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04.02.12 / In den Fußstapfen von Friedrich dem Großen / Bankier legt Grundstein für das dauerhafte Überleben der angeschlagenen Königlichen Porzellan-Manufaktur

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-12 vom 04. Februar 2012

In den Fußstapfen von Friedrich dem Großen
Bankier legt Grundstein für das dauerhafte Überleben der angeschlagenen Königlichen Porzellan-Manufaktur

Auch wenn es auf den ersten Blick nicht ganz schlüssig erscheint, warum man im Friedrich-Jahr auch einen Blick auf den Berliner Bankier Jörg Woltmann werfen sollte, so zeigt sich auf den zweiten doch, was den 1712 geborenen preußischen König Friedrich II. und den 1947 geborenen Berliner Bankkaufmann eint: Beide haben sie die Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin (KPM) vor dem Ruin gerettet.

Dass Friedrich der Große 1763 das Unternehmen von dem mit ihm befreundeten, in Westpreußen geborenen Johann Ernst Gotzkowsky übernahm, war wenig überraschend. Der König hatte den umtriebigen Kaufmann dazu animiert, eine Porzellan-Manufaktur in Berlin zu etablieren. Als der auch im Osteuropa-Geschäft sehr aktive, wohl auch etwas spekulativ arbeitende Gotzkowsky im Zuge des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) in finanzielle Probleme geriet, kaufte ihm der Preußen-König die Porzellanfabrik für 225000 Reichsthaler ab, was etwa zweieinhalb Millionen Euro entsprechen dürfte. Friedrich II. gab der Manufaktur in der Prinz-Albrecht-Straße ihren heutigen Namen und führte das Zepter des kurbrandenburgischen Wappens als Markenzeichen ein – als Gegenpol zu den Meißner Kurschwertern. Mehr oder weniger freiwillig hatte man schon den einen oder anderen Fachmann aus Meißen abwerben können: Da die Stadt im Siebenjährigen Krieg von preußischen Truppen besetzt war, konnte man von Berlin aus einigen Druck ausüben.

Fortan entwickelte der Monarch selbst auch eigene Pläne, wie man das „weiße Gold“ in Szene setzen könnte. So äußerte Friedrich II. beispielsweise 1783 den Wunsch nach einen Tafelservice mit mythologischen Szenen nach Ovid. Zur Inspiration stellte er den Porzellanmalern eine zeitgenössische französische Ausgabe der Metamor-phosen aus seiner persönlichen Bibliothek zur Verfügung. KPM hat 2011 Teile des Service aufgelegt und somit kann man heute wieder ein von Friedrich dem Großen höchstselbst inspiriertes Kaffeeservice erwerben.

Aber auch zahlreiche Vasen und andere Stücke aus Porzellan, die der König einst orderte, sind heute noch zu kaufen. Das liegt auch daran, dass Friedrich II. sein 1763 erworbenes Unternehmen vor allem dadurch florieren ließ, dass er selbst einer der besten Kunden war. Bis zu seinem Tode 1786 nahm er Waren im Wert von zwei Millionen Taler ab. Und so weckte er auch beim Adel und gehobenen Bürgertum den Wunsch, sich jenes Porzellan in die Schlösser und Villen zu stellen, das auch ihr Staatsoberhaupt besaß. Zudem nutze der König auch seine Position, um über Zölle KPM eine quasi Monopolstellung in den preußischen Landen zu bescheren.

Die Möglichkeit hat Jörg Woltmann wohl zu seinem Bedauern nicht. Auch ist es heute nicht mehr ein Zeichen von Wohlstand, sich ein teures Service zu leisten. Heutzutage haben Mercedes, Porsche und Reisen auf die Malediven Porzellan auf der Liste der Begehrlichkeiten der Schönen und Reichen, aber auch der gehobenen Mittelschicht, abgelöst. Wie auch Meißen versucht KPM eine Möglichkeit zu finden, den Kunden der Gegenwart für seine Produkte zu begeistern.

Während Meißen nach wie vor ein Staatsbetrieb ist, allerdings seit einiger Zeit von einem ehemaligen Unternehmensberater geführt wird, ist KPM seit 2006 in der Hand von Jörg Woltmann. Wobei der Grundstein für seine Beziehung zu KPM bereits 1905 gelegt wurde. Damals erwarben seine Großeltern ein Service des Traditionsunternehmens, das wohlbehütet sogar zwei Kriege überstand.

