausstellt.

In einer interessanten und lebhaften Diskussion beantwortete der Vortragende die vielen Fragen, die auch auf das deutsch-russische Verhältnis abzielten. Unter begeistertem Applaus des Publikums sprach er sich für eine Rückbenennung Kaliningrads in den historischen Namen der Stadt aus, ein beträchtlicher Bevölkerungsteil fühle sich ohnehin als Königsberger und habe viele historische Wurzeln der Stadt inzwischen verinnerlicht. Die durch die Insellage vorhandene Distanz zu Kernrussland scheint sich auch geistig verfestigt zu haben. Erich Lienhart


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