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28.01.12 / Im Boxstudio kennengelernt / Biografie über die umstrittenen Filmlegenden Marlene Dietrich und Leni Riefenstahl

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-12 vom 28. Januar 2012

Im Boxstudio kennengelernt
Biografie über die umstrittenen Filmlegenden Marlene Dietrich und Leni Riefenstahl

Sie waren beide waschechte Berlinerinnen, stammten aus kleinbürgerlichen Verhältnissen und wurden Weltstars. Marlene Dietrich und Leni Riefenstahl verkörperten einen modernen Frauentyp, die eine glamourös-verführerisch, die andere eher altmodisch-mädchenhaft. Ihre Lebenswege können nicht unterschiedlicher sein: Während Dietrich eine entschiedene Nazigegnerin war und Karriere in Amerika machte, wurde Riefenstahl zur wichtigsten Kulturbotschafterin des NS-Regimes. Die Politikwissenschaftlerin Karin Wieland stellt die zwei Filmlegenden in der spannenden Doppelbiografie

„Dietrich & Riefenstahl. Der Traum von der neuen Frau“ gegenüber.

Marlene war die Tochter eines Polizisten, Lenis Vater war Handwerkermeister. Ihre Kindheit und Jugend verbrachten sie im Schatten des Ersten Weltkrieges sowie in der von politischen Unruhen und Hyperinflation gebeutelten Weimarer Republik. Beide Frauen mussten sich gegen den Widerstand ihrer Familien ihre Künstlerlaufbahn erkämpfen. Marlene träumte davon, Konzertgeigerin zu werden, Leni wollte als Tänzerin arbeiten. „Beide sind Dilettantinnen gewesen“, so die Autorin. „Es gibt keine Ausbildung, das war die Situation in diesem Deutschland. Man konnte sich einfach wie die Riefenstahl auf die Bühne stellen und sagen: ,Ich bin jetzt Ausdruckstänzerin, ich bin Künstlerin.“ In ihrem ersten großen Kinofilm „Der heilige Berg“ von 1926 tanzte Leni Riefenstahl denn eher ausdrucksstark als virtuos. „Bei der Dietrich war es auch so“, vergleicht Wieland. „Sie hat gewusst, dass sie eine mittelmäßige Schauspielerin ist, aber sie ist ihrer Talentlosigkeit mit äußerster Ausdauer und Ehrgeiz begegnet.“

Zunächst spielte Dietrich in Filmen mit, bei denen es weniger um ihr schauspielerisches Talent als um ihr Aussehen ging und darum, dass sie singen und tanzen konnte. Ihr Kapital war ihr Körper, den sie beim Boxen trainierte – übrigens im selben Berliner Studio wie Leni Riefenstahl. Die schlanke Frau mit den ausgeprägten Wangenknochen, den hautengen Kleidern und dem lasziven Augenaufschlag trat als Revuegirl und Femme fatale auf. „Sie bot das peinliche Bild einer albernen Gans“, lautete das vernichtende Urteil des österreichisch-US-amerikanischen Regisseurs Josef von Sternberg. Er erkannte jedoch ihr Potenzial und machte sie durch den Film „Der blaue Engel“ von 1930 zum Leinwandstar.

Bei Riefenstahl blieb der große Durchbruch als Schauspielerin dagegen aus. Sie selbst hatte auf die Rolle der Lola gehofft und verwand die Bevorzugung ihrer Konkurrentin nie. Rückblickend auf eine gemeinsame Begegnung in einem Berliner Künstlerlokal Ende der 1920er Jahre bemerkte sie über Dietrich, mit der sie zeitweilig sogar im gleichen Häuserblock wohnte: „Mir fiel ihre tiefe und raue Stimme auf, die eine Spur ordinär wirkte und aufreizend war.“ Dabei lobten Kritiker Riefenstahls „bei aller fraulichen Anmut jungenhafte Courage und Gewandtheit“, die sie in Arnold Fancks bildästhetisch eindrucksvollen Bergfilmen und bei den Dreharbeiten in Schnee und Eis unter Beweis stellte. Erst die Begegnung mit Adolf Hitler gab ihrer Karriere eine Wende. Der „Führer“ äußerte sich anerkennend über ihre filmischen Werke: „Wenn wir einmal an die Macht kommen, dann müssen Sie meine Filme machen.“ Die Bewunderung beruhte auf Gegenseitigkeit: „Mir war, als ob sich die Erdoberfläche vor mir ausbreitete – wie eine Halbkugel, die sich plötzlich in der Mitte spaltet, aus der ein ungeheurer Wasserstrahl herausgeschleudert wurde, so gewaltig, dass er den Himmel berührte und die Erde erschütterte. Ich war wie gelähmt.“

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten drehte sie zahlreiche Propagandafilme von „Sieg des Glaubens“ und „Triumph des Willens“ über die Reichsparteitage der NSDAP in Nürnberg über „Tag der Freiheit! – Unsere Wehrmacht“ bis hin zu ihrem berühmten zweiteiligen Dokumentarfilm „Olympia“ über die in Berlin ausgetragenen Spiele 1936. Mit „Olympia“ brach Riefenstahl auch nach Hollywood auf, „denn auf Dauer hat ihr dieses nationalsozialistische Deutschland nicht gereicht, sie wollte mehr“, schreibt Wieland. Skrupellos ging Riefenstahl im Filmgeschäft über Leichen, hatte zahlreiche Affären, was ihr den Spitznamen „Reichsgletscherspalte“ einbrachte. Während einer Reportage über Hitlers Polenfeldzug geriet sie etwa in eine Schießerei, die mit 30 Toten endete, darunter jüdische Zivilisten. In ihrem letzten NS-Film „Tiefland“ wirkten Sinti und Roma mit, von denen viele später in Auschwitz umkamen. Bis zuletzt leugnete die Regisseurin die Deportation.

Marlene Dietrich weigerte sich dagegen, die NS-Propaganda zu unterstützen. Ihr war Hitler unheimlich: „Die Stimme machte mir Angst, was er sagte, war mir zuwider, und ich wusste, dass er die Juden umbringen ließ, bloß weil sie Juden waren. Das reicht, um Hitler zu hassen und Deutschland abzulehnen.“ Anfang der 1930er Jahre emigrierte sie mit Sternberg in die USA. Mit Filmen wie „Marokko“, für den sie als beste Hauptdarstellerin an der Seite von Gary Cooper eine Oscar-Nominierung erhielt, „Shanghai Express“ und „Der große Bluff“ etablierte sie sich als erster deutscher Filmstar in Hollywood. Ein hoch dotiertes Filmangebot Goebbels in Deutschland schlug sie aus. Dennoch plagte die Schauspielerin schweres Heimweh: „Bin sehr unglücklich, sehne mich sehr … Küsse Ewig Deine Dich anbetende Mutti“, schrieb die Diva 1933 an ihren Ehemann Rudolf Sieber und ihre Tochter Maria. Trotz ihrer Affären hielt sie an ihrer Familie als Konstante in ihrem rastlosen Leben zwischen den Kontinenten fest.

1939 nahm sie die US-amerikanische Staatsbürgerschaft an und engagierte sich während des Zweiten Weltkriegs bei der US-Truppenbetreuung, indem sie für die amerikanischen Soldaten sang und Verwundete in Lazaretten besuchte. Von ihrem Wohnsitz in Paris aus unterstützte sie Flüchtlinge aus Deutschland und emigrierte Künstler. Während die USA und Frankreich Marlene Dietrich für ihr politisches und soziales Engagement mehrfach auszeichneten, galt sie in Deutschland noch lange nach dem Krieg als „Verräterin“. Sie starb 1992 zurückgezogen in Paris.

Leni Riefenstahl erfand sich in den 1960er Jahren als Fotografin neu. Aufgrund ihrer Funktion im Dritten Reich boykottierte Deutschland für Jahrzehnte die Werke der Regisseurin. Sie selbst zeigte bis zuletzt keine Reue: „Ich habe nie begriffen, warum man mich hier in Deutschland so angegriffen und gemieden hat, also genau das Gegenteil von dem getan hat, was dieselben Leute vor Ende des Krieges an Positivem über mich verbreitet haben.“ Im Ausland bekam sie dagegen wieder eine Chance. Ihre Bildberichte über das Leben und Leiden der Nuba im südlichen Sudan sorgten international für großes Aufsehen. Für ihre Unterwasserfotografien ging Riefenstahl sogar noch als 94-jährige im Pazifik auf Tauchgang. Anlässlich ihres 100. Geburtstages rückte die Regisseurin ein letztes Mal ins Zentrum medialer Aufmerksamkeit, bevor sie knapp ein Jahr später starb.

Eindrucksvoll hat Wieland in ihrem Buch eine Fülle von Materialien zusammengetragen. Sie zitiert Tagebücher, Briefe, Biographien, Autobiografien, Bestände aus der Marlene Dietrich Collection, Film- und Theaterkritiken bis hin zu zeitgenössischen sowie rückblickende Erinnerungen. Leider merkt man der Autorin die ungleiche Quellenbasis an. Während sie aus dem Nachlass Dietrichs intimste Details schröpft und keinen Hehl aus ihrer Sympathie für die blonde Diva macht, bleibt ihr als Vermächtnis Riefenstahls nur deren stark fiktionalisierte Autobiografie. Sophia E. Gerber

Karin Wieland: „Dietrich & Riefenstahl. Der Traum von der neuen Frau“, Hanser Verlag, München 2011, 632 Seiten, 29,70 Euro


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