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14.01.12 / »Erwache Rumänien« / Bukarest verordnet Schülern das Absingen der Nationalhymne

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-12 vom 14. Januar 2012

»Erwache Rumänien«
Bukarest verordnet Schülern das Absingen der Nationalhymne

Der Text der rumänischen Nationalhymne lautet übersetzt: „Wache auf Rumäne, aus deinem Schlaf des Todes, in welchen dich barbarische Tyrannen versenkt haben! Jetzt oder nie, webe dir ein anderes Schicksal, vor welchem auch deine grausamen Feinde sich verneigen werden! Jetzt oder nie, senden wir Beweise an die Welt, dass in diesen Adern noch Römerblut fließt, dass wir in unseren Herzen stets mit Stolz einen Namen tragen, den Sieger seiner Kämpfe, den Namen von Trajan!“

Im Sommer 2011 hatte der rumänische Sänger Marcel Pavel beim Absingen der Nationalhymne vor dem Fußballländerspiel zur EM-Qualifikation die letzte Zeile der Hymne, die den Vornamen des Präsidenten enthält, weggelassen. Gemeint ist in dem Text zwar nicht Präsident Traian Basescu, sondern der römische Kaiser Trajan, der das Volk der Daker auf dem heutigen Gebiet Rumäniens besiegt hatte, aber der Name ist derselbe. Der Sänger argumentierte, er habe den Vers nicht politisieren wollen, deshalb hätte er den Vers in Absprache mit dem rumänischen Fußballverband weggelassen. Der Vorfall hatte den Staatspräsidenten sehr erzürnt, der Sänger musste ein Bußgeld von über 1000 Euro zahlen. Ausbaden müssen dies jetzt allerdings die rumänischen Schüler. Der Schulminister verordnete auf Vorschlag des Präsidenten jetzt allen Primärschulen des Landes die Pflicht, die Hymne zu Beginn der Woche absingen zu lassen. Der rumänische Senat wandelte Ende des Jahres den entsprechenden Gesetzestext von einer Empfehlung in eine Pflicht um.

Viele Lehrer halten diese Anordnung für pädagogisch fragwürdig, in Internetblogs lassen sie ihrem Unmut über die neue Vorschrift freien Lauf. So findet beispielsweise der Lehrer Emil Stoica im Nachrichtenportal „Hotnews.ro“: „Welches Land werden die Schüler, nachdem sie die Schule besucht und jahrelang die Hymne singen mussten, vorfinden? Mürrische Beamte oder medizinisches Personal, die Schmiergeld fordern … Werden sie nach dem Singen der Hymne ihr Land mehr lieben?“ Die Rumänen mussten in 45 Jahren Kommunismus, je nach geografischer Ausrichtung der rumänischen KP, drei verschiedene Hymnen lernen und allmorgendlich absingen.

Der Text der Hymne stammt von Andrei Muresanu (1816–1863), inhaltlich geht es um „Feinde“, „Tod“, „Fremde“, „Blut“, „Intrigen“, „Todesschlaf“, „fatale Plagen“, „hinterlistige Machenschaften“.

Die Nationalhymne, die 1848 beim Kampf um Siebenbürgen mit Österreich-Ungarn entstand, stilisiert den römischen Kaiser Trajan zum Urahnen der in Transsylvanien lebenden rumänischen Ethnie hoch. Mit der von Mythen beladenen nationalen Identität der Rumänen haben auch die im Lande lebenden nationalen Minderheiten ihre Probleme. So fragt die in Bukarest erscheinende deutschsprachige „Allgemeine Deutsche Zeitung“ der Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben, ob es Sinn macht, „mit einem antiquierten Vokabular und den Denkmustern aus dem 19. Jahrhundert die Schulkinder heute erziehen zu wollen. Falsches Pathos in einer Zeit des Pragmatismus, längst widerlegte Denkmuster, ultimative, unreflektierte Aussagen: Welche Auswirkungen hat dies, vor allem wenn es immer wiederholt wird, auf die Psyche von Schulkindern?“ Zwar enthalten auch die Hymnen Frankreichs und Italiens, die in Revolutionszeiten entstanden sind, viele pathetische und blutrünstige Teile, aber keine sei so martialisch wie die Hymne Rumäniens. Bodo Bost


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