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24.12.11 / Streithähne auf Reisen / Amüsanter Roman um zwei Rentner, die sich einen Lebenstraum erfüllen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-11 vom 24. Dezember 2011

Streithähne auf Reisen
Amüsanter Roman um zwei Rentner, die sich einen Lebenstraum erfüllen

Über 30 Jahre stand das Komikerduo Jack Lemmon und Walter Matthau gemeinsam vor der Kamera. In ihrem letzten Film „Immer noch ein seltsames Paar“ spielen sie zwei alternde Streithähne, die vor 30 Jahren in einer Männer-WG in New York zusammenlebten. Nun treffen sie sich wieder und müssen unglück-licherweise einen Mietwagen teilen, um zur Hochzeit ihrer Kinder zu gelangen. Pleiten, Pech und Pannen der beiden Senioren, die weder mit noch ohne einander können, sind programmiert. Eine ähnliche Geschichte verbindet die beiden Protagonisten aus Caroline Vermalles Debütroman „Denn das Glück ist eine Reise“.

Als 83-Jähriger beschließt Georges, sich einen Lebenstraum zu erfüllen: Zusammen mit seinem sieben Jahre jüngeren Nachbarn Charles will er heimlich die Tour de France nachfahren. „,Die Tour de France‘, rief der junge Briefträger verblüfft. ,Toll, aber mit ihrem kranken Knie – wird das nicht ein bisschen beschwerlich?‘ ,Nein nein, wir fahren die Tour de France mit dem Auto‘, erklärte Georges ihm. Ein wenig enttäuscht, dieses herrliche Missverständnis so schnell aufklären zu müssen. ,Ach so, ich dachte schon. Das ist trotzdem eine lange Strecke! 21 Etappen, 49 Dörfer, insgesamt fast zwei Monate.‘“ Dafür kauft sich Georges extra einen Renault mit Navigationssystem.

Seine Tochter Françoise wäre aufgrund der gesundheitlichen Probleme ihres Vaters wohl gegen das Vorhaben. Als sie für zwei Monate nach Peru zum Kletterurlaub fährt, wittert Georges seine Chance, sich aus dem Staub zu machen. Nur seine Frau weiß Bescheid. Dummerweise erfährt seine Enkelin Adèle kurz vor der Abfahrt vom Plan der beiden Ausreißer. Sie verspricht, ihren Großvater nicht zu verraten, wenn er ihr jeden Tag eine SMS schickt und über seine Erlebnisse berichtet. Obwohl Georges neumodische Geräte ablehnt, lernt er mit der Zeit die typische Handy-Sprache und genießt es, sich mit seiner Enkelin auszutauschen. In 160 Zeichen nimmt er sie mit in die bretonische Heidelandschaft, zum Picknick mit Cidre, zum Meer und zu ausgelassenen Abenden in der Crêperie. Adèle beginnt, ihren Großvater mit anderen Augen zu sehen. Seine Kurznachrichten bringen Licht in ihren undankbaren Praktikantenjob beim Film in London.

Leider merkt man der Autorin an, dass sie vom Film kommt. Dort sind die Bilder da, während sie in der Literatur erst erzeugt werden müssen. Das gelingt ihr nur manchmal. Ihre Beschreibungen erschöpfen sich mit der „wunderschönen Landschaft“ oder dem „zauberhaften Hafen mit den tanzenden Fischerbooten“. Dabei lädt das Thema geradezu dazu ein, den Duft der Lavendelfelder, das Wellenrauschen an der Küste oder die Gässchen bretonischer Fischerdörfer zum Leben zu erwecken.

Vermalles Stärke liegt in der Charakterisierung zwischenmenschlicher Beziehungen, etwa zwischen Georges und Charles, die von guten Nachbarn zu engen Freunden werden. Wie bei Lemmon und Matthau kommt es zu kleineren und größeren Auseinandersetzungen, weil jeder seinen Dickkopf durchsetzen und den Ablauf der Fahrt bestimmen möchte. Ebenso berührend ist Georges Annäherung an seine Enkelin, die er jahrelang nicht gesehen hat, und seine kleine Romanze mit Charles Schwester, die sie unterwegs besuchen.

Die Geschichte kommt nur langsam in Fahrt, aber das ist konsequent. Vermalle passt die Tour de France dem Tempo ihrer Protagonisten an und die sind schließlich nicht mehr die Fittesten.

Die Autorin hat das Buch ihren eigenen Großeltern gewidmet. Entstanden ist ein warmherziges Plädoyer für den Dialog zwischen den Generationen und für die Verwirklichung von Träumen auch im Alter, das Lust auf den nächsten Frankreichurlaub macht. Sophia E. Gerber

Caroline Vermalle: „Denn das Glück ist eine Reise“, Bastei Lübbe, Köln 2011, geb., 224 Seiten, 10 Euro


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