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31.12.11 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-12 vom 31. Dezember 2011

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Die Flüstermaschine / Warum sich Gabriel so um den Präsidenten sorgt, wie Wulff sich artig zeigt, und wie in Schweden das falsche Bewusstsein überlebte

Übertreibt er da nicht ein wenig? Ein Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff könne fast eine Staatskrise auslösen, raunt Sigmar Gabriel. Na ja, da hatten wir schon Schlimmeres, ohne dass der Staat ins Wanken kam.

Das weiß auch Gabriel, da sind wir sicher. Genau das ist es aber, was seinen Vorstoß so ungemein nobel erscheinen lässt. Glänzend steht er da, der SPD-Chef, als gnädiger Sündenvergeber pünktlich zum Weihnachtsfest, und als Staatsmann durch und durch, dem das Ansehen der Republik mehr bedeutet als die Möglichkeit, kleinlich auf den Präsidenten einzuhacken, der von der anderen Seite kam. Dabei hatten wir den Gabriel bislang eher als linkischen Taktierer und hemmungslosen Polemiker gesehen. Da haben wir uns wohl getäuscht.

Oder auch nicht: Denn solange Wulff im Amt bleibt, kann sich der SPD-Vorsitzende an jeder weiteren Enthüllung aufs Neue erfreuen. Nicht nur das: Sollte Wulff schlussendlich doch noch abtreten, entgeht der Sozialdemokrat überdies dem Vorwurf, den Präsidenten aus dem Amt gejagt zu haben. Solche „Königsmörder“ mögen wir Deutsche nämlich nicht sonderlich.

Das ist das deutsche Paradox: Erst schießen wir uns ein auf eine Führungsperson. Tritt sie dann unter unserem Feuer aber wirklich ab, packt uns sofort das schlechte Gewissen. Wie damals beim König von Sachsen, als die „Revolutionäre“ wie die begossenen Pudel dastanden, als der von ihnen weggeekelte Monarch sie mit ihrem „Dreck alleene“ ließ.

Der schlaue Gabriel muss nun das Mitleid der Deutschen mit einem gestrauchelten Wulff nicht mehr fürchten. Auch braucht er sich nicht mehr zu sorgen, dass man ihm „Beschädigung des höchsten Amtes“ vorhält. Der SPD-Chef muss nur an seine warmen Worte zu Weihnachten erinnern, und schon ist er fein raus. Das gibt ihm die Möglichkeit, auf jede kleinste Verfehlung im privaten Finanzgebaren seines niedersächsischen Landsmannes im Bellevue umso schäumender einzudreschen. Und wenn Wulff alle Schläge übersteht? Auch gut: Dann muss sich Kanzlerin Merkel jahrelang mit einem ramponierten Staatsoberhaupt herumquälen.

So ein angeschlagener Wulff wird sich noch viel eifriger bemühen, links von der Mitte Beifall einzufahren, denn er weiß, dass er die Nachsicht aller Beteiligten benötigt. Einen Vorgeschmack darauf, wie wir uns das konkret vorstellen dürfen, gab er uns mit seiner Weihnachtsansprache.

Für die politische Linke mit der SPD im Zentrum und den Grünen vorneweg ist es strategisch entscheidend, dass jeder einsieht: Der Feind steht rechts, die Moral steht links, diese linksgrüne Doktrin ist nicht mehr verhandelbar. Wer ihr widerspricht, hat nicht etwa bloß eine „andere Meinung“, wie man das früher genannt hätte. Nein, er ist unanständig.

Wulff hat verstanden: Geradezu goldig bemühte sich der Präsident in seiner Ansprache um Einlass in jene linksgrüne Zone der einzig Anständigen. Als er gegen Extremismus wetterte, meinte er offenkundig allein den Rechtsextremismus. Dann erzählte er voller Inbrunst, wie er seinen dreieinhalbjährigen Sohnemann bei der Gute-Nacht-Lektüre politisch korrekt erleuchtet, indem er ihm aus dem Buch „Irgendwie anders“ vorliest: „Er schläft dann selig ein, weil er weiß, es ist gut, dass wir alle verschieden sind. Wir können gar nicht früh genug begreifen, wie dumm und schädlich Ausgrenzung oder gedankenlose Vorurteile sind.“

Was für ein Bild: Das deutsche Staatsoberhaupt als Aldous Huxleys Flüstermaschine. Huxley ist der Autor des berühmten Romans „Schöne Neue Welt“ von 1932. Darin beschreibt der Brite, wie die Kleinkinder in ferner Zukunft von Flüstermaschinen im Schlaf zu einsichtigen Bürgern im Sinne ihrer politischen Führung erzogen werden. Später hindern sie Konsum, Sex und Drogen daran, die friedliche, stabile und harmonische Ordnung ihrer „schönen Welt“ in Frage zu stellen. Maschinen? Grässliche Vorstellung, das hat mich damals beim Lesen des Buches ziemlich erschreckt. Endlich kann ich aufatmen: Die Apparate benötigen wir gar nicht, das besorgen bei uns die Eltern. Wie viel menschlicher ist die Zukunft doch geworden, als sie sich der apokalyptische Autor dereinst vorgestellt hat.

