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17.12.11 / Wie die Welt am Abgrund stand / »Prinz Eugen« spiegelt den eskalierenden Kalten Krieg mit dem Damoklesschwert der Selbstvernichtung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-11 vom 17. Dezember 2011

Wie die Welt am Abgrund stand
»Prinz Eugen« spiegelt den eskalierenden Kalten Krieg mit dem Damoklesschwert der Selbstvernichtung

Ein sperriger Titel und ein Thema, das unter die Haut geht. Ingo Bauernfeind verbindet in „Radioaktiv bis in alle Ewigkeit. Das Schicksal der ,Prinz Eugen‘“ Schifffahrtsgeschichte mit der Entwicklung der Atomwaffen und zeigt, wie nah die Welt am Abgrund stand.

Zunächst wird das Schlachtschiff „Prinz Eugen“ vorgestellt, ein Schwerer Kreuzer der „Admiral Hipper“-Klasse, der am 1. August 1940 den Dienst aufnimmt. Bekannt wird „Prinz Eugen“ zusammen mit der „Bismarck“ durch die Versenkung des britischen Großkampfschiffs „Hood“. Danach gibt es keine Schlachten mehr für die großen deutschen Kriegsschiffe, die „Prinz Eugen“ kehrt nach einem gelungenen Kanaldurchbruch in die Ostsee zurück, wo sie ab August 1944 durch Landzielbeschuss das deutsche Heer unterstützt und 1945 als Eskorte von Flüchtlingsschiffen am „Unternehmen Rettung“ teilnimmt. Das Kriegsende erlebt die „Prinz Eugen“ in Kopenhagen, wo sie den Engländern übergeben wird.

1946 fällt der Kreuzer per Los­entscheid an die USA und wird als „USS Prinz Eugen“ nach Boston überführt. Die Amerikaner zeigen sich beeindruckt von der deutschen Katapult-Technik mit dem Bordflugzeug Arado Ar 196, das noch heute in amerikanischen Museen zu besichtigen ist, und der Unterwasserhorchanlage.

Nachdem 1945 die Atombombenabwürfe auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki die verheerende Zerstörungskraft dieser Waffe gezeigt hatten, sollten nun auch die Auswirkungen der Atombombe auf Kriegsschiffe und militärische Ausrüstungsgegenstände geprüft werden. Dafür hatten sich die USA das Bikini-Atoll inmitten des Pazifiks ausgesucht, eine Gegend mit stabilem Klima, weit entfernt von stark befahrenen Seewegen. Die „Operation Crossroads“, der Scheideweg zwischen konventioneller und nuklearer Kriegführung, beginnt. Dabei werden über 90 Kriegsschiffe, nicht nur deutsche und japanische Kriegsbeute, sondern auch veraltete Schlachtschiffe, Flugzeugträger, Zerstörer und U-Boote aus US-amerikanischen Beständen als Testschiffe eingesetzt. An Bord werden unterschiedliche Waffen, Fahrzeuge, Kleidung, Lebensmittel, elektronische Anlagen sowie Versuchstiere positioniert, um die Überlebensfähigkeit nach dem Kernwaffeneinsatz zu überprüfen. Die 167 Bikinianer werden „zum Wohle der Menschheit“, wie man ihnen weismacht, evakuiert und verlieren damit für immer ihre Lebensgrundlage.

In verschiedenen Versuchen werden Luft- und Wasserexplosionen mit Kernwaffen ausgelöst, die Fotos der „Atompilze“ sind ein furchteinflößender Anblick. Als Fazit stellt sich heraus, dass die Flotte zwar physisch überleben kann, aber niemand der Radioaktivität entkommt. Daraus folgt die Entscheidung, Atombomben als abschreckende Offensivwaffen einzusetzen, wodurch die Welt in den Kalten Krieg geführt wird.

Die Schiffe, die nicht gleich durch die Druckwelle gekentert sind, werden durch Marineangehörige teilweise dekontaminiert, ohne ausreichende Schutzausrüstung und zuverlässige Messgeräte. Der größte Teil wird danach versenkt, der Rest verschrottet.

Die „Prinz Eugen“ kentert als Spätschaden einer Explosion kopfüber, das Wrack ist bis heute noch sichtbar und ein interessantes Ziel für Taucher aus aller Welt. Es ist als einziges Zielschiff der „Operation Crossroads“ noch nicht von der Wasseroberfläche verschwunden und damit ein Mahnmal für das Atomzeitalter und den verantwortlichen Umgang mit Kernenergie.

Beim „Tauchgang in die Vergangenheit“ werden aktuelle Fotos vom gesunkenen Schiff den entsprechenden zeitgenössischen Fotos gegenübergestellt, auch 65 Jahre nach dem Untergang sind die Strukturen der Waffen, Aufbauten und Räumlichkeiten klar erkennbar. Als Bonusmaterial ist der Zugang zu einem Film auf der Internetseite des Mittler-Verlages freigeschaltet.

Das dort dieses Jahr erschienene Buch ist durchgängig spannend geschrieben und durch viele unveröffentlichte historische Fotos ausgezeichnet illustriert. Es finden sich detaillierte Beschreibungen, Zeichnungen und Abbildungen aus allen Lebenszeiten des Schiffes, dazu unglaubliche Fotos von den atomaren Explosionen. Der sorglose Umgang mit der Radioaktivität lässt den Leser mit seiner heutigen Kenntnis um deren Gefährlichkeit schaudern. Die Risiken von Atombomben, aber auch von Unfällen bei Atom-U-Booten oder Atomkraftwerken sind bis heute präsent. Das 176 Seiten starke Buch möchte Denkanstöße zum kritischen Umgang mit dieser Thematik geben – das ist vollkommen gelungen. Für 24,95 Euro erhält sein Käufer ein absolut empfehlenswertes Leseerlebnis, das noch lange in einem nachklingt. Britta Heitmann


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