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10.12.11 / Junge Lehrer fliehen aus Berlin / Aus Kostengründen versagt ihnen der Senat den Beamtenstatus – andere Länder locken

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-11 vom 10. Dezember 2011

Junge Lehrer fliehen aus Berlin
Aus Kostengründen versagt ihnen der Senat den Beamtenstatus – andere Länder locken

Berlin droht ein dramatischer Lehrermangel: Weil die Hauptstadt jungen Pädagogen den Beamtenstatus aus Kostengründen verweigert, fliehen sie in Scharen in andere Bundesländer.

Die rot-schwarze Koalition steht – und viele Junglehrer in Berlin sind enttäuscht, weil sie darauf gehofft hatten, dass sie verbeamtet werden würden. Die CDU hatte das in den Verhandlungen gefordert, sich damit aber nicht durchsetzen können. Das Land Berlin hatte 2003 beschlossen, Lehrer ab 2004 nicht mehr zu verbeamten. Dies geschah nicht zuletzt wegen der hohen Pensionszahlungen, die sich in den kommenden Jahrzehnten erheblich steigern werden.

Besonders der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) will den bisherigen Kurs beibehalten. Er fürchtet bei einer Verbeamtung angestellter Lehrer rückwirkende Pensionsansprüche. Da sei es sinnvoller, die Arbeit mit anderen Maßnahmen aufzuwerten, zum Beispiel durch die kürzlich angehobene Eingangsbesoldung.

Nun wollen 530 angestellte Lehrer die Hauptstadt verlassen. Womöglich droht sogar ein Aderlass von 1400 Pädagogen. Das Problem wird zusätzlich dadurch verschärft, dass die Berliner Lehrerschaft überaltert ist und in den kommenden Jahren aus Altersgründen jährlich 1000 Lehrer ausscheiden. So steckt der Senat in der Zwickmühle zwischen Kostensenkung und dem Ausbluten des Lehrkörpers. Die linke Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) unterstützt die Senatslinie. Während der Senat vor allem wegen der steigenden Pensionslasten keine Lehrer mehr verbeamten will, scheinen die Gründe für die Ablehnung bei der GEW anders gelagert zu sein. Zwar gibt sich GEW-Chefin Rosemarie Seggelke staatstragend: „Schon in zehn Jahren (wird) das Geld nicht mehr für die Pensionszahlungen reichen.“ Bei anderer Gelegenheit hat die Gewerkschaft aber erkennen lassen, dass es ihr vor allem um das Streikrecht geht, denn Beamte begehen bekanntermaßen ein Dienstvergehen, wenn sie dem Dienst unerlaubt fernbleiben.

Die Haltung der GEW hat bereits Kritik in der Lehrerschaft hervorgerufen. So schreibt eine Pädagogin im Internet-Netzwerk „Facebook“: „Ich bin deswegen dort ausgetreten. Es ist unglaublich, was da läuft.“ Ein Kollege wirft der GEW gar Heuchelei vor: „Ich habe einen sehr bekannten GEW-Sprecher vor nicht allzu langer Zeit gefragt (dieser hat seine Verbeamtung sogar eingeklagt!), warum er nicht seinen Beamtenstatus abgibt? Da er doch so sehr gegen die Verbeamtung ist, könne er jederzeit wieder als Angestellter im öffentlichen Dienst arbeiten ... Es darf nun einmal geraten werden, welche Antwort ich von ihm beziehungsweise der GEW bekam – bis heute natürlich keine!! Wie war das noch: ,Wasser predigen – Wein trinken?‘“

Bundesweit stellt sich die Situation so dar: Rund 800000 Lehrer unterrichten hierzulande. In den kommenden zehn Jahren scheiden vermutlich 140000 von ihnen aus. Das schafft Probleme. Bayern oder Hamburg locken Nachwuchslehrer auch aus anderen Bundesländern mit hohen Gehältern in die eigenen Schulen – als Beamte. Für die Fachwelt sind dies Alarmzeichen: „Es ist nicht länger vertretbar, dass die Länder unterschiedlich bezahlen …“ meint die Tarifexpertin Ilse Schaad. Zwar hat Berlin 600 zusätzliche Studienplätze für das Lehramt in den Fächern Sonderpädagogik, Physik, Chemie, Englisch, Latein und Musik eingerichtet und 300 zusätzliche Ausbildungsplätze im Vorbereitungsdienst geschaffen, aber wenn die so ausgebildeten Lehrer Berlin verlassen, waren Kosten und Mühen umsonst.

Das Brandenburger Bildungsministerium bestätigt, dass es 2012 „rund 400 Lehrer braucht“. Schon 2010 waren dort weit mehr als 100 Berliner Lehrer verbeamtet worden, die nun in der Hauptstadt fehlen. Für das Bundesland Berlin eine fast ausweglose Lage. Selbst Peter Sinram (63) von der GEW warnt: „Der Markt in Berlin ist leer, es gibt keine Bewerber.“

Folge: Schulen können Mangelfächer wie Mathematik, Französisch oder Latein schon jetzt nicht mehr abdecken. Am Pankower Rosa-Luxemburg-Gymnasium etwa will der einzige Informatiklehrer das Weite suchen. Am einem Tempelhofer Gymnasium herrscht Land unter in Mathematik und Latein und am Lankwitzer Beethoven-Gymnasium wollen fast alle angestellten Lehrer, das sind immerhin 15, künftig in anderen Bundesländern unterrichten.

Drei Beispiele, die für das Ganze stehen. Ralf Treptow vom Verband der Oberstudiendirektoren: „Es gibt Schulen, die werden infolge der Pensionierungen und der gestellten Freistellungsanträge zum neuen Schuljahr ein halbes Kollegium ersetzen müssen.“ Michael Wüstenberg, Leiter des Lessing-Gymnasiums in Wedding, hofft, dass in seinem Kollegium niemand mehr krank wird. Es seien einfach keine Vertretungslehrer mehr zu finden, die ihr zweites Staatsexamen abgeschlossen haben, sagt er.

Dabei spricht eigentlich einiges für die Verbeamtung von Lehrern, denn Beamte sind pro Jahr zunächst rund 15000 Euro preiswerter, weil für sie keine Beiträge für Renten- und Arbeitslosenversicherung entrichtet werden müssten. Ihre späteren Pensionen wären dann kein Problem, wenn die Länder und Kommunen und natürlich auch der Bund entsprechende Rücklagen gebildet hätten. In der Praxis ist es aber so gewesen, dass die öffentlichen Arbeitgeber gern die Vorteile der Verbeamtung von Mitarbeitern genutzt haben, aber das so „gesparte“ Geld anders verfrühstückten, statt es in Rück-lagen zu bunkern. Theo Maass


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