Eingeflüstert wird heutzutage nicht bloß den Kleinkindern. Das Gewisper begleitet uns das ganze Leben hindurch. So vergaß auch der Bundespräsident nicht, uns an Weihnachten daran zu erinnern, dass wir unseren Wohlstand Europa verdanken. Auch das muss täglich wiederholt werden. Sonst kommen die Deutschen irgendwann auf die Idee, ihren Vorteil durch Europa (also die EU) anhand kalter Kosten-Nutzen-Rechnungen abzuzählen. Das Resultat wäre geeignet, Jahrzehnte von Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit über Nacht in Staub zu verwandeln. Schon daher kann man „gar nicht früh genug“ damit anfangen, den kleinen und großen Bundesbürgern das richtige Bewusstsein zu vermitteln.

In Schweden beispielsweise hat das falsche Bewusstsein überlebt. Das Land ist zwar in der EU, aber nicht im Euro. Und nach einer jüngsten Umfrage bestehen 88 Prozent der Schweden darauf, auch weiterhin außerhalb der Gemeinschaftswährung zu bleiben. Die Ergebnisse dieser Bockbeinigkeit lassen sich in den Wirtschaftsdaten des Landes ablesen: Während die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal 2011 praktisch gar nicht mehr zulegte, wuchs die schwedische um 4,2 Prozent. Und der Außenhandel? Der bricht doch zusammen, wenn man keinen Euro hat, oder? Nun, der schwedische Exportüberschuss wuchs im Oktober 2011 um 42 Prozent gegenüber dem des Vorjahresmonats. Damit die Deutschen von solchen Zahlen nicht auf falsche Gedanken gebracht werden, muss man ihnen zweifellos allerhand einflüstern und ihr „Bewusstsein verändern“.

Da ist schon viel erreicht worden. Die deutschen Steuerzahler lassen sich von keiner noch so astronomischen Zahlungs-, Bürgschafts- oder Garantieforderung von der gründlich einstudierten Überzeugung abbringen, dass sie vom Euro-System mehr Vor- als Nachteile haben. Sie sehen: Wir sind gar nicht störrisch und eigensinnig, wie nimmermüde Nörgler behaupten.

Allerdings gibt es immer wieder Rückschläge. Oft an Stellen, wo wir sie am allerwenigsten erwartet hätten. Meist liegt das daran, dass wir nicht richtig aufgepasst haben und sich etwas einfach so entwickeln konnte, ohne dass die Bewusstseinswärter rechtzeitig eingegriffen haben.

So geschehen bei der Piratenpartei. Die macht eigentlich alles richtig: Sie wärmt uralte linke Forderungen auf und verpasst ihnen damit den heiß begehrten Anschein, jung, frech und unangepasst zu sein. Nun aber der Schock: Entsetzte Beobachter haben festgestellt, dass bei den Piraten keinerlei Frauenförderung betrieben wird. In der Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt neben 14 Männern nur eine Piratin.

Auf der Bundesebene sieht es nicht besser aus, nein, eher schlimmer sogar. Die einzige Frau, die dort von sich reden macht, ist die Bundesgeschäftsführerin Marina Weisband. Die allerdings tritt eher auf wie die Wiedergeburt des „reizenden Fräuleins“ denn als kampferprobte Männerfresserin. Die etablierte Feministenszene ist stocksauer und fahndet nach den Ursachen der Katastrophe.

Vermutlich liege das daran, dass Frauen in der Computerfan-Szene, aus der die Piratenpartei entsprungen ist, viel zu wenig unterwegs seien, vermutet die „Emma“. Egal, da muss etwas getan werden. Eine Frauenquote würde das Problem aber nur oberflächlich lösen. Langfristig sollten wir den Jungen das Lernen und Spielen am Computer vergraulen, dann würden die Mädchen automatisch aufholen. Denn Gleichmachen geht immer noch am besten, indem man die Besseren schlechter macht, und nicht umgekehrt. So praktizieren es die Bildungsreformer seit Jahrzehnten.


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