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21.01.12 / Jetzt haben wir’s schwarz auf weiß / Die Verpflichtungen nicht erfüllt: Europarat mahnt Polen, die Minderheitencharta endlich umzusetzen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-07 vom 21. Januar 2012

Jetzt haben wir’s schwarz auf weiß
Die Verpflichtungen nicht erfüllt: Europarat mahnt Polen, die Minderheitencharta endlich umzusetzen

Der restriktive, schwer diskriminierende Umgang Polens mit seinen Minderheiten ist hinlänglich bekannt. Jahrzehntelang bestritt das kommunistische Volkspolen die Existenz nationaler Minderheiten, besonders der deutschen. Nach der politischen Wende in Osteuropa wurde offenkundig, dass ungeachtet der chauvinistischen Unterdrückungspolitik noch zahlreiche nationale Minderheiten im Land leben. Durch das polnische Minderheitengesetz von 2005 sind offiziell neun nationale und vier ethnische Minderheiten anerkannt. Das EU-Partnerland Polen ist außerdem Vertragsstaat der „Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen“.

Der Europarat hat Polen nun aufgefordert, entschieden mehr zum Schutz der nationalen Minderheiten im Lande zu tun. Es habe in den vergangenen Jahren „keinen sichtbaren Erfolg“ bei der Umsetzung der Europäischen Charta zum Schutz nationaler Minderheiten gegeben, heißt es in einem bereits im Dezember in Straßburg veröffentlichten Bericht. Der Untersuchung des Sachverständigengremiums, die bis jetzt nur in englischer Sprache vorliegt, liegen Vor-Ort-Besuche in den Siedlungsgebieten der Volksgruppen und Minderheiten sowie intensive Gespräche mit deren Vertretern zugrunde.

In diplomatisch verklausulierter Sprache werden Polen die Leviten gelesen für seinen Umgang mit Bürgern nicht-polnischer Nationalität. Der Minderheitenpolitik mit jeder Volksgruppe attestiert der Bericht mehr oder weniger schwere Mängel, die Verpflichtungen sind durch die polnischen Behörden in nahezu allen Bereichen gar nicht oder nur unzureichend umgesetzt.

Bezogen auf die deutsche Volksgruppe hat die Expertenkommission die Bereiche Bildung, öffentliche Verwaltung und Medien unter die Lupe genommen. Was sie zu sehen bekamen, lässt Polen in keinem guten Licht erscheinen: Bei drei Viertel der etwa 25 untersuchten Einzelpunkte kommen die Verfasser zum Ergebnis, dass die damit einhergehenden Verpflichtungen „nicht erfüllt“ wurden.

Polnische Zusicherungen im Bereich von deutschem muttersprachlichen Unterricht bilden ein einziges großes Desiderat: Auch entgegen den Bestimmungen des eigenen nationalen Bildungsgesetzes von 2007 gibt es in den angestammten Siedlungsgebieten der deutschen Volksgruppe weder Kindergärten/Vorschulen noch Grund- noch weiterführende Schulen, in denen Deutsch Unterrichtssprache wäre. Das Vorhandensein eines einzigen bilingualen Kindergartens in Raschau (heutige Woi-wodschaft Oppeln) wird von den Experten sogar kritisiert: Dass dieser mit bundesdeutscher Unterstützung aufgebaut wurde, entspräche ausdrücklich nicht den Vorgaben der Charta, in der sich der polnische Staat selbst verpflichtet hat, Bildungseinrichtungen für seine Minderheiten bereitzustellen. Genauso fällt das Urteil über die offenbar republikweit einzige bilinguale (deutsch-polnische) Grundschule aus, die ebenfalls mit Hilfen aus der Bundesrepublik eingerichtet wurde. Die Sachverständigen ließen sich auch nicht von dem polnischerseits gern angewandten Trick blenden, dass es ja durchaus „Deutschunterricht“ gibt: Deutsch nur mehr als Fremdsprache mit drei Wochenstunden anzubieten und mit der Methodik des Fremdsprachenunterrichts zu vermitteln sei „nicht ausreichend“.

