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11.02.12 / Nur scheinbare Ruhe / Saudi-Arabien: Wachsende Unrast der schiitischen Minderheit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-12 vom 11. Februar 2012

Nur scheinbare Ruhe
Saudi-Arabien: Wachsende Unrast der schiitischen Minderheit

Der „arabische Frühling“, der eigentlich im Winter ausbrach, schien im erzkonservativen Saudi-Arabien bald wieder eingeschlafen zu sein – teils wegen des Polizei- und Spitzelapparats, teils weil man mit Geldgeschenken den Untertanen manche Bitternis versüßen kann. Unter den Schiiten kam es allerdings ab Februar 2011 zu Demonstrationen mit Forderungen nach Freilassung von Gefangenen und einem Ende von Diskriminierungen. Die Schiiten machen zwar nur zehn bis 15 Prozent der Bevölkerung von etwa 29 Millionen aus (davon acht Millionen weitgehend rechtlose Gastarbeiter), sie leben aber vor allem in der Erdölregion – in der Nähe des Iran und als Nachbarn von Bahrein, wo die Schiiten – dort mit 70 Prozent sogar die Mehrheit – ebenfalls von einem sunnitischen Königshaus unterdrückt werden.

Der 88-jährige König Abdullah ibn Abd el-Asis ist wie sein Bruder und Thronfolger Naif noch ein Sohn des legendären Abd el-Asis ibn Saud. Abdullah, der de facto seit 1995 regiert – nach dem Schlaganfall von König Fahd zunächst als Thronfolger und seit 2005 als König – zeigt zwar gewisse Neigungen zu „Reformen“, aber die dürften wenn überhaupt erst von der nächsten Generation kommen.

Im Oktober gab es in der Ostprovinz einen Überfall auf eine Polizeistation, was von den Behörden als Werk ausländischer „Agenten“ dargestellt wird, von den Schiiten aber als lokaler Konflikt. Es gab Verletzte auf beiden Seiten, und in der ganzen Region gilt seither eine Art Ausnahmezustand. Im November wurde ein Schiit an einer Straßensperre erschossen, und als bei dessen Begräbnis ein weiterer getötet wurde, kam es in der Stadt Katif zu einem Protestmarsch mit 100000 Teilnehmern. Versprochene Untersuchungen über die Todesfälle verliefen im Sande, Schiiten wurden zur Fahndung ausgeschrieben und einige davon verhaftet. Junge Schiiten haben längst das Vertrauern zu den Geistlichen verloren, die bisher vergeblich suchten, Diskriminierungen durch Verhandlungen mit der Regierung zu mildern. Die schon 2009 erhobene Forderung nach Sezession der Ostprovinz hängt im Raum.

Schiiten werden von vielen Saudis nicht einmal als Muslime angesehen. Umgekehrt sehen sich Schiiten allgemein bei Verfolgung erst recht in ihrem Glauben bestärkt, denn der Märtyrertod des Prophetenenkels Hussein in der Schlacht von Kerbala 680 ist ein Kernelement ihrer Riten und Lehren. Doch westliche Heuchelei bezüglich Demokratie und Menschenrechten ist am Golf besonders deutlich: Im Iran gibt es Parteien und – wenn auch nicht einwandfreie – Wahlen, und für Christen, Juden und Zoroastrier sind religiöse Zeremonien privat und in ihren Kultstätten erlaubt. In Saudi-Arabien gibt es nichts davon. Und dass saudische Truppen 2009 im Jemen und 2011 in Bahrein gewaltsam gegen dortige Schiiten eingriffen, bleibt ebenso unterbelichtet wie die massive Unterstützung für militante Islamisten weltweit. R. G. Kerschhofer


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