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24.12.11 / Frustbeißen gegen Britannien / Brüssel zeigt sich verärgert, doch Umfragehoch bestätigt Premier David Cameron im »No« zum EU-Umbau

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-11 vom 24. Dezember 2011

Frustbeißen gegen Britannien
Brüssel zeigt sich verärgert, doch Umfragehoch bestätigt Premier David Cameron im »No« zum EU-Umbau

Großbritanniens Nein zu der unter deutsch-französischer Führung angestrebten Änderung der EU-Verträge infolge der Euro-Krise sorgt in den EU-Gremien für Zorn. Doch der Brite hat gute Argumente auf seiner Seite.

Das EU-Parlament hat bei einem Krisengipfel Cameron frontal angegriffen und droht mit Konsequenzen. Der französische konservative Abgeordnete Joseph Daul fordert den Entzug des milliardenschweren sogenannten Briten-Rabatts. Die Briten hatten diesen Ausgleich 1984 wegen der für sie damals schon wenig nützlichen EU-Agrarsubventionen durchgesetzt. Großbritanniens vergleichsweise kleine Landwirtschaft profitierte kaum vom damals größten EU-Umverteilungsetat. Der Briten-Rabatt ist seit 2001 rückläufig. Ein Kompromiss mit London sieht weitere starke Absenkungen bis 2013 vor.

Doch unabhängig von der Faktenlage lassen die wegen ihres mangelnden Einflusses auf Brüsseler Entscheidungen frustrierten EU-Abgeordneten ihrem Frust weiter freien Lauf. Sie ärgert, dass die Briten einer Änderung der EU-Verträge nur zustimmen wollen, wenn die Interessen ihrer Finanzwirtschaft berücksichtigt werden (siehe Seite 7). Der Präsident der EU-Kommission, José Manuel Barroso, sagt dazu: „Die Briten haben eine Spaltung des Binnenmarkts bewirkt.“ Der einstige belgische Premier und jetzige EU-Parlamentarier Guy Verhofstadt hielt eine Rede bewusst auf Niederländisch, „weil Englisch zurzeit aus der Mode gekommen ist“. Auch der französische Präsident Nicolas Sarkozy zieht über Cameron her. Die französische Enthüllungszeitschrift „Le Canard enchaîné“ zitiert Sarkozy mit dem Vergleich Camerons mit einem „verzogenen Kind“. Camerons einziges Ziel, soll Sarkozy gewettert haben, sei der „Schutz der (Londoner) City, die sich weiter wie eine Steueroase benehmen will“. Sarkozy drückte demnach seine Genugtuung aus: „Kein anderes Land hat ihn unterstützt, was man eine klare politische Niederlage nennt.“ Der Chef der französischen Zentralbank, Christian Noyer, ging sogar so weit, Rating-agenturen die Abwertung Großbritanniens zu empfehlen.

Eine Niederlage will Cameron indes trotz der neuen Eiszeit zwischen Paris und London nicht erkennen, im Gegenteil. Er sucht nach Verbündeten für seine Position, denn es seien einige Länder betroffen, die „überhaupt nicht sicher sind, was sie zu unterzeichnen gebeten wurden“, so der Premier auf einer Fraktionssitzung der Konservativen. Demnach hat es schon Gespräche mit Irland, Tschechien und Schweden gegeben. Immerhin erklärten Ungarn und Tschechien sich nun mit Plänen zur weiteren EU-Vereinheitlichung von Steuern keineswegs einverstanden. Camerons Regierungssprecher sagte, sein Premier wolle „konstruktiv an die Sache herangehen“ und nicht gegen Europa agitieren. Statt durch wechselnde Mehrheiten unter den EU-Staaten einfach überstimmt zu werden, wie seit dem Lissabon-Vertrag vorgesehen, wollen die Briten zumindest bei der Finanzmarktregulierung zum Prinzip Einstimmigkeit zurück. Cameron macht deutlich, dass er sein „No“ nicht gegeben hat, um eigene Anstrengungen gegen Staatsverschuldung und andere Krisenfaktoren zu umgehen. Die mit der europäischen Finanzmarktregulierung angestrebte verpflichtende höhere Eigenkapitalquote für Banken kommt ohnehin zu spät, sagen Experten. Britische Arbeitsplätze hängen hingegen zu über zehn Prozent davon ab, ob der britische Finanzmarkt stark bleibt, rechnen britische Analysten vor. Während die EU weiter diskutiert, wo jetzt Euro-Hilfen für britische Einrichtungen wie Firmen oder Hochschulen zu kürzen sind, die ganz oder teilweise aus dem EU-Haushalt finanziert werden, könnte das britische Nein noch von weiteren Staaten als Chance begriffen werden. Es ist die Chance, eine Umverteilungsunion und weitere Risiken, die zum Währungszusammenbruch führen können, zu vermeiden. Mairead McGuinness von der irischen Fine-Gael-Partei drückte seine Angst aus, „das Gefühl, dass die französisch-deutsche Achse die ganze EU ist“.

Statt immer neuer Hegemonien und Utopien Richtung politischer Union könnten mehr und mehr Staaten ein Europa einfordern, das ihren Bedürfnissen und dem Wunsch des eigentlich verfassungsgemäßen Souveräns im britischen Sinne entspricht. Im Grundgesetz ist dieser Souverän das deutsche Volk. SV


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