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11.02.12 / Typisch USA

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-12 vom 11. Februar 2012

US-Vorwahlkampf:
Typisch USA
von Hinrich E. Bues

Den US-Amerikanern wirft man gerne vor, sie würden die Kultur und Eigenarten anderer Völker oft genug nicht verstehen. Das ist wohl wahr. Aber umgekehrt wird ebenfalls ein Schuh daraus. Europäer verstehen oft genug nicht, wie US-Bürger „ticken“. Wer die Berichterstattung über den US-Vorwahlkampf in deutschen Medien verfolgt, dem muss sich dieser Eindruck aufzwängen. Fast immer abwertend, abschätzig und skandalisierend ist diese Berichterstattung. Dabei sieht die Wirklichkeit in den USA völlig anders aus.

„Millionäre, Cowboys, Radikale“ will der „Spiegel“ im Vorwahlkampf beobachtet haben. Das Magazin „Focus“ titelt mit „ein Stänkerer, ein Spinner und ein Spaltpilz“. Soweit die beiden Medien, die sich selbst als „Nachrichten-Magazine“ bezeichnen. Gemeint sind einige der verbliebenen Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner: Newt Gingrich, Rick Santorum, Ron Paul und Mitt Romney.

Einen „erbitterten Schlagabtausch“ will das „Hamburger Abendblatt“ bei der Vorwahl in Florida beobachtet haben. Wer sich die Mühe machte, im Internet das Video der Veranstaltung anzuschauen, sah Kandidaten, die hart und höflich, aber gar nicht „erbittert“ stritten. Das Ziel dieser vermeintlichen Berichterstattung ist unschwer zu erkennen. Der nach wie vor von linksliberalen Medien als Säulenheiliger verehrte Präsident Barack Obama soll in einem guten Licht erscheinen. Nach mehr als drei Jahren Regierungszeit hat der Friedensnobelpreisträger der Welt allerdings nicht den Frieden gebracht und das Gefangenenlager Guantánamo nicht wie versprochen aufgelöst. Die Arbeitslosigkeit in den USA ist hoch und die Staatsverschuldung gigantisch. Der Vorsitzende des Republikanischen Nationalen Komitees, Reince Priebus, verglich daher den Präsidenten mit dem Kapitän des havarierten Costa-Kreuzfahrtschiffes Francesco Schettino, der sein Schiff so frühzeitig verließ. Das fanden die Anhänger Obamas naturgemäß eine „schändliche“ Argumentation.

Wie steht es aber um die politischen Ziele der Männer, denen von deutschen Medien Eigenschaften wie ultrakonservativ, ultrareligiös, radikal, libertär, spinnert oder bigott zugeschrieben werden? Dazu muss man zunächst ein wenig den US-Vorwahlkampf versuchen zu verstehen. Anders als hierzulande, wo ein Kanzler oder Präsident weitgehend durch ein innerparteiliches Geschacher gekürt werden, gibt es in den USA einen echten Wettkampf um die Kandidatur. Diese Kandidatenkür für das mächtigste Amt der Welt ist nicht nur eine demokratische Errungenschaft, sondern auch typisch für Amerika, wo der Tüchtigste es vom Tellerwäscher zum Millionär schaffen soll. In den Vorwahlkämpfen müssen die Kandidaten einen unglaublichen harten Marathon von 51 Wahlkämpfen hinlegen. Sie werden dabei auf Herz und Nieren geprüft. Ihre Steuererklärungen und Gesundheitsdaten werden offengelegt – eine in Deutschland undenkbare Transparenz. Immerhin verhindert diese Offenheit, dass Männer in ein Amt gelangen, dem sie von Charakter und Persönlichkeit her nicht gewachsen sind.

Die US-Demokratie, die immerhin auf eine über 200-jährige Erfolgsgeschichte zurückblickt, hat mit dem Auswahlverfahren ihrer Kandidaten keine schlechten Erfahrungen gemacht. In der Regel überstanden nur solche Kandidaten den harten Wahlkampf, die leitungsbegab und charismatisch genug für das höchste Amt des Staates waren. Dass die Konkurrenten sich weder gegenseitig mit Samthandschuhen anfassen noch dieses von der Presse erwarten, darf als selbstverständlich gelten.

