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24.12.11 / Identitätsstiftender Historiker des Kaiserreichs / Felix Dahn bot mit seinem Werk dem Nationalstaat von 1871 Möglichkeiten der Anknüpfung an die Geschichte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-11 vom 24. Dezember 2011

Identitätsstiftender Historiker des Kaiserreichs
Felix Dahn bot mit seinem Werk dem Nationalstaat von 1871 Möglichkeiten der Anknüpfung an die Geschichte

Vor 100 Jahren gehörte er zu den beliebtesten und bekanntesten deutschen Jugendbuchautoren und es dürfte kaum einen Gymnasiasten oder Volksschüler im deutschen Kaiserreich gegeben haben, der neben Karl May nicht auch Felix Dahns historischen Roman „Ein Kampf um Rom“ mit roten Ohren verschlungen hätte. Gerade die Zeit der Völkerwanderung tat es dem am 9. Februar 1834 geborenen Schriftsteller, Rechtswissenschaftler und Historiker an. Der Vielschreiber Dahn verfasste das zwölfbändige historische Werk „Die Könige der Germanen“ und eine vierbändige „Urgeschichte der germanischen und romanischen Völker“ ebenso wie eine 13-bändige Romanserie „Kleine Romane aus der Völkerwanderung“, aber auch grundlegende juristische Abhandlungen und Kommentare. Seiner Feder entsprangen Lustspiele und feurige Gedichte wie etwa jenes über die „Gotentreue“, das mit den düsteren Zeilen beginnt: „Erschlagen lag mit seinem Heer der König der Goten, Theodemer.“

Mit seinem zirka 30000 Druck­seiten umfassenden literarischem Schaffen erfüllte Dahn alle Erwartungen des Zeitgeists. Nach den drei siegreichen Einheitskriegen glaubte man sich im Deutschen Reich auf einer andauernden Woge des Erfolgs zu befinden und maß die eigenen Ambitionen am Beispiel der ruhmvollen germanischen Vergangenheit.

Keineswegs war Felix Dahn ein altkonservativ-lutherischer Preuße, sondern – obwohl in Hamburg zur Welt gekommen – ein aus bayerischen Künstlerkreisen stammender liberaler Universitätsprofessor mit großen künstlerischen Ambitionen. Die Eltern des Schriftstellers waren beide sehr namhafte Schauspieler. Die Mutter Constanze Dahn geborene Le Gaye war von französischer Herkunft und ihr Vater einst Hofkapellmeister am Hof des Napoleoniden und Königs von Westfalen Jêrome Bonaparte gewesen.

In München erhielt der kleine Felix eine gute Erziehung und erwarb dort am Wilhelmsgymnasium das Abitur. Ab 1850 studierte er an der Münchner Universität Rechtswissenschaften und Philosophie. Das prägende Erlebnis seiner Jugend war die seinerzeit aufsehenerregende Scheidung der Eltern. Felix als das älteste Kind wurde dem Vater zugesprochen, während die beiden jüngeren Geschwister bei der Mutter verblieben. Diese familiären Verhältnisse verursachten bei dem schon immer sehr ernsten Jugendlichen ein seelisches Trauma, das sich in einem nahezu asketischen Arbeitseifer, verbunden mit einem fast manischen Schreibzwang, äußerte.

Nachdem Dahn das für angehende Juristen obligatorische zweite Staatsexamen abgelegt und am Landgericht München erste praktische Erfahrungen gesammelt hatte, verhalf ihm der wohlwollende Münchner Rechtshistoriker Konrad Maurer zum ersehnten Einstieg in die wissenschaftliche Laufbahn. Felix Dahn habilitierte sich in Rechtswissenschaften. Seine juristische Habilitationsschrift lässt schon das Thema ahnen, das Felix Dahn später als Schriftsteller und als Historiker völlig beherrschen sollte. Er verfasste nämlich „Studien zur Geschichte der germanischen Gottes-Urteile“.

Anschließend war er sechs Jahre als Privatdozent an der Universität München tätig. In jener Münchner Privatdozentenzeit legte er die Grundlagen seines späteren wissenschaftlichen und schriftstellerischen Ruhms. In einer wahrhaft titanischen Arbeitsleistung sammelte er alle Schriftquellen zur germanischen Völkerwanderung und arbeitete sie wissenschaftlich durch. Die von ihm damals gesammelte Fülle an Fakten und Daten wird noch heute von Historikern als Steinbruch zur Entnahme von Informationen genutzt, wie der Felix-Dahn-Forscher Hans-Rudolf Wahl 2002 in einer diesbezüglichen Untersuchung konstatierte.

Da Dahn 1859 heiratete und bald darauf Vater wurde, war er gezwungen, zum Unterhalt der kleinen Familie Geld zu verdienen. Neben seiner unbezahlten wissenschaftlichen Tätigkeit verfasste er deshalb vielfältige literarische und poetische Texte. Schnell wurde er einer der Hausautoren der damals im deutschen Bürgertum viel gelesenen Zeitschrift „Die Gartenlaube“.

In diese Zeit fallen die Anfänge der Arbeit an seinem erfolgreichsten literarischen Produkt, dem vierteiligen Roman „Ein Kampf um Rom“. Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs erschien jenes Werk in 110 Auflagen und mittlerweile dürfte die Gesamtauflage die Zahl von zwei Millionen Exemplaren überschritten haben. Dieser historische Roman, der vom tragischen Kampf und heldenhaften Untergang der Ostgoten im Italien der Völkerwanderungszeit berichtet, wurde seinerzeit als typisches Jugendbuch betrachtet, obwohl sich Dahn streng an die historischen Quellen hielt. Die Lektüre des spannenden Romans erforderte nämlich kein spezielles Hintergrundwissen und ermöglichte dem Leser die Identifikation mit einer der streitenden Parteien, und das war die der Ostgoten. Gleichzeitig offenbarte sich Dahn als überzeugter Liberaler wie auch als unnachsichtiger Kritiker christlicher Werte, vor allem des zeitgenössischen Katholizismus. Dahn war also keineswegs ein Konservativer christlicher Observanz, sondern verkörperte vielmehr einen damals populären Nationalismus.

In seiner wissenschaftlichen Karriere kam der fleißige und gründliche Rechtwissenschaftler gleichfalls schnell voran. Nach Professuren an den Universitäten zu Würzburg und Königsberg erhielt er schließlich 1888 eine ihn vollauf befriedigende Professur für Rechtswissenschaften an der Universität zu Breslau. Dort in Breslau ist Dahn vor 100 Jahren am 3. Januar 1912 verstorben. Obwohl noch vor 100 Jahren einer der populärsten deutschen Schriftsteller, ist sein Ruhm heute völlig verblasst. Seine patriotischen Gedichte aus der germanischen Vergangenheit finden sich in keinem Schulbuch mehr und seine Werke werden nur selten in Buchhandlungen, sondern fast ausschließlich in Antiquariaten gehandelt. Jürgen W. Schmidt


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