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31.12.11 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-12 vom 31. Dezember 2011

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

heute ist Altjahrsabend – ich mag dieses Wort für den letzten Kalendertag eines Jahres, denn es vermittelt Ruhe und zwingt zum Nachdenken über das Geschehen der vergangenen zwölf Monate. Wieder kann ich einen Jahrgang „Ostpreußische Familie“ abschließen und ich muss sagen: Es war ein guter Jahrgang, er hat viel gebracht, Wünsche wurden erfüllt, Fragen gelöst, Verlorengeglaubtes gefunden, aber leider mussten auch manche in uns gesetzte Hoffnungen aufgegeben werden, weil die infrage kommenden Informanten nicht mehr leben oder keinen Zugang zu unserer Ostpreußischen Familie haben. Aber auch da funktioniert unsere ostpreußische „Buschtrommel“, unermüdlich wird von unseren Leserinnen und Lesern im persönlichen Umfeld nachgefragt, und so kommen doch Lösungen zustande, an die niemand geglaubt hatte. Und so hat dieser Jahrgang auch eine hervorragende „Spätlese“ zu verzeichnen, denn gerade die letzten Tage haben noch erfreuliche Ergebnisse erbracht.

So für Herrn Klaus-Jürgen Rosocha aus Erftstadt-Lechenich, in dessen im masurischen Gurkeln ansässige Familie sich drei alte Brauttruhen befanden, deren Geschichte er dokumentieren wollte. Zwar ist der Verbleib der zwei bei Kriegsende noch vorhandenen Truhen ungewiss, aber über die Entstehung der Truhen und ihre kulturelle Bedeutung hat er viel Wissenswertes erfahren können. So erhielt Herr Rosocha schon kurz nach der Veröffentlichung den Anruf einer Leserin, die auch aus Gurkeln stammt und die seine Verwandten, also Nachkommen seiner Ur-Ur-Großeltern, kannte. Sie meint, dass ein Vorfahr des ortsansässigen Stellmachers und Zimmermanns Erich Wieczorrek die Truhen hergestellt haben könnte, da diese Familie seit Generationen die einzige dieser Zunft in Gurkeln war. Ein anderer Anrufer berichtete Herrn Rosocha über eine ähnliche Brauttruhengeschichte aus seiner Familie. Als erfolgreich erwies sich die Suche nach den Berichten von Dr. Walter Schlusnus über die Truhen aus Gurkeln. Ein Leser aus Dortmund wies Herrn Rosocha auf die Martin-Opitz-Bibliothek in Herne hin. Dort wurde er tatsächlich fündig und entdeckte im Masurischen Volkskalender von 1938 den gesuchten Artikel, der auch eine Zeichnung enthält, die den Sinngehalt der Ornamente verdeutlicht. So weit die ersten Erfolge – die Hoffnung, über den Verbleib der beiden Truhen noch etwas erfahren zu können, gibt Herr Rosocha nicht auf. Aber das dürfte länger dauern, denn wenn die Truhen tatsächlich noch die Nachkriegszeit überlebt haben, müssten sie sich noch immer in Masuren befinden. Und das braucht eben seine Zeit.

Schneller ging es dagegen bei Frau Ilse Konrad-Kowalski, die nach der „Hefeleberwurst“ fragte, jenem Ersatz der von uns so geliebten Leberwurst, mit der wir ja sogar den Schnaps zum „Pillkaller“ veredeln. Fünf Anrufe bekam sie schon in kurzer Zeit mit Rezepten, die sich alle ähneln, jedenfalls was die Zutaten betrifft, die den Geschmack bestimmen: Hefe, Zwiebeln, Majoran. Unterschiedlich dann die Flüssigkeiten – Wasser oder Milch – und die Füllstoffe – Grieß oder Reibbrot. Nun ist Frau Ilse dabei, alle Varianten zu probieren. Welches Rezept dem ihrer Mutter am nächsten kommt, wird ihrem Küchenzettel einverleibt. „Das Ergiebigste waren aber die Kontakte“, schreibt Frau Konrad-Kowalski. Es sei übrigens ein Irrtum zu glauben, dass man für ein Telefongespräch weniger Zeit benötige als für einen Brief. Meist ergäben sich aus der eigentlichen Antwort lange Gespräche über die Heimat und das Leben. So rief ein Landsmann bei ihr an, dem die Leberwurst gänzlich „Wurscht“ war, er wollte über die Heimat reden und entpuppte sich dabei als guter Kenner von Osterode. Deshalb bitte ich ja auch immer wieder um Angabe der Telefonnummer. Es ist leichter in einem Gespräch die infrage kommenden Themen zu behandeln als in einem Schriftwechsel, weil sich im Dialog auch aus einem Nebensatz Dinge ergeben können, die für eine Klärung wichtig sind.

Natürlich können Telefongespräche jene Briefe nicht ersetzten, in denen das geschriebene Wort mehr Bestand hat als das gesprochene, die persönliche Anteilnahme ausstrahlen, Mitgefühl vermitteln, Verbundenheit beweisen. So haben sich gerade durch Briefkontakte, die durch unsere Ostpreußische Familie zustande kamen, mit der Heimat eng verbundene Freundschaften ergeben. Das bestätigt mir Frau Irmgard Kohlhaase aus Lübeck in ihrem Dankesbrief zum Jahreswechsel. Sie schreibt: „Unsere Ostpreußische Familie ist schon ein Schatzkästlein, sie bereichert uns mit Wissenswertem und Geschichtlichem. Meine Bücherwünsche wurden von Ihnen und Ihren Lesern erfüllt, die Briefkontakte reichen bis Amerika, und manche Brieffreundschaft hörte erst auf, weil der Empfänger nicht mehr antwortet. Eine Brieffreundschaft mit Partnern in Kanada wurde sogar familiär von Bedeutung. Hergestellt wurde die Verbindung durch eine Taufe in Königsberg.“ Ein Bild hat Frau Kohlhaase ihrem Schreiben beigelegt, das sie bei einer Heimatreise im Jahre 1987 aufgenommen hat. Und das hat Bezug zu dem „Bartel“, der durch unsere letzten Kolumnen geistert. Es zeigt laut Unterschrift eine Aufnahme aus „Barten 1987 – vor einem Grundstück die Heiligen aus der Prussenzeit“. Gut sichtbar der Bartel und eine zweite Figur sowie ein steinernes Becken. Es muss noch ein Weilchen bis zur Veröffentlichung warten, aber eines ist gewiss: Es hat sich noch lange nicht „ausgebartelt“.

Das bezeugt auch das letzte Schreiben von Frau Roswitha Kulikowski aus Hemmingen, die sehr überrascht über die erfolgreiche Suche nach den Kindern des Tierarztes Dr. Gotthardt war. Sein Sohn Dr. Dietrich Gotthardt, der den Bartener Barto an den richtigen Platz zu rücken vermochte – wie wir in Folge 49 berichten konnten –, hat auch ihre Tiere schon einmal verarztet. Durch ihren Hinweis konnte er auch eine Jugendfreundin wiederfinden. So dreht sich unser Familien-Karussell! Und, von Frau Kulikowski angetrieben, weiter zu Herrn Knut Walter Perkuhn, dem sie so viel über den Königsberger Stadtteil Amalienau und seine damit verbundenen Fragen mitteilen konnte. Da es sich bei einer um den früher zum Gut Ratshof gehörenden Douglaspark handelte, auf dessen Terrain ihr Vater 1936 ein Haus gebaut hatte, kennt sie die Geschichte und weist auf das Buch „Das Taubenhaus“ von Erminia von Olfers-Batocki hin, in dem diese über das alte Gut schreibt, das im Besitz ihrer Familie war. Da das Gut Ratshof später dem Onkel von Herrn Perkuhn gehörte, dürfte ihn dieses Buch interessieren. Wer besitzt den Roman „Das Taubenhaus“ und kann ihn Herrn Perkuhn überlassen? Mein Exemplar, das ich mit persönlicher Widmung von der Verfasserin, Hedwig von Lölhöffel, bekam – ich hatte damals den Druck vermittelt – ist leider wieder mal unterwegs, das heißt: entliehen und nicht zurück­gegeben. Von Herrn Perkuhn bekam ich ebenfalls einen langen Dankesbrief mit Auflistung der schon erwähnten Erfolge, die ihn sehr überrascht und erfreut haben. (Knut Walter Perkuhn, Bergstraße 25 in 29565 Wriedel/Brockhöfe, Telefon 05829/1668.)

