28.03.2024

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31.12.11 / Ausgekurbelt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-12 vom 31. Dezember 2011

Ausgekurbelt
von Theo Maass

Am Mittwoch vor Heiligabend fiel im traditionsreichen Kino „Die Kurbel“, im Westteil Berlins in einer Seitenstraße des Ku’damms gelegen der letzte Vorhang. Alle 346 Plätze im großen Vorführsaal waren besetzt, als das Bürgerkriegsepos „Vom Winde verweht“ lief. Hundertmal habe auch ich Rhett Butler, der sich erst spät der Sache der Konföderation anschloss, und Scarlett O’Hara, die erst nach dem Krieg den Wert des eigenen Grundes und Bodens schätzen lernte, gesehen.

Auch die jahrzehntelange Frage: „Kriegen sie sich noch?“ hat nicht nur die Herzen kleiner Mädchen bewegt. In der Kurbel hatte der Streifen am 4. Dezember 1953 Deutschlandpremiere und lief dann weitere 28 Monate dort. Sogar die Busschaffner der BVG konnten den Fahrgästen damals sagen, wo sie aussteigen mussten. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die „Kurbel“ als eines der ersten Kinos Berlins den Betrieb wieder auf. Aber Hausbesitzer Symcha Karolinski, Mitinhaber einer großen Immobilienfirma, bleibt hart. Das Internetportal „Immobilien 24“ weiß warum: „Der Grund für die Schließung ist einzig und allein, mehr Geld einzunehmen, da Kinobetreiber meist weniger als andere Branchen für den Quadratmeter zahlen.“

Wie viel mehr der Alnatura-Supermarkt nun an Miete berappt als das alte Kino, ist ungewiss. Aber Karolinski zeigt sich wenig verhandlungsbereit. Weder die Initiative „Rettet die Kurbel“, die im Kiez immerhin 7500 Unterschriften sammelte, noch die Vorstöße des Bezirksbürgermeisters Reinhard Naumann (SPD) und des zuständigen Stadtrats Marc Schulte (SPD) beeindruckten ihn. Im Gegenteil: Karolinski wurde zwischenzeitlich rabiat und droht mit einer Vertragsstrafe gegen „Alnatura“, sie solle aus dem Vertrag aussteigen. Der Biomarkt hatte verlauten lassen, er wolle einer Weiterführung des Kinobetriebs nicht im Wege stehen.

Christian Berg vom „Medienboard Berlin-Brandenburg“ beklagt: „Nachdem im Bezirk in den vergangenen 20 Jahren zahlreiche Kinos konzeptlos weggestorben sind, ist nun eine politische Lösung gefragt.“ Tatsächlich gäbe es einige Möglichkeiten, hofft die Initiative: Sollte der Platz um das Kino Fußgängerzone werden, hätten Lieferanten es schwer, den Markt zu erreichen. Die Umbaupläne des Hauses müssten vom Baustadtrat genehmigt werden. Karolinski fühlt sich bedrängt und hat Anzeige erstattet. „Das sind Biedermänner als Brandstifter“, beschimpft er die Anwohner.

Erst vor einigen Wochen traf ich in dem Kino bei einer Vorstellung den grünen Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele. Meine Frau – nach Ephraim Kishon die beste von allen – kochte vor Wut, weil sie ihn nicht leiden kann. Ich gab zu bedenken, dass er im Bundestag immerhin gegen den EU-Rettungsschirm gestimmt hatte. Das stimmte sie wieder milde.


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