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11.02.12 / Erkaltete Leidenschaft / Begeisterung in Osteuropa über den eigenen EU-Beitritt flaut ab – Milliarden einkassiert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-12 vom 11. Februar 2012

Erkaltete Leidenschaft
Begeisterung in Osteuropa über den eigenen EU-Beitritt flaut ab – Milliarden einkassiert

Am 1. Januar 2007 traten Rumänien und Bulgarien der EU bei, und das halbe Jahrzehnt seither war für beide eine finanzielle Erfolgsstory: Fast 20 Milliarden Euro bekam Rumänien, 6,7 Milliarden Bulgarien, weitere Milliarden für die Landwirtschaft beider, eine neue Donaubrücke, Erweiterung der U-Bahn in Sofia, Hunderte Kilometer Fernstraßen. Das beeindruckt, wirkt aber nicht: Rumänien hatte 2011 mit acht Prozent die höchste Inflation der EU. Laut EU-Kommission sind im EU-Durchschnitt 17 Prozent der Bürger arm, aber 55,5 Prozent der Bulgaren und 49 der Rumänen. Umfragen ergaben Ende 2011, dass „Bulgaren sich von allen EU-Bürgern am unglücklichsten fühlen“, was sie der EU nicht anlasten: Seit Jahren bekunden Bulgaren eine positive Einstellung zur EU, Rumänen auch. Hier wirken alte Beziehungen nach, wie sie Rumänien seit 1974 zu Brüssel unterhielt, als es wegen seiner Kritik an Moskau im Westen hochangesehen war.

Die wirkliche Annäherung an die EU erfolgte erst nach dem Zusammenbruch des Kommunismus – Mitte der 1990er Jahre für Ost-, nach 2000 für Südosteuropa – und hatte am 1. Mai 2004 einen festlichen Höhepunkt, als zehn neue Mitglieder der EU beitraten, darunter Polen, Tschechien, die Slowakei, die Baltenstaaten, Ungarn und Slowenien. 2007 folgten Rumänien und Bulgarien.

Alle EU-Neulinge erlebten zuerst, was der Westen „Oil-Baron-Syndrom“ nannte: Nach Jahrzehnten kommunistischer Mangelwirtschaft verdoppelte und verdreifachte sich der Import, marode Straßen und Bauernhöfe gesundeten dank Brüsseler Milliarden, neue Technologien verhalfen zu industriellem Aufschwung, fallende Grenzen sicherten Studien- und Arbeitsplätze im Ausland. Polen, das in den ersten fünf Jahren EU-Zugehörigkeit 29,5 Milliarden von der EU bekam (und nur 13,4 Milliarden zahlte), war besonders akribisch mit Abwägung von „Plusy i minusy“ des Beitritts, kam zu positiven Urteilen und lachte über frühere Ängste wie „Wir müssen EU-Befehlen gehorchen“, „Ausländer kaufen unser Land auf“, „Wir verlieren unsere Souveränität und unsere Traditionen“. Heute fürchtet man nur ein „Europa der zwei Geschwindigkeiten“.

Gegner hat die EU im Osten nie gehabt, aber mit jedem Jahr büßt sie „Fans“ ein. Beitrittsreferenden brachten stets hohe Zustimmung bei miserabler Beteiligung: Polen 2003 59 Prozent, Tschechien 2003 55, Kroatien 2012 44. Der Budapester Politologe Attila Agh erkennt „Ernüchterung über die EU“ und „Enttäuschung über das eigene Land“. Die EU verdient jedes Vertrauen, aber das Land scheint nicht EU-tauglich zu sein. Oder hat die EU versagt? Laut Umfragen von 2011 gilt sie bei den meisten Bürgern als ineffizient und bürokratisch.

Der Berliner Politologe Dusan Reljic bedauert, dass in diese EU nur noch kommt, wer dort „gute Freunde“ hat, etwa Kroatien ungeachtet seiner Auslandsschulden von 47,5 Milliarden Euro, Defiziten in Justiz und bei den Menschenrechten. Und wer drin ist, hat wenig zu befürchten, wie Brüssels hilfloses Taktieren mit Ungarn und Griechenland zeigt, auch wenn der slowakische Finanzminister Ivan Miklos den Hinauswurf von „Problem-Ländern“ fordert.

Das tut Brüssel nicht, aber Ärger mit Mitgliedern erhöht offenkundig die Barrieren für Beitrittskandidaten wie Serbien, das erst das „unabhängige“ Kosovo anerkennen soll. Das haben nicht einmal alle EU-Staaten getan, Serbien wird es auch nicht tun, aber die erpresserische EU mit Nichtachtung strafen: Im Dezember 2010 waren 57 Prozent der Serben für den EU-Beitritt, im Januar 2012 nur noch 51.

Im Frühjahr 2001 bekam Makedonien das erste EU-Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen auf dem West-Balkan und wartet seither vergeblich auf den Beginn der Beitrittsverhandlungen. Das verhindert Griechenland, auch den längst fälligen Nato-Beitritt, weil es Makedonien seinen Staatsnamen streitig macht und deshalb vor wenigen Wochen einen Prozess vor dem Internationalen Gerichtshof verlor. Trotzdem: 90 Prozent aller Makedonen waren 2005 für den EU-Beitritt, 80 Prozent waren es im Juli 2010, aber 82 Prozent sind mittlerweile gegen die EU, sollte diese an ihrer Erpressung „Beitritt oder Staatsname“ festhalten.

Auch andere zeigen die Würde, die der EU langsam abgeht. Im Oktober 2005 versicherte José Barroso der Ukraine, ihre Zukunft läge in der EU, im selben Jahr ordnete ein EU-Dekret an, dass erst die Balkanländer „dran“ seien, danach die Ukraine, Weißrussland und Georgien. Im Dezember 2008 besagten Umfragen, dass nur 45 Prozent der Ukrainer für den EU-Beitritt seien. Heute kommen selbst EU-Länder wie Polen ins Grübeln: Wer sind unsere Partner, wenn Frankreich und Deutschland Europa dirigieren? Wolf Oschlies


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