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31.12.11 / Griff nach den Steinen / Königsberger, die das kulturelle Erbe an Ort und Stelle erhalten wissen wollen, haben mächtige Gegner

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-12 vom 31. Dezember 2011

Griff nach den Steinen
Königsberger, die das kulturelle Erbe an Ort und Stelle erhalten wissen wollen, haben mächtige Gegner

Vielerorts ist in Königsberg noch deutsches Kopfsteinpflaster zu sehen, entweder, weil es nie entfernt wurde, oder, weil es unter der Asphaltdecke wieder zum Vorschein kommt. Während die einen es als kulturelles Erbe an Ort und Stelle erhalten wollen, haben andere nicht nur ein Auge darauf geworfen, sondern strecken auch ihre Hand danach aus. Die Nachricht, dass Königsberger Kopfstein zur Reparatur des Roten Platzes in Moskau verwendet wird, sorgt für Unverständnis.

In den vergangenen Jahren sind die alten Pflastersteine, die einmal viele Straßen und Plätze Königsbergs schmückten, immer weniger geworden. Vor allem von vielen Straßen der Stadt sind sie ganz verschwunden. Andernorts wurden zwar auch Pflastersteine neu verlegt, doch bildet das die Ausnahme.

Immer mehr Bürger, vor allem jüngere, beschäftigen sich mit der Geschichte der Stadt, in der sie leben, und suchen ihren Platz darin. Viele Königsberger sind beunruhigt, wenn sie sehen, welche umfangreichen Veränderungen vor sich gehen und vor allem, wo historisches Kopfsteinpflaster wieder auftaucht. Die Informationen darüber, wer was mit den Steinen anfängt, sind spärlich und sehr widersprüchlich, was das Misstrauen gegenüber den Verantwortlichen noch vergrößert. Da hilft es auch nicht, wenn Bürgermeister Alexander Jaroschuk lapidar feststellt, dass einige betuchte Russen die Steine aufkaufen und sie zweckentfremden würden, etwa als Belag für ihre privaten Hauseinfahrten oder als Zier für ihre Gärten.

Als die Fragen von Journalisten an den Bürgermeister immer drängender wurden, gab er ihnen kürzlich erstmals klare Auskunft darüber, wohin das Kopfsteinpflaster verschwindet. Zunächst würden die Pflastersteine auf sechs Lagerstätten verteilt. Die Hälfte lagere auf dem Gelände der Städtischen Verkehrsbetriebe. Die geborgenen Steine würden dann einer sorgfältigen Kontrolle unterzogen. Über 20000 Pflastersteine seien dem Gebietsmuseum für Geschichte und Kunst übergeben worden für die Erneuerung des Wegbelags im Eingangsbereich und im Hof des Forts Nr. 5. Der andere Teil sei nach Moskau zur Reparatur des Roten Platzes transportiert worden. Darüber, wie viele Kopfsteinpflastersteine nach Moskau verbracht wurden, konnte oder wollte er keine konkreten Angaben machen, was bei den Anwesenden auf Unverständnis stieß. Hinsichtlich der kritisierten Fälle der unrechtmäßigen Aneignung von Pflastersteinen im Gebiet versprach Jaroschuk, den Staatsanwalt einzuschalten. Andererseits schlug er vor, die Steine einzelnen Bürgern auf Antrag kostenlos zu überlassen, wenn diese sich dazu verpflichteten, dem Allgemeinwohl zu dienen, indem sie der Öffentlichkeit zugängliche Höfe damit belegen lassen.

Trotz aller Bemühungen ist damit zu rechnen, dass in Zukunft die gepflasterten Flächen in der Stadt weiter schwinden werden. Der Chef der städtischen Baubehörde erklärte das damit, dass es Probleme bei der Entwässerung gepflasterter Straßen gäbe und führte als Beispiel die Herzog-Albrecht-Allee [Thälmannstraße] an, auf der sich bei Regen große Pfützen bilden. Wahrscheinlich wird auch hier das Kopfsteinpflaster bald verschwinden.

Die Bürger befürchten, dass auch vom Hansaring [Prospekt Mira], wo es noch viel Pflaster gibt, dieses dem Asphalt weichen muss. Die Stadtverwaltung hingegen bestreitet, dass dies in nächster Zeit der Fall sein wird.  Jurij Tschernyschew


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