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24.12.11 / Wo der Heiland der Welt geboren wurde / »Ihr sollt das Heil dort finden«: Eindrücke von einer Reise nach Jerusalem und Bethlehem

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-11 vom 24. Dezember 2011

Wo der Heiland der Welt geboren wurde
»Ihr sollt das Heil dort finden«: Eindrücke von einer Reise nach Jerusalem und Bethlehem

Vom „Frieden auf Erden“ singen die Engel, als Jesus Christus das Licht der Welt erblickt – aber vom Frieden ist im Heiligen Land, in Jerusalem und Bethlehem, oft genug nur wenig genug zu spüren.

Wie vielleicht nirgendwo sonst auf der Welt prallen die Religionen dieser Welt in der „Heiligen Stadt“ heute aufeinander. Der „interreligiöse Dialog“ wird in Jerusalem wenig praktiziert. Jede Religion lebt für sich und streng abgeschirmt. Am Freitag eilen die Moslems zur Mittagsstunde in die Al-Aqsa-Moschee; am Samstag gehen die Juden gemessenen Schrittes in ihre Synagogen oder zur Klagemauer; am Sonntag schließlich sind die Christen an der Reihe. Sie feiern, meist unter Polizeischutz und hinter dicken Mauern, ihre Gottesdienste in den verschiedenen Riten und Konfessionen.

Ein gewisser Modus Vivendi ergibt sich dadurch, dass in der Altstadt Jerusalems armenische und katholische Christen, Juden und Moslems in abgegrenzten Stadtvierteln leben. Schwierig wird es für Christen, wenn sie in einer Gegend wie in Bethlehem leben, die mehrheitlich von einer anderen Religion dominiert wird. Ein römischer Halskragen, wie ihn katholische Priester tragen, gilt schon als Affront. Der Abt des Benedikti­nerklosters in Jerusalem berichtet, dass er sich nicht traut, sein großes Brustkreuz in der Öffentlichkeit zu tragen. Orthodoxe Juden würden vor ihm ausspucken und Moslems aggressiv reagieren.

Jerusalem, die Stadt des Friedens, wie dieser Name ausdrücken will? Das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Wer sich dann – wie einst Maria und Josef – auf den Weg von Jerusalem in das etwa zehn Kilometer südlich gelegene Bethlehem macht, fährt heute auf einer großen und bestens asphaltierten Straße, die jedoch nach wenigen Kilometern abrupt vor einer sieben Meter hohen Betonmauer endet. An dieser Stelle beginnt palästinensisches Autonomiegebiet. Schwerbewaffnete israelische Grenzsoldaten kontrollieren den Übergang, seit immer wieder islamistische Selbstmordattentäter von Bethlehem aus nach Jerusalem einsickern, um dort Blutbäder anzurichten.

Seit jedoch die Grenzmauer steht, die von Palästinensern gerne mit der Berliner Mauer verglichen wird, ist es friedlicher geworden. Die Selbstmordattentate haben weitgehend aufgehört. Verglichen mit der alten DDR-Grenzanlage ist die Bethlehem-Mauer ungleich harmloser. Lässt der Tourist auf dem Parkplatz vor der Mauer sein Auto stehen und nimmt ein palästinensisches Taxi, ist die Grenze in wenigen Minuten überwunden. Kurze Zeit später steht man dann auf dem großen Platz vor der Geburtskirche, einem der größten Heiligtümer der Christenheit. Die orthodoxe Geburtskirche in Bethlehem gilt heute als älteste, ständig genutzte Kirche im Heiligen Land.

In der Weihnachtszeit steht hier ein prächtiger Weihnachtsbaum und glitzert dank vieler Lichter vor sich hin. Ein großer Kirchenkomplex ist hier in den letzten 1700 Jahren entstanden, um an den Mann zu erinnern, nach dem wir unsere Jahre zählen. Durch ein enges Tor, das der Besucher nur einzeln und gebückt oder auf Knien passieren kann, gelangt man in das Innere der orthodoxen Kirche, in deren Mitte die Höhle verehrt wird, wo Jesus Christus geboren wurde.

Als der heilige Hieronymus, der Schöpfer der lateinischen Bibelübersetzung, der Vulgata, im Jahr 386 an diesen Ort kam, sagte er: „Ecce in hoc parvo terrae foramine caelorum conditor natus est“ (Hier in dieser kleinen Erdspalte wurde der Schöpfer des Himmels geboren). Der Kirchenvater ließ sich in dieser Kirche begraben und auf einem kleinen Epitaph über seinem Grab ist dieser Ausspruch bis heute zu lesen.

Nur ein kleiner Gang mit wenigen Stufen führt hinab in die Geburtsgrotte. Wer wie der Verfasser im Juni dieses Jahres bis an diesen Ort vorgedrungen ist, den beschleicht ein merkwürdiges Gefühl. Hier ist also die Stelle, wo Joseph und die hochschwangere Maria ankamen, nachdem sie vergeblich ein Quartier gesucht hatten. Einst stand vor der Höhle wohl ein Stall, wo Tiere Unterschlupf fanden. Engel und himmlische Chöre kamen herbei und sangen von der Ehre Gottes und dem Frieden den Menschen seiner Gnade.

Auf diese Worte gilt es genau zu schauen oder hinzuhören. Frieden wird nicht einfach automatisch kommen, sagen die Engel, sondern nur, wenn tatsächlich Gott die Ehre erwiesen wird. Es ist ein Friede, der zu Menschen kommt, die Gottes Gnade nicht missachten, sondern dankbar annehmen. Das erfordert Demut, Selbsterkenntnis, Sanftmut, Glauben und Liebe – die hohen Tugenden des christlichen Lebens. All das will dieses Kind, Gottes Sohn, in die Welt bringen. Daher trägt es auch den Namen „Jesus“, was übersetzt heißt: „Gott heilt.“

Soll so Großes tatsächlich in dieser Höhle begonnen haben, fragt man sich unwillkürlich, wenn man diese Höhle betritt. Im Juni beteten dort gerade armenisch-orthodoxe Priester. Weihrauch wurde geschwenkt, tiefe Verbeugungen vor dem vierzehnzackigen Stern vollzogen, der die Stelle markiert, wo einst die Krippe gestanden hat. Gläubige aus aller Welt kommen dorthin, verbeugen sich tief, um mit ihrer Stirn oder Hand den Ort zu berühren, wo der Heiland der Welt geboren wurde.

Direkte Spuren des Erlösers sind hier nicht mehr zu sehen. Die Krippe wird inzwischen in Rom in der großen Basilika Santa Maria Maggiore verehrt, vom Stall ist wohl nichts mehr übrig geblieben. Dennoch scheinen die Engel mit ihrem Gesang an diesem Ort immer noch anwesend zu sein, wenn Christen hier Gottesdienst feiern und singen: „Gloria in excelsis Deo, et in terra pax hominibus bonae voluntatis.“ Hinrich E. Bues


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