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24.12.11 / »Ab in den Ascheimer« / Auch in Königsberg wird gegen die Unregelmäßigkeiten bei der Dumawahl protestiert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-11 vom 24. Dezember 2011

»Ab in den Ascheimer«
Auch in Königsberg wird gegen die Unregelmäßigkeiten bei der Dumawahl protestiert

Auf die groß angelegten Protestkundgebungen in mehreren russischen Großstädten folgten weitere Demonstrationen. So auch in Königsberg. Hier hatten ausgerechnet die Kommunisten, denen selbst Wahlfälschungen nachgesagt werden, zu den Protesten aufgerufen.

In ganz Russland wagen sich derzeit immer mehr Menschen auf die Straße, um gegen die unfairen Wahlen zu protestieren. Diese Tendenz hat auch das Königsberger Gebiet ergriffen, umso mehr, als die Region bereits erprobt ist in Sachen Massendemonstration. 2009 und 2010 waren hier schon einmal Tausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen Verschiedenes zu protestieren. Zuletzt waren es 12000 gewesen. Proteste sind zu einem festen Bestandteil des politischen Lebens geworden.

Nach der Bekanntgabe des vorläufigen Wahlergebnisses machte sich Unmut breit, am 7. Dezember begannen die ersten Demonstrationen gegen Wahlfälschungen bei der Staatsdumawahl am traditionellen Ort der Protestkundgebungen, am Denkmal „Mutter Russlands“ (Vorstädtische Langgasse). Schon um 16 Uhr, also noch während der üblichen Arbeitszeit, waren etwa 500 Teilnehmer zusammengekommen.

Auf dem Postament stand der Vorsitzende der regionalen KP, Igor Rewin, und rief ins Mikrofon: „Wir haben heute eine Demonstration. Auf einer Protestkundgebung darf man keine Lautsprecher verwenden. Aber wir haben den Sieg in Königsberg erwartet und meinen, dass die Kommunistische Partei sich das heute dennoch erlauben darf.“

In der Menschenmenge wehten die roten Fahnen der Kommunisten. Sie stellten den größten Anteil, entsprechend der großen Unterstützung für die Partei bei den vergangenen Wahlen. Die Kommunisten hatten diese Demo organisiert. Daneben waren auch Fahnen mit dem Logo der „Patrioten Russlands“ zu sehen, die kaum eine Kundgebung im Land verpassen. Besondere Aufmerksamkeit zogen aber blaue Fahnen mit einem gelben Tiger auf sich, die eher an ein Familienwappen oder eine Kriegsflagge aus dem Mittelalter erinnern. Es ist die Flagge der neuen Gesellschaftsbewegung „Tiger“ (Eine Gemeinschaft der Bürgerinitiativen).

Die Losungen der Demonstranten und Sprecher sind in Königsberg nicht neu. Unter den Protestteilnehmern waren neben den Anhängern der Kommunisten diesmal viele Studenten zu sehen, die für gewöhnlich selten an solchen Massenkundgebungen teilnehmen. Nach der offiziell genehmigten Kundgebung versuchten die jungen Leute eine eigene spontane Protestaktion durchzuführen. Einige von ihnen taten sich auch als Sprecher hervor. Als die Polizei, die die Kundgebung bewacht hatte, bemerkte, dass die angemeldete Aktion in eine nicht genehmigte ausartete, begann sie, die Jugendlichen entschieden, aber ruhig vom Platz zu verweisen. Normalerweise nehmen an öffentlichen Kundgebungen der Kommunisten nur einige Dutzend Rentner teil, der Ort wird durch Metallzäune abgetrennt und die Teilnehmer werden durch eine Torbogensonde geschleust und ihre Taschen durchsucht. Doch diesmal waren nur wenige Polizisten anwesend, die sich äußerst freundlich verhielten.

Die Versammelten forderten verfassungsmäßige Wahlen, dass die Staatsanwaltschaft Verstöße gegen das Wahlgesetz ahndet und die Schuldigen zur Verantwortung zieht, sowie Neuwahlen. Auch drei Tage später, am 10. Dezember, gab es eine Reihe öffentlicher Proteste, die alle nicht genehmigt waren. Um Teilnehmer abzuschrecken, waren überall in der Stadt Plakate mit der Warnung „Kinder, rettet euch bitte selbst! 15 Tage im russischen Knast bringen auch nichts!“ angebracht worden. Trotzdem fanden sich etwa 300 Demonstranten auf dem Hansaplatz [Siegesplatz] gegenüber der Stadtverwaltung ein. Es gab nicht einmal einen konkreten Organisator für diese Versammlung. Die Menschen hatten sich über soziale Netze im Internet verabredet. Vielleicht waren deshalb überwiegend junge Menschen zusammengekommen. Die Demo verlief vollkommen ruhig. Niemand sagte etwas und es wurden auch keine Losungen gerufen. Die Leute unterhielten sich lediglich miteinander. Einige hatten ihre Gesichter mit Mullbinden umwickelt, die meisten trugen weiße Binden an ihrer Kleidung. Die Oppositionsparteien hatten vor der großen Demonstration am vergangenen Wochenende dazu aufgerufen, weiße Binden als Symbol der „Bewegung für freie und ehrliche Wahlen“ zu tragen. Anschließend führten die Versammelten eine symbolische Wahl durch. Auf den Marmorbänken am Hansaplatz legten sie leere Blätter aus, auf die jeder schreiben konnte, was er wollte. Und die Bürger schrieben: „Gegen Gauner und Diebe an der Macht“, „Für ehrliche Wahlen“ und „Jedro w wjedro“, ein Wortspiel mit der Abkürzung der Partei „Einiges Russland“, das so viel bedeutet wie „Die Einheitspartei ab in den Ascheimer“.

Die vielen Journalisten, die darauf spekuliert hatten, sensationelle Fotos mit nach Hause zu nehmen, wurden enttäuscht. Die anwesenden Polizisten mischten sich nicht in das Geschehen auf dem Hansaplatz ein. Die Protestaktion hatte keinen parteipolitischen Charakter. Bei den Teilnehmern handelte es sich um Menschen, denen die Art und Weise der Wahldurchführung nicht gleichgültig ist. Jurij Tschernyschew


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