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17.12.11 / Pflichtjahr für Rentner? Nein danke!

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-11 vom 17. Dezember 2011

Moment mal!
Pflichtjahr für Rentner? Nein danke!
von Klaus Rainer Röhl

Stellen Sie sich Folgendes vor: Sie leben in einem geschlossenen Raum, in einer Art Blackbox oder Raumkapsel, haben keinen Kontakt zur Umwelt und werden nur durch unsere öffentlichen Fernseh- und Rundfunksender und die am Kiosk erhältlichen Tageszeitungen und Zeitschriften informiert. Nach kurzer Zeit haben Sie das Gefühl, Sie lebten in einer anderen Welt, denn alle anderen Bewohner unseres Landes fühlen sich anscheinend pudelwohl, sind mit den Maßnahmen der Regierung einverstanden und finden es ganz in Ordnung, dass Deutschland jetzt für die Schulden von zirka eine Billion Euro für die übrigen 16 Länder in Europa bürgt, glauben daran, dass wir langsam mal unsere Identität ablegen müssen wie ein abgetragenes Hemd und ganz in Europa aufgehen sollen. Dafür werden wir Deutschen von allen geliebt, und alles endet wie ein Film von Rosemarie Pilcher.

Wenn Sie aber die Tür von Ihrer „Raumkapsel“ aufstoßen und die ersten Worte von Mitmenschen und Nachbarn unterschiedlichsten Alters und Berufs hören, werden Sie feststellen, dass Sie gar nicht alleinstehen mit Ihrer Meinung: Es ist etwas faul im Staat und seiner Regierung. Wir werden so schlecht und fahrlässig regiert, wie noch nie zuvor, und noch schlechtere Zeiten sind angesagt. Noch wartet nach der Ausbildung unserer Kinder und Enkel ein Arbeitsplatz auf sie wie früher, noch zahlen Sie Beiträge zu Ihrer Rente ein, damit Sie am Ende ihres Arbeitslebens mal ausspannen dürfen wie an einem Feiertag, „von der Last des Lebens einmal ruhn“. Pustekuchen. Mit der CDU nicht und auch nicht, wenn die dann wieder zusammen mit den drei SPD-Oldtimern Steinmeier, Steinbrück und Gabriel regiert. Sekundärtugenden sind längst abgeschafft. Selbstverständlichkeiten wie Patriotismus, Pflichten dem eigenen Volk gegenüber, Gemeinschaftsdenken oder Waffendienst für die Gemeinschaft – der Deutschen – zu erbringen, verstehen sich längst nicht mehr von selbst. So war es nur eine Frage der Zeit und der forsch ergriffenen Gelegenheit, die Wehrpflicht zu kippen und ohne Änderung des Grundgesetzes eine „effiziente Berufsarmee“ – also, auf Deutsch gesagt, eine Söldnertruppe, aufzustellen. Die Wehrpflicht war von Jahr zu Jahr mehr zu einer Farce geworden, die zuletzt noch von 19 Prozent aller Jugendlichen, vorwiegend aus bildungsfernen Schichten, aus ländlichen Gebieten und der ehemaligen DDR, erfüllt wurde, während viele Söhne der gebildeten Bürger missmutig und maulend den Ersatzdienst als Hilfskräfte in Krankenhäusern und Altersheimen abdienten. Der große Rest verzichtete jedoch auf jede Art von Pflicht und widmete sich ganz der Vorbereitung auf das Geldverdienen. „Pflicht“ gab es in Deutschland nur noch in Sonntagsreden des Bundespräsidenten und als viel belachten Scherz im „Senftöpfchen“ und bei Dieter Hildebrandts Nachfolgern in der „Anstalt“.

Der Vorstoß von Karl-Theodor zu Guttenberg, eine Dienstpflicht statt der Wehrpflicht einzuführen, einen sogenannten „Gesellschaftsdienst“, oder sogar eine Dienstpflicht zur Verteidigung der Umwelt, klingt interessant. Das müsste eigentlich sogar den Grünen gefallen. Bereits ab 2008 wird darüber diskutiert, diesen „Sozialdienst“ einzuführen, bei dem alle männlichen Jugendlichen wenigstens einmal im Leben etwas für die Gemeinschaft tun sollten. Warum nicht auch die Frauen? Der Jahrtausende alte Grund, Frauen vom Kriegsdienst freizustellen, ist in unserer modernen Gesellschaft weitgehend entfallen, denn noch nicht einmal die Hälfte der Frauen im wehrpflichtigen Alter ist mit dem Kinderkriegen oder der Betreuung des Nachwuchses beschäftigt. Warum also keinen Dienst im Deutschen Roten Kreuz und in Krankenhäusern?

