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17.12.11 / Viel weißes Papier und Lapidares / Letzter Versuch, aus verstorbenem Nobelpreisträger Kapital zu schlagen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-11 vom 17. Dezember 2011

Viel weißes Papier und Lapidares
Letzter Versuch, aus verstorbenem Nobelpreisträger Kapital zu schlagen

Ungefähr ein Jahr nach dem Tod des portugiesischen Nobelpreisträgers José Samarago, der am 18. Juni 2010 im Alter von 88 Jahren auf Lanzarote starb, veröffentlichen seine Verlage im In- und Ausland frühe und bislang nicht übersetzte Werke sowie in Vergessenheit geratene Texte des Autors, dem 1998 der Literaturnobelpreis zugesprochen wurde. Ansonsten wären diese Texte vermutlich in der Versenkung verschwunden geblieben.

Einiges davon durchaus zu Recht; darauf lässt der durch Hoffmann und Campe verlegte Gedichtband „Über die Liebe und das Meer“ schließen. Hierbei handelt es sich um die erstmalige Übersetzung einer Auswahl von Gedichten José Samaragos aus den 60er und 70er Jahren. Da der Autor hierzulande bisher nicht als Versdichter bekannt ist, dürfte manch ein Leser schon aus Neugier zu dem schmalen Band greifen. Der Klappentext verspricht alles und nichts: „Was ist Zeit? Was ist der Mensch? Welche Kraft hat die Natur, und was hat es mit dem ewigen Mysterium der Liebe auf sich?“ Dazu passt ein Zitat Samaragos auf der Rück-seite des Buchumschlags: „Mag sein, die Welt gäbe es nicht, wenn ihr unsere Liebe fehlte.“

Auf den ersten Blick ein befremdlicher Befund: Viel, entschieden zu viel weißes Papier findet sich auf den einzelnen Seiten, denn obenan stehen teilweise nur vier- und fünfzeilige Gedichte. Das weckt natürlich besonders hohe Erwartungen bezüglich des Inhalts. Sind diese Verse womöglich genial lapidar? Doch noch bevor sich irgendein Eindruck verfestigt, ist jedenfalls eines geklärt: Hier hat sich die poetische Phantasie des Autors ausschließlich über das Thema Erotik verströmt, genauer: Erotik gepaart mit Weltschmerz. Auch wird ganz profan auf den Schmerz abgespielt, den körperlichen Schmerz nämlich. Spricht er von „Seelenfreude“, so meint er Sinnenfreude. So wie sich die Götter „ihrer selbst entkleideten“, so lassen auch die Erdenbewohner ihre Hüllen fallen. Der Gegenpart der „Liebe“ ist die innere Leere, poetisch als „Wüste“ umschrieben. „Wahre Liebe“ wird als Mittel gegen die innere Leere („Wüste“) beschworen. „Wüste“ hätte daher als drittes Leitmotiv in den Buchtitel aufgenommen werden sollen, der dann aber weder klangvoll noch stimmig dahergekommen wäre.

Portugiesische und spanische Könige hat der Dichter bemüht, und auch mit Anspielungen auf die antike Mythologie wurde das Ganze in eine höhere Sphäre gehoben – oder auch verbrämt, je nach Lesart. Ob das Kunst oder Kitsch ist, interessiert letztlich nicht mehr so sehr. Sondern man richtet sein Augenmerk verwundert auf den Verlag. Dieser hat auch in unserer heutigen Zeit die Aufgabe, Klarheit über den Inhalt zu vermitteln. Nicht verhüllende Sentenzen, sondern eine unbedingt verlässliche Auskunft ist gefragt. Wer diese Lektüre enttäuscht aus der Hand legt, dürfte sich auch getäuscht fühlen. D. Jestrzemski

José Saramago: „Über die Liebe und das Meer. Gedichte“, Hoffmann und Campe, Hamburg 2011, gebunden, 96 Seiten, 15 Euro


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