20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
14.01.12 / Serpentina, Symbol ewiger Erneuerung / »Die Schlange im Schmuck der Welt« – Prachtvolle Sonderausstellung im Schmuckmuseum Pforzheim

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-12 vom 14. Januar 2012

Serpentina, Symbol ewiger Erneuerung
»Die Schlange im Schmuck der Welt« – Prachtvolle Sonderausstellung im Schmuckmuseum Pforzheim

Das Schmuckmuseum Pforzheim ist hinsichtlich seiner in Qualität und Umfang einzigartigen Sammlungen, die Kleinodien aus den letzten 6000 Jahren bergen, das bedeutendste der Welt. Das Schmuckmuseum residiert im Reuchlinhaus, das 1961 eröffnet wurde. Den Entwurf für das in der Formensprache des International Style aus vier scharfkantigen Kuben um ein quadratisches Foyer herum errichtete Gebäude lieferte der Architekt Manfred Lehmbruck, der Sohn des berühmten Bildhauers Wilhelm Lehmbruck. Das nach dem humanistischen Gelehrten, Schriftsteller und Juristen Johannes Reuchlin (1455–1522) benannte Haus „gehört zu den Meisterwerken der deutschen Nachkriegsarchitektur“, wie Pforzheims Denkmalpfleger Christoph Timm urteilt.

Das Schmuckmuseum feiert den 50. Jahrestag seines Einzugs in das Reuchlinhaus mit einer prachtvollen Sonderausstellung, die der langjährige Leiter Fritz Falk kenntnisreich eingerichtet hat. Sie präsentiert anhand von 140 Kostbarkeiten aus den letzten 3000 Jahren die Schlange im Schmuck der Welt. Falk reizte die Bedeutungsvielfalt der Schlange. Sie windet sich im Zeichen von Weisheit und List, aber auch von Sünde und Versuchung. Sie verheißt Schutz und Heilkraft – und droht mit Unheil und Tod. Der Uroboros schließlich, also die sich in den Schwanz beißende Schlange, versinnbildlicht Ewigkeit, Erneuerung und immerwährende Liebe.

Auf unserer dem Schlangenschmuck gewidmeten Zeit- und Weltreise machen wir Station in Indien. An einem für Tänzer bestimmten Paar oval gewundener Fußreifen aus Bronze stößt je ein Kobrakopf mit schildförmig aufgetriebenem Hals vor. Die hohlen Körper sind mit Steinchen gefüllt, so dass sie beim Tanzen zu „Klapperschlangen“ werden. Das soll die bösen Geister fernhalten. Die Fortsetzung der Expedition führt nach Afrika. Die in Ghana lebenden Ashanti „sind die bekanntesten und auch die besten Gold verarbeitenden Künstler Afrikas“, wie Falk erläutert. Das veranschaulicht zum Beispiel ein Ring mit der Darstellung einer in drei Lagen zusammengerollten Gabunviper. Sie gilt den Ashanti als Repräsentantin der Weisheit.

Schlangenförmige Halsketten, Armreife und Ringe aus der griechisch-römischen Antike versetzen uns in mythologische Gefilde. In den Achat eines Goldrings (1.-2. Jahrhundert n. Chr.) ist das von Schlangenhaar umringelte Haupt der Medusa geschnitten. Es sollte Unheil abwehren.

Diese Aufgabe hatte auch der aus Gold und ei­nem Granat im Zentrum gefertigte Schlangenarmreif mit Heraklesknoten (3.-2. Jahrhundert v. Chr.).

Dieses häufig verwendete Schmuckmotiv geht zurück auf die Sage, der kleine Herakles habe zwei ihm von der Göttermutter Hera in die Wiege gelegte Schlangen erwürgt. Eine uns leider nicht überlieferte mythologische und magische Bedeutung hatten sicher auch die acht in Form eines Vierpasses aus roten Almandinen sich über die berühmte „Goldscheibenfibel von Wittislingen“ (7. Jahrhundert) windenden Schlangen.

Den Höhe­punkt des Rundgangs markieren die um 1900 geschaffenen Kleinodien. Einen reichlich kalt und protzig funkelnden Prunk kennzeichnet das mit unzähligen Diamanten übersäte Platinkollier (1919) aus dem Pariser Schmuckhaus Cartier. Ein düsteres Prachtstück ist der Spazierstockgriff (um 1900) aus Rauchquarz in Form eines Schlangenkopfes mit giftig funkelnden Diamantaugen. Er stammt aus dem Sortiment des für den Zarenhof tätigen Peter Carl Fabergé.

Einer der wichtigsten deutschen Schmuckgestalter dieser Zeit war Wilhelm Lucas von Cranach, Nachfahre des berühmten deutschen Malers Lucas Cranach. Im Auftrag Kaiser Wilhelms II. entwarf er den Anhänger in Form eines Schlangennestes (1917/18), der unter großzügigem Einsatz von Gold, Smaragden, Diamanten, Rubinen und Perlen ausgeführt wurde.

Die verführerischsten Schlangen aber kommen aus Paris. Falk erklärt: „René Lalique war der phantasievollste, kreativste und erfolgreichste Schmuckkünstler seiner Zeit.“ Eines seiner berühmtesten Schmuckkunststücke ist ausgestellt: der aus Gold und Emaille 1898/99 geschaffene Brustschmuck (Devant le Corsage) aus neun raffiniert verknoteten Schlangen, die ihre goldenen Mäuler weit aufgesperrt haben.

Mindestens ebenso eindrucksvoll ist der vom hochberühmten Maler und Plakatgestalter Alphonse Mucha für die Schauspielerin Sarah Bernhardt entworfene Schlangenarmreif, der mittels eines Goldkettchens mit einem schlangenförmigen Fingerring verbunden ist. Die Ausführung in Gold, Email, Opalen und Diamanten oblag 1899 dem Schmuckatelier von Georges Fouquet.

Veit-Mario Thiede

Bis 26. Februar im Schmuckmuseum Pforzheim, Reuchlinhaus, Jahnstraße 42. Dienstags bis sonntags und feiertags 10 bis 17 Uhr. Informationen unter Telefon (07231) 39 21 26. Im Internet: www.schmuck­museum.­de. Eintritt: 5 Euro. Das Begleitbuch aus dem Arnoldschen Verlag kostet 49,90 Euro.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren