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21.01.12 / Kategorie des Staunenswerten / »Wunder – Kunst, Wissenschaft und Religion vom 4. Jahrhundert bis zur Gegenwart« in den Hamburger Deichtorhallen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-07 vom 21. Januar 2012

Kategorie des Staunenswerten
»Wunder – Kunst, Wissenschaft und Religion vom 4. Jahrhundert bis zur Gegenwart« in den Hamburger Deichtorhallen

Man stelle einer größeren Gruppe von Menschen die Frage, was für sie persönlich ein Wunder ist, und man wird einen bunten Strauß unterschiedlicher Antworten erhalten. Einige Personen werden ohne zu zögern die Auskunft geben, dass es für sie keine Wunder gibt, und nicht wenige werden erst einmal nachdenken, bevor sie eine für sich gültige Antwort finden.

So geschehen in der sehr gut besuchten Ausstellung „Wunder“ der Deichtorhallen Hamburg und der Siemens Stiftung. Präsentiert werden dort seit dem 14. November vergangenen Jahres verschiedenartige Objekte aus Kunst, Wissenschaft und Alltag, einzeln, in Form einer Objektgruppe oder von Variationen zu einem Thema. Überwiegend handelt es sich um von Menschenhand gefertigte Gegenstände aus der Zeit vom 4. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Aber auch ein Meteorit aus Namibia und Tiefseefische in Formaldehyd gehören in diesen Rahmen. Sie sind einerseits Zeichen für die Naturwunder und das Unerklärliche, zum anderen verweisen sie auf die sagenhaften Wunderkammern der Frühen Neuzeit.

Mit dem Begriff Wunder lässt sich großartig spielen. Hier wurde der Bogen sehr weit gespannt. Ein zentraler Bereich sind wissenschaftlich-technische Innovationen und religiöse Wunder im Abendland, hier sichtbar gemacht durch spirituelle Erfahrungen von Pilgern, welche der Besucher auf Videoinstallationen beobachten kann. Auch Votivbilder vergangener Jahrhunderte gehören zu diesen Zeugnissen. Mitunter wurde das Fremde, die Sichtweisen anderer Kulturen, neben die Kulturäußerungen des Westens gestellt, wobei nicht unbedingt eine Beziehung erkennbar ist, wie es der Ausstellungshandzettel bekundet.

Man solle beim Wunder nicht immer nur fragen: Gibt es das oder gibt es das nicht? erklärt Daniel Tyradellis, einer der drei Kuratoren. Sondern man möge doch zulassen, dass Wunder auch im Unerwarteten und Überraschenden bestehen können, und schließt damit die Kategorie des Staunenswerten ein. Gerade hier­in liegt der Reiz der Ausstellung und auch darin, dass spannende Fragen aufgeworfen werden, etwa, woher eine neue Idee stammt und warum sie sich in einem bestimmten Augenblick einstellt.

Zu den Höhepunkten der Ausstellung gehören die trick­reichen Spiele des „Zauberkastens“, den Goethe seinen Enkeln 1830 schenkte, sowie das Prager Szepter der Humboldt-Universität Berlin vom Ende des 14. Jahrhunderts. Überraschend viele Werke der Gegenwartskunst wurden zusammengetragen, da es ein Anliegen der Aussteller war, auf diese oft stark verklausulierten Kunstäußerungen aufmerksam zu machen. In ihnen offenbart sich häufig ein Ausdruck der Sehnsucht nach Sinnstiftung oder nach dem Wunderbaren, das man nicht sehen und nicht in Worte fassen kann. Entdeckungen wie das 1856 patentierte Hartgummi mit seiner vielseitigen kommerziellen Verwendungsmöglichkeit wurden anfangs vermutlich als eine an ein Wunder grenzende Errungenschaft angesehen. Bis das Staunen allmählich abebbte und die Gesellschaft sich an immer neue, verblüffende Erfindungen und Anwendungen gewöhnte. In der Zeit der multimedialen Netzwerke zur Kommunikation stellt sich die Frage nach dem Wunder und dem Wunderbaren offensichtlich nicht mehr für alle Menschen.

Diese Schau dürfte einige bleibende Eindrücke bei den Besuchern hinterlassen; sie hat sogar das Potenzial, „Spätzündern“ im Nachhinein doch noch zu ihrem Wunder-Erlebnis zu verhelfen. Für Schulklassen und Lehrer ist sie speziell zu empfehlen. Kinder werden auf einer besonderen Spur zu Videoinstallationen geleitet. Dagmar Jestrzemski

Bis 5. Februar in den Deichtorhallen Hamburg, Deichtorstraße 1−2, 20095 Hamburg. Dienstags bis sonntags 11 bis 18 Uhr, jeden 1. Donnerstag im Monat 11 bis 21 Uhr. Öffentliche Führungen finden jeden Sonnabend und Sonntag um 16 Uhr statt sowie am langen Donnerstag um 19 Uhr. Eintritt 9 / 6 Euro.

Informationen unter Telefon (040) 32103-0. Internet: http://www.wunder-ausstellung.de Der Katalog zur Ausstellung mit Essays und 260 Abbildungen kostet 24,80 Euro.


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