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03.12.11 / Preußens viele Facetten / Bunter Herbststrauß an Themen beim Frauenseminar

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-11 vom 03. Dezember 2011

Preußens viele Facetten
Bunter Herbststrauß an Themen beim Frauenseminar

Ein November ohne kulturhistorisches Seminar für Frauen? Das wäre wie ein Herbst ohne Laubfall!

Die über 40 Teilnehmerinnen des fast ausgebuchten Seminars, das vom 7. bis 11. November im „Ostheim“ in Bad Pyrmont stattfand, hörten zum Thema „Vom Deutschen Orden zum Haus Hohenzollern“ acht Referate, die sich auf markante Wendepunkte der preußischen und ostpreußischen Geschichte bezogen.

Uta Lüttich, Bundesvorsitzende der ostpreußischen Frauenkreise, die das Seminar leitete, gab eine Einführung in das Seminarthema.

Unerwarteter Höhepunkt im Reigen der Referate war der so nüchtern angekündigte Vortrag zum Thema „1511 – Albrecht von Brandenburg-Ansbach wird zum Hochmeister des Deutschen Ordens gewählt“. Dr. Martin Treu, Theologe aus Wittenberg (zu DDR-Zeiten wahrscheinlich einziger Pfarrer im Staatsdienst – als Leiter des Martin-Luther-Hauses seit 1983), hielt einen herausragenden Vortrag über den Briefwechsel zwischen Martin Luther und Albrecht von Brandenburg. „Wie Albrecht an Luther geraten ist, wissen wir nicht.“

Aus dem 22 Jahre dauernden Briefwechsel haben sich 21 Schreiben Luthers erhalten (mindestens acht sind verloren), fast ebenso viele Briefe Albrechts sind bekannt. Dr. Treu hat intensives Quellenstudium betrieben, doch ist Luthers Einfluss auf Albrecht nicht mit Sicherheit zu beweisen. Faszinierend war, viele inhaltliche Details aus diesem Briefwechsel – in den zeitlichen Rahmen gestellt – zu hören. Daraus erwuchs ein anschaulich-lebendiges Bild der beiden Persönlichkeiten. Die Zuhörerinnen waren so interessiert, dass sie unbedingt erfahren wollten, wann und wo das Thema dieses Vortrags als wissenschaftlicher Aufsatz publiziert werden wird.

Große Aufmerksamkeit brachten die Frauen auch den von Hans Graf Dohna, Potsdam, gehaltenen Ausführungen über seinen bedeutenden Vorfahren entgegen: „1661 – Alexander Burggraf und Graf zu Dohna, preußischer Generalfeldmarschall und Diplomat, wird auf Schloss Coppet am Genfer See geboren“. Über diesen „Idealtyp des Preußentums“ sagt sein Nachfahr bescheiden: „Er war nie ein berühmter Mann, aber eine der großen europäischen Gestalten war er schon.“

Ein wichtiges und bisher in diesem Kreis im vergangenen Jahr nur angerissenes Thema war „Die Volksabstimmung in Oberschlesien 1921“. Hans Eifler, Königswinter, begann mit der These „Das Vertreibungsgeschehen löschte die Erinnerung an das schlesische Teilungsgeschehen aus“. Überzeugend waren seine Argumente, weshalb man sich heute mit diesen über 90 Jahre zurückliegenden Geschehnissen noch beschäftigen sollte: Sie sind ein Beispiel dafür, wie Propaganda wirkt, wie Terror Leben zerstört und für die Mentalität des wichtigen Nachbarn Polen.

Nicht weniger packend war das Thema „Eine Zensur findet nicht statt – oder doch?“, dem auf den Grund zu gehen Hans-Joachim von Leesen, Mönkeberg, eingeladen war. Von einer „Geschichte der Bücherverbrennungen“ über die umfassende Büchervernichtung nach dem Zweiten Weltkrieg bis hin zur Situation in der Gegenwart, in der gesetzliche Bestimmungen die „Störung des öffentlichen Friedens durch Volksverhetzung“ oder die „Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener“ verhindern sollen. Der Referent ermutigte: „Verbote können neue Gedanken nicht verhindern. Seien Sie kritisch! Wagen Sie, eine eigene Meinung zu haben!“

Dr. Manuel Ruoff, Hamburg, nahm die Zuhörerinnen mit in die Zeitspanne zwischen 1190 (Zeit der Kreuzzüge) und 1311 (Ende der Frühphase des Deutschen Ordens). Sein Thema „Hochmeister Siegfried von Feuchtwangen und die Frühzeit des Deutschen Ordens in Ostpreußen“ war in einen klaren zeitlichen Rahmen gestellt, der von ihm mit einer Vielzahl von Detail-Informationen zu den in diesen Jahrzehnten den Orden in immer größere Bedeutung bringenden Männern gefüllt wurde.

Stets ist zu bedauern, wenn ein Referent wegen Erkrankung kurzfristig absagen muss. Der Fall trat ein bei Dr. Neitmann, Direktor des brandenburgischen Landeshauptarchivs, der zum Thema „Der erste Thorner Frieden von 1411 und der Niedergang des Deutschen Ordens im 15. Jahrhundert“ hatte referieren sollen. Sein Vortrag konnte verlesen werden.

Groß ist das Erschrecken, wenn ein angekündigter Referent wenige Wochen vor dem Seminar verstirbt. Der „Ersatzmann“ steht vor einer schweren Aufgabe. Ein Prof. Wolfgang Stribrny ist nicht zu ersetzen! – Dr. Jürgen W. Schmidt, Berlin, war eingesprungen und sprach zu „950 Jahre Haus Hohenzollern“. Das Jahr 1061 ist das Jahr der Ersterwähnung des Geschlechts der Hohenzollern (urspr. Zollern). Schmidts Antworten auf die Fragen „Was hat die Familie groß gemacht?, Was zeichnet diese Familie aus?“ waren nachvollziehbar, seine inhaltlichen Schwerpunkte „Die Hohenzollern und Brandenburg“ und „Eine unglückliche Liebe, die der Staatsraison zum Opfer fiel“ anschaulich.

Nur 100 Jahre umfasste das Thema, zu dem Stefanie Hanke M.A., Halle/Saale, sprach: „Richard Schirrmann und die Gründung des Deutschen Jugendherbergswerkes“. Sie machte deutlich, dass bei einer Einrichtung, die fast jedem Bürger ein Begriff ist, nicht das Wissen über den aus dem Kreis Heiligenbeil stammmenden Lehrer, der die bahnbrechende Idee zur Schaffung von Jugendherbergen hatte, verlorengehen darf.

Einen bunten Herbststrauß aus historischen Tatsachen und Anregungen, eigene geschichtliche Kenntnisse zu hinterfragen und weiter zu vertiefen, nahmen die Teilnehmerinnen, die – wie in den vergangenen Jahren – aus ganz Deutschland, Polen und Litauen kamen, mit nach Hause. Ute Eichler


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