1918, nach Ende des Ersten Weltkrieges und auch der Monarchie, gehörte KPM nicht mehr dem preußischen König, sprich ab 1871 deutschen Kaiser, sondern ging als Staatliche Porzellan-Manufaktur in den Besitz des Landes Berlin über. Zwar wurde in der Zwischenkriegszeit Porzellan nicht mehr vom Monarchen anderen Herrscherhäusern als Geschenk gemacht, dafür entdeckte das gehobene Bürgertum Porzellan immer mehr als Wertanlage. Der Erwerb eines teuren Service, das man seinen Kindern hinterlassen würde, die es wiederum ihren Kindern vermachen würden, wurde in breiteren Schichten immer beliebter. Mit dem 1931 von Trude Petri gestalteten Service Urbino schuf KPM zudem eine weitere Produktlinie, die dem Zeitgeschmack entsprach.

1943 wurde die Manufaktur im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, doch nach dem Krieg ging es irgendwie weiter. Offenbar lief das Geschäft jedoch immer schleppender. Da half es auch nicht, dass das Land Berlin 1988 dem nun als GmbH geführten Unternehmen seinen alten Namen wiedergab. KPM drohte zum Jahrtausendwechsel dann endgültig die Schließung. Drei Investoren boten dem Land an, KPM zu übernehmen. Franz Wilhelm von Preußen, 1943 geborener Urenkel von Kaiser Wilhelm II., erhielt dann, finanziell unter anderem von Jörg Woltmann, dem Chef der Allgemeinen Beamtenkasse, unterstützt, den Zuschlag. Doch interne Querelen unter den Investoren ließen erneut Insolvenzgerüchte die Runde machen. Erst als sich Woltmann 2006 entschied, KPM für elf Millionen Euro allein zu übernehmen, nachdem er den Mitarbeitern und dem Land Berlin einige Zugeständnisse abgerungen hatte, kam KPM aus den Negativschlagzeilen heraus.

„Ich wollte nicht zulassen, dass dieses Unternehmen nicht mehr existiert“, erklärte Woltmann damals seinen Einsatz für das älteste produzierende Unternehmen in Berlin, das in den zwölf Jahren vor seiner Übernahme neun Geschäftsführer verschlissen hatte. Schon als Kind durfte er von den Tellern des von seinen Großeltern erworbenen Service essen. KPM war für ihn ein Kulturgut, das nicht sterben durfte.

Und derzeit sieht es so aus, als würde KPM nach zahlreichen Investitionen in die Manufaktur an der S-Bahnstation Berlin-Tiergarten, den angegliederten Präsentationsräumen mit neuem Café, mehreren neuen, repräsentativen Verkaufsstellen langsam in die Nähe der schwarzen Null kommen. Vormittags, meist schon vor acht Uhr, ist Woltmann in seinem Büro bei KPM und führt das Unternehmen mit seinen 170 Mitarbeitern, von denen 130 in der Herstellung arbeiten und der Rest im Verkauf sowie in der Verwaltung tätig ist. Nachmittags geht Woltmann dann in seine Bank, wo er weitere 85 Mitarbeiter beschäftigt. An die neun Millionen Euro beträgt der Umsatz von KPM. Eine neue Produktpalette, die jüngere Käuferschichten ansprechen könnte, ist angedacht. Zwar ist Woltmanns 1985 geborene Tochter auch im Unternehmen tätig, doch obwohl sie Design studiert hat, ist sie derzeit in der Veranstaltungsorganisation aktiv. Ob KPM, die sich bisher auf die Produktlinien der wenn auch überwiegend glorreichen Vergangenheit verlässt, am für Porzellan engen Markt der Gegenwart überlebt, werden vermutlich die nächsten Jahre zeigen. Denn auch der 65-jährige Mäzen Woltmann wird sich nicht ewig ein Unternehmen leisten können, das ihn nur Zeit und Geld kostet. Doch vielleicht bringt das Friedrich-Jahr 2012 ja bereits die Wende. Schon jetzt beschert es dem von Namensgeber Friedrich dem Großen geretteten Unternehmen Aufmerksamkeit und in der Folge vielleicht den einen oder anderen Preußen-begeisterten Neukunden. Rebecca Bellano


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