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17.12.11 / Tödliche Verachtung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-11 vom 17. Dezember 2011

Tödliche Verachtung
von Hans Heckel

Die Reaktionen in der FDP schwankten zwischen Wut, Fassungslosigkeit und hilflosen Erklärungsversuchen: Wenige Tage vor Ablauf des Mitgliederreferendums über den dauerhaften Euro-„Rettungsschirm“ ESM verkündete FDP-Chef Philipp Rösler, dass wohl nicht genügend Liberale an der Abstimmung teilgenommen hätten, damit das Abstimmungsergebnis den Rang eines Parteitagsbeschlusses erringen könne. Rösler wertete dies als Sieg der Parteiführung.

Man traut seinen Ohren nicht: Ein Parteichef heftet es sich als Sieg ans Revers, dass seine Mitglieder allem Anschein nach zu frustriert, zu lethargisch oder zu desinteressiert sind, um sich an einer Abstimmung zu beteiligen, die eine Frage zum Gegenstand hat, welche die Deutschen seit mehr als anderthalb Jahren zu Recht nicht zur Ruhe kommen lässt. Ist das wirklich nur Dummheit? In der FDP-Spitze senken nach dieser Auslassung die ersten den Daumen über den rundum glücklos agierenden Rösler: „Er kann es nicht.“

Das stimmt wohl, Rösler hat sich seit Beginn seiner Amtszeit als krasse Fehlbesetzung erwiesen. Doch was er da ausgeplaudert hat, wirft nicht bloß ein grelles Licht auf seine eigene Inkompetenz. In der Geringschätzung der eigenen Parteibasis spiegelt sich eine Verachtung des Volkes, die einen Typus von Politiker zu kennzeichnen scheint, der sich und seine Linie für „alternativlos“ hält und die Bürger bestenfalls für dumm und lästig.

Die Bürger spüren die Verachtung und quittieren sie mit wachsender Distanz, mit Wahlenthaltung und Parteienabstinenz. Letztere hat dramatische Ausmaße angenommen: Die SPD sammelte Ende der 70er Jahr noch über eine Million Genossen, heute sind es nicht einmal mehr 500000. Ebenso wenig Mitglieder verzeichnet die CDU, abgefallen von einst fast 740000.

Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass beide Parteien ihre Höchststände bei der Mitgliederzahl vor der deutschen Vereinigung feierten, also allein in Westdeutschland und West-Berlin. Zöge man die Landesverbände in den neuen Bundesländern ab, ergäbe sich ein noch dramatischerer Abfall.

Zudem sind die Parteimitglieder im Durchschnitt deutlich älter geworden. Viele bleiben nicht aus Überzeugung, sondern aus Gewohnheit oder wegen privater Bindungen bei der Stange. Die träge Beteiligung am FDP-Mitgliederentscheid hat aufgedeckt, wie wenig Feuer noch in der verbleibenden Kernanhängerschaft zumindest dieser Partei lodert. Es spricht einiges dafür, dass es zumindest an der Basis von Union und SPD kaum besser aussieht. Für die FDP jedoch geht es mittlerweile um die nackte Existenz. In dieser Lage die eigenen Mitglieder dermaßen zu entmutigen, wie es Rösler getan hat, kann tödlich enden.


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