Wenn ich zu Beginn meiner Kolumne geschrieben habe, dass sich leider auch manche Hoffnung, die in uns gesetzt wurde, nicht erfüllt hat, so trifft das auch für Frau Hannelore Müller aus Löhne zu. Die zu dem in unserer „Weih­nachtsfamilie“ erwähnten Kreis der ehemaligen Königsberger Waisenkinder gehörende und immer für ihn eintretende Frau hatte speziell nach Kindern gesucht, mit denen sie 1947/48 in Lagern zusammen gewesen war, und dabei auch etliche Namen genannt. Weil sie noch danach mit einigen von ihnen Kontakt hatte, glaubte sie, dass Meldungen erfolgen würden, aber leider ist das bisher nicht der Fall. Frau Müller meint, dass diese Ehemaligen doch nicht alle verstorben sein könnten, und fragt: „Sollten nur die Königsberger Kinder, die sich in den letzten Jahren zusammengefunden haben und über die Sie berichtet haben, das Ostpreußenblatt beziehen?“ Es ist leider so, liebe Frau Müller. Sie müssen bedenken, dass einige von Ihnen nach der Ausweisung in Familien oder Heime kamen, in denen es keine Verbindung zu Ostpreußen gab. Sie wuchsen in einen anderen Lebenskreis hinein, manche wussten oder wissen auch heute kaum etwas von ihrer Heimat und kennen somit auch nicht die PAZ/Das Ostpreußenblatt. Es ist doch schon ein großer Erfolg, dass sich der Königsberger Kinderkreis durch unsere Veröffentlichungen festigen konnte und heute so aktiv ist. Für jede Mitarbeit müssen wir dankbar sein und jeder Leser, der aus irgendwelchen Gründen unsere Zeitung nicht halten will oder nicht mehr kann, mindert die Aussichten auf Erfolge. Die – und nun kommen wir noch einmal auf Frau Müllers Schreiben zurück – sie doch zu spüren bekam, denn sie hatte auch nach dem mir unbekannten Gedicht „Die Toten von Königsberg“ gesucht. Sie bekam drei Zuschriften mit dem Gedicht, jede auf ihre Art wertvoll und einmalig. Die erste kam von einer Leserin aus Kranenburg, die in Königsberg ein Nachbarskind des Verfassers Günter Hagner gewesen war und Frau Müller dessen Anschrift mitteilen konnte. Die zweite Schreiberin gehört der nachfolgenden Generation an, sie hat sich besonders viel Mühe gegeben, das Gedicht im Nachlass ihres Vaters zu finden. Der dritte Brief kam aus Florida von Frau Anni Beidash, einer Sudetendeutschen, die sich auf besondere Weise in der Heimat verbliebener Ostpreußen annimmt. Seit sie 1945/46 mit ostpreußischen Kindern in verschiedenen Sammellagern zusammen gewesen war, beschäftigt sie deren Schicksal – bis heute. Denn Frau Beidash betreute schon Anfang der 80er Jahre Hilfsbedürftige im südlichen, dann Russlanddeutsche im nördlichen Ostpreußen. 23-mal war sie dort, auch im letzten Sommer traf sie sich mit ehemaligen Wolfskindern in Memel. Deren Schicksal hat sie sehr berührt und deshalb will sie im kommenden Jahr wieder nach Memel reisen. Und da Anni Beidash unsere PAZ liest und besonders gerne die „Ostpreußische Familie“, können wir auf diesem Weg ihr unseren Dank sagen für alles, was sie für unsere Landsleute tut. Wir wünschen ihr für das Neue Jahr alles Liebe und Gute.

Und das wünsche ich natürlich all unseren treuen Leserinnen und Lesern, die dazu beitragen, dass unsere Ostpreußische Familie mit großer Hoffnung auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit in das Neue Jahr gehen kann. Mit Böllerschuss – auch wenn dieser nicht akustisch bei Euch, lewe Landslied und Familienfreunde, zu vernehmen sein wird, dann eben auf münchhausensche Weise gut ausgedacht, denn die Kanonenkugel befindet sich in Königsberg. In Luisenwahl wurde dem Lügenbaron ein Denkmal gesetzt, das seit der Aufstellung vor sechs Jahren zum beliebten Fotomotiv wurde. Man kann in den Rahmen hineinklettern und sich auf die Kugel setzen, und das tat Milena Krüger aus Hamburg, als sie mit ihrer Mutter Brunhilde in deren Heimatstadt weilte. Frau Krüger nahm diesen fröhlichen Ritt auf und übersandte uns das Bild. Und so wünschen wir allen Lesern einen „guten Ritt“ in das Neue Jahr.

Eure Ruth Geede


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