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17.12.11 / Zauber der Kindheit / Besinnlichkeit und Geborgenheit zu Hause in Ostpreußen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-11 vom 17. Dezember 2011

Zauber der Kindheit
Besinnlichkeit und Geborgenheit zu Hause in Ostpreußen

Immer hat die Zeit vor dem Weihnachtsfest auf mich einen besonderen Reiz ausgeübt. Ich erinnere mich an die stille, beschauliche Adventszeit in meiner Kindheit. Im Küchenherd prasselte das Feuer, und die flackernden Flammen warfen riesige Schatten an die Wand. In meiner Fantasie waren es Riesen und Geister, die in unserer Küche tanzten. Aus dem Backofen duftete es nach Plätzchen und Honigbrot. Die Kerzen auf dem Adventskranz verbreiteten ein wohliges Licht, während meine Geschwister und ich Weihnachtslieder sangen. Eifrig schrieben wir unsere Wünsche auf den Wunschzettel und hofften, dass uns das Christkind wenigstens einen dieser Wünsche erfüllen möge.

In der Stadt gab es kurz nach dem Krieg keine üppige Weihnachtsbeleuchtung. Nur hin und wieder sah man einen kleinen Nikolaus im Schaufenster der Spielwarenhandlung. In der Erinnerung waren nicht nur die Sommer heißer, auch die Winter waren frostiger und schneereicher als heute. Nur selten blieb der Schlitten im Keller stehen. Erst wenn die handgestrickten Wollhandschuhe durchnässt und unsere Füße steif gefroren waren, machten wir uns auf den Heimweg. Auf dem Herd kochte das Teewasser, und der frische Stuten verbreitete einen aromatischen Duft. Unter den wachsamen Augen meiner Mutter durfte ich die Kerzen auf dem Adventskranz anzünden. Wenn sich draußen langsam die Dunkelheit ausbreitete, und in den umliegenden Häusern die Lichter angezündet wurden, begann die schönste Stunde des Tages. Während wir in kleinen Schlucken den heißen, honigsüßen Tee tranken, erzählte Mutter Geschichten von früher. Nie wieder habe ich dieses Gefühl der Behaglichkeit und Vertrautheit erlebt. Und in der Nacht, während der klirrende Frost bizarre Figuren aus Eis an die Fenster zauberte, träumten wir von rasanten Schlittenfahrten und riesigen Höhlen aus Schnee. Unter den dicken Federbetten spürten wir die bitterkalten Nächte nicht. Geheizt wurden nur die Küche und manchmal auch die gute Stube. In den Schlafzimmern dagegen war es eisig kalt. Wenn wir am Morgen aus unserem Bett krochen, hatte der Winter über Nacht wunderschöne Eisblumen an den Fensterscheiben blühen lassen. Staunend standen wir Kinder davor und versuchten mit unserem warmen Atem die Blüten zum Schmelzen zu bringen. Wie gerne möchte ich noch einmal dieses besondere Gefühl der Geborgenheit spüren und den Geschichten meiner Mutter lauschen. Doch ich werde ihn nicht mehr finden – diesen Zauber meiner Kindheit. Helga Licher


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