Bekanntlich gibt es bei uns im Land Frauen und Männer, Deutsche, Nichtdeutsche und Gutmenschen. Die letzteren würden sich am liebsten umbringen vor Sorge um die Menschheit, die Gleichberechtigung der Geschlechter, den Klimawandel, die Atomkatastrophe, die Artenvielfalt und die nachwachsenden Energien. Man möchte meinen, dass die Gutmenschen aus lauter Idealismus ziemlich arme Schlucker geworden sind, die nichts auf der Hacke haben und eigentlich zu bedauern sind.

Weit gefehlt, die meisten sind im Staatsdienst – die meisten von ihnen sind Lehrer oder Sozialpädagogen, also ganz gut abgesichert und leiden keinen Mangel, und einige von ihnen sind ganz oben in der Gesellschaft wie der Bestseller-Autor und „Pop-Philosoph“ Richard David Precht, dessen Gesicht so leicht keiner vergessen kann, weil er wöchentlich in jeder Talkshow auftaucht und predigt. Meistens Binsenwahrheiten („All you need is love“) und Allerweltsfragen („Warum gibt es alles und nicht nichts?“). In seinem bekanntesten Buch „Wer bin ich und wenn ja, wie viele?“ beantwortet er auch die selbst gestellte Frage: „Warum soll ich gut sein?“ Für ihn die Frage aller Fragen.

Precht (Jahrgang 64) ist sozusagen geborener Gutmensch. Seine der DKP nahestehenden Eltern adoptierten zu ihren drei Kindern noch zwei vietnamesische Babys aus Protest gegen den Vietnamkrieg der USA. Noch „guter“ ging es nicht. Trotzdem oder vielleicht deshalb machte er Karriere. Nach einer Universitäts-Laufbahn in Deutschland und USA schreibt er seit Jahren Sachbücher, Romane und „Spiegel“-Artikel und gibt Interviews. Alle freuen sich über seine gut verständlichen Ratschläge und stimmen ihm fast immer zu. Nur in den letzten Wochen hat er sich böse vertan. Schon im „Stern“ vom 5. November, dann gleich darauf in der Talkshow von Anne Will forderte er ein Pflichtjahr für Rentner. Das war neu, kam aber nicht so gut an. Zwangsarbeit nach Eintritt des Rentenalters, 15 Stunden wöchentlich. Das „Pflichtjahr“ soll in der Altenbetreuung und bei der Jugendarbeit abgeleistet werden. Precht gab auch schon zu verstehen, in welcher Rolle er die „fitten“ Omas und Opas am liebsten sieht: als Nachhilfe-Lehrer für „Migrantenkinder“.

Machen wir aus Achmed und Kevin wertvolle Mitglieder der Gesellschaft, schrieb Precht, das ist die Antwort auf die Sarrazin-Debatte. Sarrazin, der das ausgesprochen hat, was die große Mehrheit der Deutschen befürchtet, empfindet unser Philosoph zu Recht als Gegenpol und versucht ihn kleinzureden: Sarrazins Buch sei „rückschrittlich“.

Wir verstehen jetzt: Das Pflichtjahr soll auch Strafe sein für die vielen allzu „fitten“ Omas und Opas, die seit den goldenen 60ern 40 Jahre und mehr gearbeitet und wenig gestreikt haben und keine ordentlichen Gutmenschen geworden sind. Denn was heißt Dienstpflicht? Wer der Pflicht nicht nachkommt, was geschieht mit dem? Er erhält seine Rente erst ein Jahr später? Mit anderen Worten: Der Eintritt in das Rentenalter soll noch ein weiteres Jahr hinausgeschoben werden. Das bedeutet eine Herabsetzung des in Jahrzehnten erarbeiteten Rentenanspruchs. Kein Irrtum, keine Satire, sondern einfach nur eine Frechheit.

Um einen von Prechts Buchtitel nur leicht zu variieren: Warum schreibt er das alles und nicht nichts?

Röhls Buch „Höre Deutschland – Wir schaffen uns nicht ab“ ist über den PMD zu beziehen.


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