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31.12.11 / Glücklich Altern? / Unterhaltsame Verherrlichung der reifen Lebensjahre

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-12 vom 31. Dezember 2011

Glücklich Altern?
Unterhaltsame Verherrlichung der reifen Lebensjahre

„Es ist schlimm, wenn man alt wird, aber schlimmer ist es, man wird es nicht!“, reimte einst der Schauspieler und Humorist Heinz Erhardt. Dass das Älterwerden heutzutage gar nicht so schlimm ist, wollen Heike Blümner und Jackie Thomae in ihrem Buch „Let‘s face it“ (frei übersetzt: Sehen wir der Sache ins Gesicht) beweisen. Blümner, ebenfalls Jahrgang 1972, ist Journalistin und dreht Dokumentarfilme. Thomae, Jahrgang 1972, arbeitet als Journalistin und Fernsehautorin. Vor ihrer Midlifecrisis haben die beiden Frauen beschlossen, ein Sachbuch zu schreiben, das sich weder als „Ratgeber“ noch als „augenzwinkernder Tröster“ versteht. Mit Wissenschaftlern, Gefängnistherapeuten und Pathologen, aber auch mit Kindern, Hippie-Aussteigern und einem Weinkenner sprachen sie über Themen wie Jugend und Erwachsenwerden, sich jung und alt fühlen, körperliche Veränderungen und Schönheitsoperationen, Zeitgefühl, ewiges Leben und Sterben.

Die Autorinnen stellen verschiedene Strategien im Umgang mit dem Altern vor. Im Kapitel „Successful Aging“ geht es darum, bei bestmöglicher Gesundheit gelassen alt zu werden. In der Schweiz oder in Skandinavien haben sich Ärzte längst auf Krankheiten älterer Menschen spezialisiert und passen Behandlungen und Medikamente deren Bedürfnissen an. Gerontologie nennt sich dieser medizinische Zweig, der in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckt. Das „Ending Aging“ versucht hingegen, den Alterungsprozess aufzuhalten. Der Biologe Aubrey de Grey etwa betrachtet das Altern als unerwünschten Verfalls- und Abnutzungsprozess, den es zu stoppen gilt wie eine schlimme Krankheit. Laut de Grey würden die Menschen ewig leben wollen, wenn sie nicht irgendwann der Körper im Stich ließe. Allerdings reflektiert er nicht die Konsequenzen, die sich daraus ergeben würden, wie die Rente mit 150, Überbevölkerung, Apathie und Chaos.

Wie ein roter Faden zieht sich die Auffassung durch, das Älterwerden habe durchaus positive Seiten. Jugendliche und Mitzwanziger fühlten sich oft unwohl in ihrer Haut, weil sie noch auf der Suche seien, viele Zusammenhänge nicht verstünden und Komplexe wegen ihres Aussehens hätten. Leute, die jung bleiben wollen, meinen damit meistens ein jugendliches Äußeres und körperliche Fitness. Keinesfalls möchten sie ihre Lebenserfahrung aufgeben. Die Grenzen zwischen den Generationen verwischen, wenn sich Eltern wie ihre Kinder und umgekehrt kleiden. Während die Großen mit Fleecemützen und Ruck-säcken sich wie für einen Schulausflug zurechtmachen, laufen die Kleinen in Röhrenjeans und Marken-T-Shirts herum. Auch der Musik- und Filmgeschmack überschneidet sich. Im Zuge des gesellschaftlichen Wandels sind die Grabenkämpfe zwischen Eltern und Kindern einem harmonischen, antiautoritären Verhältnis gewichen.

Prominente aus Politik und Unterhaltungsindustrie kommen zu Wort, unter anderen Andrea Nahles und Claudio Roth, Iris Berben, Stefanie Hertel und Schorsch Kamerun. Sängerin Inga Humpe erklärt, warum das Alter ihr egal sei, und Entertainer Rocko Schamoni behauptet, immer weiser zu werden und jeweils den zu hassen, der man vor zehn Jahren war. Die Stellungnahmen der Interviewpartner bewegen sich häufig an der Grenze zur Banalität, klingen aber nie zynisch. Im Gegensatz zu anderen abfällig-humoristischen Büchern auf dem Markt wie „Wenn Happy und Birthday getrennte Wege gehen“, lautet die Botschaft an den Leser, den Mut für Entscheidungen und Veränderungen aufzubringen, sich besondere Momente zu schaffen und am Ende nichts zu bereuen. Ein lustiges und kluges Buch, dem es manchmal an Tiefgang fehlt.  Sophia E. Gerber

Heike Blümner, Jackie Thomae: „Let’s face it. Das Buch für alle, die älter werden“, Blanvalet, München 2011, geb., 384 Seiten, 19,99 Euro


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