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14.01.12 / Identitätssuche / Autorenduo versucht die deutsche Seele zu fassen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-12 vom 14. Januar 2012

Identitätssuche
Autorenduo versucht die deutsche Seele zu fassen

„Lieber Leser, sei gewarnt!“ Mit dieser ungewöhnlichen Anrede beginnt das Vorwort zu einem ebenfalls ungewöhnlichen Buch mit dem Titel „Die deutsche Seele“, das die Schriftsteller Thea Dorn und Richard Wagner als Gemeinschaftsprojekt konzipiert und verfasst haben. Es handele sich nämlich um eine Lektüre, die nicht vor „dem Deutschen“ warnt, erläutern die Autoren, die offenbar mit reflexhaftem Widerspruch gegen ihr Buchthema gerechnet haben.

Auf den ersten Blick wirken sie wie ein ungleiches Paar: Thea Dorn wurde 1970 im hessischen Offenbach geboren und wuchs in einem teil-protestantischen „Haushalt“ auf – das Wort „Elternhaus“ findet sich nicht im Klappentext, was schon als erster Hinweis auf neudeutsche Veränderungen der Sprache und damit der Seele der Deutschen gelten mag. Der 1952 im rumänischen Banat geborene Richard Wagner verbrachte als Katholik und Angehöriger einer verfolgten Minderheit die ersten 35 Jahre seines Lebens im restriktivsten kommunistischen Staat Osteuropas. Weiter heißt es im Vorwort, beide Autoren seien besorgt, dass Deutschland sein Gedächtnis verlieren könnte, was einer Abschaffung gleichkäme. Es sei schädlich, die Debatte um die Frage „Was ist deutsch“ abzuwehren, um sie im Verborgenen weiter rumoren zu lassen. Denn wer nicht wisse, wo er herkommt, könne nicht wissen, wo er hin will.

Getrieben von Neugier und der Sehnsucht, die Kultur, in der wir leben, möglichst tief auszuloten, haben sie sich also auf die Suche nach den verschiedenen Facetten der deutschen Seele begeben, haben Geschichte, Kunst und Kultur daraufhin durchforstet. Ihre Aufsätze über 64 Begriffe, in denen das Deutsche recht deutlich zum Vorschein kommt, ergeben einen kompakten Band im Lexikonformat mit einer attraktiven Bebilderung, dessen Umschlaggestaltung mit viel goldener Farbe den Wert des Inhalts signalisiert. Die Kapitelüberschriften wie „Kulturnation“, „Kindergarten“, „Heimat“ und „Wanderlust“ kennzeichnen den jeweiligen Ansatz, mit denen Dorn und Wagner abwechselnd in klugen und informativen Exkursen einen Wissensschatz besonderer Art bieten und dabei interessante Thesen formulieren.

Eingekreist werden zentrale Fragen wie: Wen verehren und verehrten, wen bewundern die Deutschen am meisten? Wovor haben sie Angst (Stichwort „German Angst“), welche sozialen Umstände und historischen Ereignisse wirkten sich einschneidend auf die Mentalität der Deutschen aus? Die verhängnisvollen zwölf Jahre der nationalsozialistischen Diktatur haben die Autoren selbstredend in ihre Ausführungen einbezogen, wobei sie sich nach eigenen Angaben bemüht haben, kein weiteres Material zur Härtung des „Schuldpanzers“ zu liefern, hinter dem, wie sie es formulieren, sich ein Teil der Deutschen verschanzt hat. Das kann man auf zweierlei Weise lesen, und beide Lesarten sind stimmig. Weiterhin trägt die ansprechende literarische Form dazu bei (oftmals emotional durchsättigt die Texte der Dame, durchweg nüchtern-sachlich diejenigen des Herrn), dass man seine Freude an den unterhaltsamen und lehrreichen Erzählungen hat.

Doch sollte niemand erwarten, sich in einem so ungewöhnlichen Opus stets und überall wiederzufinden. Es kann nicht ausbleiben, dass individuelle Vorstellungen wach werden. Beispielsweise wären weniger weitschweifige Gedankenspiele über den „Abgrund“ (Dorn) und Tieferschürfendes über „Sehnsucht“ (Dorn) und „Mystik“ (Wagner) wohl sinnvoller gewesen. Gegen Ende des zuletzt genannten Beitrags ist zu lesen: „Die deutsche Gesellschaft hat heute keine gültige Mystik mehr aufzuweisen. Dafür importiert sie in auffallender Größenordnung die esoterischen Angebote aus aller Welt.“ Hierzu hätte man mehr als einen knappen Kommentar anführen können. Wie ein Lückenfüller wirken die Assoziationen zum Stichwort „Weihnachtsmarkt“ (Wagner). Immerhin ist die Tradition, Weihnachten zu feiern, bei uns nach wie vor fest verwurzelt, während die – wie auch immer geartete – Bedeutung der übrigen christlichen Feiertage für immer mehr Menschen weiter schwindet. Zu denken gibt Richard Wagners Anmerkung: „Die großen christlichen Kirchen haben in der Öffentlichkeit heute das gleiche Problem. Indem sie um Akzeptanz werben, büßen sie an Autorität ein, und indem sie immer mehr an Autorität einbüßen, müssen sie weiter um Akzeptanz werben“ („Reformation“). Dagmar Jestrzemski

Thea Dorn, Richard Wagner: „Die deutsche Seele“, Knaus Verlag, München 2011, geb., 560 Seiten, 26,99 Euro


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