Der Bericht des Europarates unterstreicht darüber hinaus, dass Polen Kindergärten und Grundschulen mit deutscher Unterrichtssprache unabhängig von elterlichen Anträgen zur Verfügung zu stellen hat. In diesem Zusammenhang fiel den Experten die administrative Hürde von mindestens sieben Kindern – bei weiterführenden Schulen sogar 14 –, die Unterricht in der Muttersprache wünschen müssen, negativ auf, da vertragswidrig. Zudem stelle die für ältere Kinder doppelt so hoch gesetzte Schwelle die Kontinuität des Übergangs von Grund- in weiterführende Schulen krass in Frage.

Als makabres I-Tüpfelchen kommt folgendes hinzu: „Das Expertenkomitee ist über Fälle informiert, in denen für die Minderheitensprachen reservierte Zuschüsse von den Kommunen für andere Aufgaben zweckentfremdet wurden.“

Der Bericht „ermutigt“ die polnischen Behörden dazu, Erziehung und Unterricht auf allen Stufen in Deutsch zu gewährleisten, deren Kontinuität zu wahren sowie regelmäßig zu überprüfen, wofür die Subventionen für den Unterricht verwendet werden. Aus der feinen Diplomatensprache übersetzt bedeutet das eine klare Ansage, den Verpflichtungen der Charta endlich nachzukommen.

In bezug auf das Recht, mit den Gemeindeämtern in der Muttersprache zu kommunizieren sowie überlieferte muttersprachliche Orts- und Straßennamen zu verwenden, wird Polen regelrecht „abgewatscht“. Die Europaratexperten mussten feststellen, dass es nirgendwo möglich ist, mündliche oder schriftliche Anträge an die Behörden in Deutsch zu richten – selbst in den 22 der 28 oberschlesischen Gemeinden nicht, in denen die heimatverbliebenen Deutschen 20 oder mehr Prozent der Bevölkerung stellen und Deutsch offiziell als „Hilfssprache“ anerkannt ist. „Deutsch kann weder im Kontakt mit den Landkreisen Groß Strehlitz (21 Prozent Deutsche) und Oppeln (20 Prozent) noch mit der Woiwodschaft Oppeln (14,5 Prozent) verwendet werden.“

Darüber hinaus stieß den Verfassern die 20-Prozent-Hürde sauer auf, die Polen verlangt, um Minderheitensprachen als Hilfssprache einzusetzen: Die Hürde entziehe dem Deutschen in einer erheblichen Anzahl von Gebieten, in denen die Deutschen „traditionell anwesend“ sind, konsequent den Schutz, den zu gewähren sich der polnische Staat in der Charta verpflichtet hat. Polen wird aufgefordert, diese „zu überdenken“. Lediglich in 23 der besagten 28 Gemeinden sind deutsche Ortsnamen zugelassen, nicht aber Straßen- oder Flurnamen. Und: „Weder die Landkreise Groß Strehlitz und Oppeln noch die Woiwodschaft Oppeln können ihre deutschen Namen annehmen.“

Nicht besser sieht es auf dem Gebiet der Medien aus: Keine öffentlichen und privaten Radio- und Fernsehstationen, die ausschließlich in Deutsch senden würden, keine deutsche Tageszeitung, wie verlangt. Kritisch vermerkt der Bericht, dass das „Wochenblatt“ aus Oppeln nur zur Hälfte auf Deutsch erscheint, dass Programme zu Uhrzeiten ausgestrahlt werden, an denen viele Deutsche sie nicht hören können, dass die Reichweite der Sender nicht alle deutschen Siedlungsgebiete abdeckt. Zweisprachige Programme einmal wöchentlich für 25 Minuten anzubieten, wie beispielsweise die Sendung „Nasz Heimat“ von Radio Oppeln, wird klar als nicht ausreichend bewertet.

Die bundesdeutsche Presse hat den Untersuchungsbericht des Europarats bislang noch nicht thematisiert. Einzige bisher bekannte Reaktion aus Polen ist die des Minderheitenbeauftragten der Woi­wodschaft Oppeln, Marek Mazurkiewicz. Der bezweifelte im Interview mit Radio Oppeln die Neutralität und Richtigkeit der Berichtsergebnisse. Christian Rudolf


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