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10.12.11 / Die »Seele der schlesischen Reformation« / Vor 450 Jahren starb Caspar von Schwenckfeld – Seine Lehre lebt in der »Schwenckfelder Church« fort

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-11 vom 10. Dezember 2011

Die »Seele der schlesischen Reformation«
Vor 450 Jahren starb Caspar von Schwenckfeld – Seine Lehre lebt in der »Schwenckfelder Church« fort

Caspar von Schwenckfeld entstammte einer Familie des schlesischen Uradels und kam im November oder Dezember 1489 im Herrenhaus des etwa 20 Kilometer nördlich von Liegnitz gelegenen Dorfes Ossig zur Welt. Seine Mutter soll eine kroatische Adlige gewesen sein, während die Vorfahren väterlicherseits einst in der Schlacht von Wahlstatt 1241 gegen die Mongolen gekämpft hatten. Das Familienwappen der adeligen Familie v. Schwenckfeld zierte seitdem eine tatarische Kopfbedeckung.

Nach dem Besuch der Liegnitzer Lateinschule und der Universitäten von Köln und Frankfurt an der Oder diente Schwenckfeld verschiedenen schlesischen Herzögen als Berater. Bereits mit 34 Jahren zwang ihn jedoch zunehmende Schwerhörigkeit, seinen höfischen Ämtern zu entsagen. Schwenckfeld warf sich nun mit ganzer Kraft auf ein ihm zum neuen Lebensinhalt gewordenes Interessengebiet, das Studium der Bibel.

Als Folge eines persönlichen Erweckungserlebnisses hatte er bereits einige Jahre zuvor, nämlich 1518, damit begonnen, mit Interesse und innerer Sympathie das öffentliche Auftreten des sechs Jahre älteren Reformators Martin Luther zu verfolgen. Besonders angesprochen, ja geradezu befreit fühlte er sich von dessen Schrift „An den christlichen Adel deutscher Nation“. Parallel zu Luther im Kurfürstentum Sachsen trat Schwenkfeld im heimatlichen Schlesien als theologischer Laienprediger auf. Ihm gelang es, seinen früheren Dienstherren, den einflussreichen und mächtigen Herzog Friedrich II. von Liegnitz, zur neuen Lehre zu bekehren. Man hat Schwenckfeld später als „Seele der schlesischen Reformation“ bezeichnet.

Doch der Schlesier war kein kritikloser Anhänger Luthers und zudem, wie so viele andere Schlesier, von mystisch-spiritualistischem Gedankengut geprägt. Am Sonnabend, den 2. Dezember 1525, kam es in Wittenberg zu einer von ihm gesuchten längeren Aussprache mit Luther. Die persönliche Aussprache sollte eigentlich zu einer Klärung strittiger theologischer Probleme führen, endete allerdings mit einem heftigen Bruch, der sich trotz späterer Bemühungen Schwenckfelds nie mehr heilen ließ. Vornehmlich beruhte das Zerwürfnis auf divergierenden Auffassungen zur Abendmahlslehre.

Nicht erst in den Jahrzehnten seines späteren theologischen Wirkens in Straßburg, Württemberg und Ulm, sondern bereits damals erwies sich Schwenckfeld als ein sehr konsequenter Anhänger von Glaubens- und Gewissensfreiheit. Insofern war er in seinen Bestrebungen de facto ein ziemlich früher Vorläufer der französischen Aufklärer und König Friedrichs des Großen. Der schlesische Adelige bestand eindringlich darauf, dass der Staat nicht berufen sei, über die Form des Gottesdienstes zu bestimmen, und auch den Menschen nicht vorschreiben dürfe, was diese zu glauben hätten. Die christliche Lehre war für Schwenckfeld in erster Linie eine Lehre des Herzens, nicht eine Lehre des Gesetzes. Gewissenszwang bringe nämlich nur Heuchler hervor, aber keine wahren Christen. Dabei war sich Schwenckfeld bewusst, dass er mit solchen weitgefassten Ansichten von christlicher Freiheit keineswegs allen Zeitgenossen gefiel. Die Glaubensfreiheit, die Schwenckfeld selbst den zu jener Zeit arg verpönten Wiedertäufern zubilligte, trug das Ihre zur Verzeichnung Schwenkfelds als „Schwärmer“ beziehungsweise „Sektierer“ durch die spätere lutherische Orthodoxie bei.

Die Wirren der beginnenden Gegenreformation erlebte Schwenckfeld fern der schlesischen Heimat in Süddeutschland. Da er keine Berührungsängste gegenüber der katholischen Religion verspürte, verbrachte er die Jahre 1547 bis 1550 unter dem falschen Namen „Eliander“ im Franziskanerkloster zu Esslingen, wo er angespannt schriftlich an der Ausgestaltung seiner Lehre arbeitete. Alt geworden, verstarb der beständig umhergehetzte Schwenckfeld schließlich am 10. Dezember 1561 im Haus seiner Gönnerin Agathe Streicher in Ulm.

Seine Lehre lebte in Schlesien und der Oberlausitz fort, wo unter jesuitischem Druck schließlich im Jahre 1734 zirka 40 Familien nach Nordamerika aufbrachen, um dort in Philadelphia getreu den schwenckfeldischen Glaubensauffassungen zu leben. Im US-Bundesstaat Pennsylvania existiert noch heute als evangelische Freikirche die „Schwenckfelder Church“, die zwischen 2500 und 3000 Anhänger zählt und Anknüpfungspunkte zu Pietisten wie Quäkern aufweist. Zu den wertvollsten Besitztümern jener „Schwenckfelder Church“ gehört eine von Schwenckfeld in den Jahren 1530 bis 1535 mit eigenhändigen Anmerkungen versehene Bibel. Obwohl Schwenckfeld in Deutschland heutzutage weitgehend vergessen ist und sein theologisches Gedankengut kaum mehr eine Rolle spielt, so offenbarte er doch in seinem Denken und Fühlen eine ungewöhnliche ökumenische Weite und zugleich ein Streben nach Erkenntnis göttlicher Wahrheit, dem man auch heutzutage den Respekt nicht versagen kann. Jürgen W. Schmidt


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