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10.12.11 / Vorbereitungen für den Tag X / Immer mehr Unternehmen entwerfen Plan B für den Zerfall des Euro-Raumes in seiner jetzigen Form

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-11 vom 10. Dezember 2011

Vorbereitungen für den Tag X
Immer mehr Unternehmen entwerfen Plan B für den Zerfall des Euro-Raumes in seiner jetzigen Form

Die Lösungsversuche zur Krise in der Euro-Zone gleichen nach Ansicht von Kanzlerin Angela Merkel einem Marathonlauf. Ziemlich abrupt könnte der Lauf allerdings schon bald ein Ende finden: Weltweit wird nicht nur über ein Ende des Euros nachgedacht, sondern es werden sogar Vorbereitungen für einen Kollaps der europäischen Währungsunion getroffen.

Man kann es als Rettungsversuch in letzter Minute ansehen. In einer abgestimmten Aktion haben Ende November weltweit sechs Zentralbanken die Zinsen für Dollar-Tauschgeschäfte herabgesetzt. Praktisch unbegrenzt und billig können sich bis 2013 Europas Banken nun mit US-Dollar eindecken. Die „Nacht-und-Nebel-Aktion“ führte an den Märkten umgehend zu Gerüchten, dass eine italienische oder französische Großbank den Zugang zum Kapitalmarkt völlig verloren hat und sich vor dem finanziellen Abgrund befindet.

Die angekündigte Dollar-Flut hat die Lage zunächst beruhigt, international laufen aber längst Vorbereitungen für ein Szenario, das bisher meist als Phantasterei abgetan wurde: eine Auflösung der Euro-Zone in ihrer bisherigen Form.

Das Unternehmen Icap, weltweit größter Abwickler für Devisengeschäfte, testet nach eigenen Angaben bereits seit Monaten in Probeläufen die Wiederaufnahme des Handels mit griechischen Drachmen. Ähnlich pessimistisch wird die Lage auch von offiziellen Stellen in Großbritannien gesehen. Das britische Außenministerium hat Botschaften und Konsulate angewiesen, sich auf Extremszenarien inklusive sozialer Unruhen bei einem Euro-Kollaps vorzubereiten. Nach Angaben der Tageszeitung „Guardian“ laufen inzwischen auch bei Großkonzerne wie GlaxoSmithKline, Unilever und Vodafon Vorbereitungen für den Fall eines Austritts eines Landes aus der Währungsunion.

Dass solche Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden, hat mehrere Gründe: Bei dem bisher als „Wunderwaffe“ zur Rettung des Euro angepriesenen Rettungsschirm EFSF bahnt sich ein Debakel an. Damit Anleihen des Fonds am Markt überhaupt abgenommen werden, muss inzwischen eine Verzinsung von vier Prozent geboten werden. Statt von einer vier- bis fünffachen Hebelung des eingezahlten Kapitals geht man intern nur noch von einer Verdoppelung aus. Wie die Schweizer UBS-Bank berichtet, gibt es wegen des Misserfolgs des EFSF inzwischen sogar Schwierigkeiten, die nächste EU-Hilfstranche für Irland aufzutreiben. Möglicherweise müssen entweder der Internationale Währungsfonds (IWF) oder Länder wie Schweden oder Dänemark helfend einspringen.

Auch die Diskussion um bereits gezahlte Rettungsgelder könnte bald wieder aufflammen: In Griechenland zeichnet sich ab, dass private Gläubiger mit der Forderung nach einem Schuldenschnitt von 75 Prozent, statt wie bisher vereinbart 50 Prozent, konfrontiert werden sollen. Ansatzpunkt für Nachverhandlungen ist die Tatsache, dass in der Vergangenheit die Mehrheit der Staatsanleihen nach griechischem statt wie sonst üblich nach englischem Recht am Markt platziert worden sind. Die feinen juristischen Unterschiede und vor allem Nachteile scheinen erst jetzt vielen Anlegern bewusst zu werden.

Aussagen des irischen Finanzministers Michael Noonan lassen vermuten, dass demnächst auch aus Irland eine Nachforderung kommen wird: verringerte Zinszahlungen für die EU-Hilfsgelder. Als Druckmittel ist eine Blockadehaltung bei EU-Vertragsänderungen im Gespräch.

Wie kaum ein anderer Investor hat sich die japanische Bank Nomura in den letzten Monaten mit der Wahrscheinlichkeit und den möglichen Folgen einer Auflösung der Währungsunion beschäftigt: Nomura-Chefstratege Bob Janjuah sieht nur noch zwei Möglichkeiten für ein Weiterbestehen des Euros: Zum einen den Weg einer „gänzlichen politischen und fiskalischen Integration“, der nach Janjuah in der Realität eine Verkleinerung der Euro-Zone bedeuten würde. Ausscheiden und in den Bankrott gehen würden diejenigen Länder, „die nicht in das deutsche Ideal des harten Geldes hineinpassen“. Der andere Weg würde sich am Vorbild der Geldpolitik der USA und Großbritanniens, also der unbegrenzten Staatsfinanzierung durch die Zentralbank, orientieren. Für den Fall, dass die EZB diesen Weg einschlägt, rechnet Janjuah damit, dass Deutschland und nördliche Länder den Euro-Verbund verlassen werden. Die starke Aufwertung einer neuen D-Mark und in der Folge ein Einbruch der deutschen Exporte werden häufig als Gründe angeführt, warum ein Ausstieg Deutschlands aus dem Euro nicht möglich sein soll.

Dass eine harte Währung durch die Verbilligung von Importen nicht nur inflationsmindernd wirkt, sondern auch andere Vorteile bieten kann, zeigt ein von Nomura entwickeltes Gedankenspiel: Falls Deutschland den Euro aufgibt, seine bisher aufgenommenen Anleihen aber in Euro belässt, könnten mit einer neuen, aufgewerteten D-Mark Altschulden billig abgelöst werden. Norman Hanert


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