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21.01.12 / Nicht überall herrscht Krise / Erklärungsversuche, warum einige Unternehmen auch weiter erfolgreich arbeiten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-07 vom 21. Januar 2012

Nicht überall herrscht Krise
Erklärungsversuche, warum einige Unternehmen auch weiter erfolgreich arbeiten

Die gute Nachricht: Trotz allen Krisengeredes gibt es in Deutschland viele erfolgreiche Unternehmen, die glänzende Zukunftsaussichten besitzen. Die Unternehmensberatung „Accenture“ veröffentlichte jetzt die Liste der „Top 500 Unternehmen“, die von 2004 bis 2010 stark in Umsatz und Gewinn zulegen konnten.

Darunter sind, wenn auch nicht immer auf den vorderen Plätzen, klassische Unternehmen wie die Maschinenbauer oder Autohersteller zu finden. Der Chemiegigant Merck liegt mit einer Gewinnmarge von 16 Prozent auf Platz zwei der 500 besten Unternehmen, die seit 80 bis 100 Jahren einen exzellenten Ruf besitzen. Aber auch Firmen mit einer kürzeren Unternehmensgeschichte wie der Weltmarktführer für Dialyse-Geräte „Fresenius Medical Care“, der Sportartikelhersteller „Puma“, oder die Modemarke „Hugo Boss“ sind auf oberen Plätzen der Liste zu finden, die in Zeiten der Wirtschaftskrise Gewinn- und Umsatzsteigerungen verzeichnen konnten.

Auf mittelfristige und längere Sicht sind diese wirtschaftlichen Kennzahlen, von Kritikern gerne als „Profitgier“ oder „ungehemmtes Wachstum“ gebrandmarkt, nach relativ übereinstimmender Sicht der Wirtschaftswissenschaftler gut für alle Beteiligten, und zwar für Manager und Mitarbeiter sowie Börsianer gleichermaßen. Unternehmen, die etwa nur den Umsatz steigern und dabei Verluste machen, können bei auftretenden Turbulenzen an den Märkten oft genug nicht mehr bestehen.

Ein besonderes Beispiel für ein erfolgreiches Unternehmen ist die Münchener „Linde AG“, der Weltmarktführer für die Herstellung von Industriegasen. Die Firma suchte in den letzten Jahren konsequent neue Wachstumschancen beispielsweise in den Schwellenländern und durch Übernahme von Konkurrenten. Von 2005 bis 2010 stieg der jährliche Umsatz um 6,2 Prozent und die Gewinnmarge lag bei durchschnittlich 9,1 Prozent, womit Linde den achten Platz der Top-500-Liste belegt.

Den Startschuss zu dieser Erfolgsgeschichte gab vor 130 Jahren der geniale Erfinder und Ingenieur Carl von Linde (1842–1934). Er installierte 1871 in der Münchener Spaten-Brauerei versuchsweise eine erste Kältemaschine. 1879 begann Linde mit der Produktion von Eismaschinen in einer eigenen Firma. Ab 1891 entwickelte er an der Technischen Universität München das nach ihm benannte „Linde-Verfahren“ zur Zerlegung von Luft. Im Jahr 1903 nahm er die erste industrielle Luftzerlegungsanlage in Betrieb, die ab 1904 in den „Güldner-Motorenwerken“ in München industriell hergestellt wurde. Das Unternehmen ging durch zwei Währungsreformen, zwei Weltkriege und konnte sich den wandelnden Zeiten jeweils erfolgreich anpassen. Die Gassparte der Linde Group erzielt heute mit neun Milliarden Euro rund 70 Prozent des Gesamtumsatzes.

Seit 2004 wird das Unternehmen von dem ehemaligen BMW-Manager Wolfgang Reitzle geführt, der besonders für den Aufbau einer „intakten Führungsstruktur“ des Unternehmens von „Accenture“-Manager Michael Brückner gelobt wird. Im Jahr 2006 sorgte der Linde-Chef mit der Nachricht für bundesweites Aufsehen, in Deutschland ein komplettes Wasserstofftankstellen-Netz aufbauen zu wollen. Sollten tatsächlich einmal Autos in großem Stil diesen Brennstoff benützen, wäre das für die Linde AG ein gewaltiger Sprung nach vorne. Auch in andere Zukunftsbereiche will die Firma vorstoßen, so in die Lebensmittelindustrie (Kühlen und Frosten von Lebensmitteln), in die Medizin (Endoskopie und Beatmung) oder in die Metallurgie (Herstellung von Metallen unter Einsatz von Gasen).

Was aber unterscheidet Unternehmen, die in der Top-500-Liste aufsteigen, von solchen, die absteigen? Unter den Absteigern sind auch bekannte Namen wie Siemens, Trumpf oder SMS Group, ein führender Anlagen- und Maschinenhersteller. Sie mussten der Rezession 2009/10 Tribute zollen. Es sind im Wesentlichen vier Kriterien, die die „Accenture“-Manager nennen.

An erster Stelle ist das Management entscheidend, das die zunehmenden Risiken eines schwankenden Weltmarktes erkennen und die richtigen Mitarbeiter einstellen muss. Zweitens gilt für die zukunftsträchtigen Firmen, dass sie neue Chancen wie etwa den wachsenden Gesundheitsmarkt erkennen oder auch generell das Internet aktiv nutzen müssen. Drittens dürfen die Unternehmen nicht beim Geld für Forschung und Entwick-lung sparen, denn besonders wichtig sei es, gezielt die Kundenwünsche in die Innovationen einfließen zu lassen. Viertens hält „Accenture“ eine „Diversifizierung“ in der Mitarbeiterschaft internationaler Unternehmen für unverzichtbar, womit die Integration von Mitarbeitern aus anderen Kulturkreisen in die Führungsebene gemeint ist.

Auf gutem Pfad ist in dieser Hinsicht Europas führender Hersteller für Firmensoftware SAP, der in allen vier Feldern aktiv ist. Das Risikomanagement loben die Unternehmensberater auch besonders bei der Deutschen Lufthansa, dem Handelskonzern Metro und dem Landwirtschaftsmaschinenhersteller Claas.

Ob und wie allerdings die genannten Unternehmen in Zukunft bestehen werden, ist mit den vier Erfolgskriterien von Accenture noch lange nicht gesagt. Beispielsweise geht die Entwicklung der Elektromobilität oder die der mit Wasserstoff betriebenen Autos lange nicht so schnell voran wie von einigen Optimisten und Politikern gedacht. Auch die Integration ausländischer Führungskräfte in der Unternehmensspitze ist in der Theorie leichter gefordert als in der Praxis umgesetzt. Im Praxis-test erweisen sich die Führungskultur und das Wissen deutscher Manager, die als ursächlich für den Erfolg vieler Unternehmen gelten, als nicht so einfach mit südeuropäischen, afrikanischen oder asiatischen Managern kombinierbar. Hinrich E. Bues


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