Ein in Deutschland gerne geglaubtes Märchen ist es übrigens, dass nur Millionäre Präsident werden können. Weder Bill Clinton noch Ronald Reagan oder Barack Obama waren vielfache Millionäre, als sie für das Präsidentschaftsamt kandidierten. Sie waren zwar wohlhabend, aber ihr Wahlkampf wurde weitgehend durch eine hohe Zahl relativ kleiner Spenden finanziert. So ist es auch heute. Das Wohl und Wehe der Kandidaten hängt von ihrer Fähigkeit ab, diese Spenden zu organisieren. Michele Bachmann, die Ikone der Tea-Party-Bewegung, gab ihre Bewerbung schon nach der ersten Vorwahl in Iowa auf, weil ihr das Geld ausgegangen war. Irreführend ist daher auch die Behauptung, dass Präsident Obama wesentlich mehr Spendengelder gesammelt hätte als seine republikanischen und libertären Herausforderer, die sich naturgemäß die Gesamtsumme der Spenden von Anhängern ihrer Partei untereinander aufteilen müssen.

In diesem Jahr, wo die Kandidatur des amtierenden Präsidenten Obama für die Demokratische Partei bereits feststeht, stehen nur noch Kandidaten der Republikanischen zur Vorwahl. Der Kandidat, der nach den Vorwahlen in den 51 Bundesstaaten der USA auf dem Parteitag der Republikaner 1144 Stimmen auf sich vereinigen kann, wird den amtierenden Präsidenten herausfordern. Von dieser Zahl sind die vier Kandidaten noch weit entfernt. Keiner von ihnen hat bisher 100 Stimmen auf sich vereinigen können. Von einem „Durchmarsch“ des liberalen Mitt Romney kann nach zwei Siegen bei den Vorwahlen ebenso wenig die Rede sein wie von einem Rückzug der anderen Kandidaten. Romney weht derzeit ein harter Wind entgegen, weil er sich als Millionär gefühllos gegenüber Armen und sozialen Randgruppen zeigte. Auch dass er als „Heuschrecke“ Millionen verdiente und sein Einkommen nur mit 15 Prozent versteuern musste, kam nicht gut an. Demgegenüber werden seinem vom Parteiestablishment ungeliebten Newt Gingrich nach wie vor Chancen eingeräumt. Er vertritt deutlich konservativere Positionen als Romney. Dass er als Katholik auch evangelikale Wähler gewinnen kann, zeigte er bei seinem Sieg in South Carolina. Als ehemaliger republikanischer Sprecher des Repräsentantenhauses und Gegenspieler des damaligen Präsidenten Bill Clinton verfügt Gingrich über enorme politische Erfahrung und Durchsetzungsfähigkeiten. Kritisiert wird an ihm, dass er wenig teamfähig sei.

Eine weitere interessante Person im US-Vorwahlkampf ist der etwas kauzig wirkende Ron Paul, der einst für die Libertäre Partei als Präsidentschaftskandidat antrat. Der renommierte Arzt und Gynäkologe, der bereits die Mitte des 80. Lebensjahrzehnts erreicht hat, tritt zum dritten Mal zur Kandidatenkür an, dieses Mal für die Republikaner.

Und zuletzt ein Wort zur Rolle der Religion: Keiner der Kandidaten ist „ultrareligiös“. Abgesehen von Mitt Romney, der der Sekte der Mormonen angehört, sind die anderen drei Kandidaten praktizierende Mitglieder christlicher Kirchen. Rick Santorum und Newt Gingrich sind römisch-katholisch und Ron Paul ist evangelisch (Baptist). In den USA spielt die Religion, anders als hierzulande, eine große Rolle; rund 53 Prozent der US-Bevölkerung sind evangelisch und etwa 26 Prozent römisch-katholisch. Aber die Wähler entscheiden meist nicht nach der Konfession der Kandidaten, sondern nach deren Position beispielsweise in der Frage der Abtreibung, die von 40 Prozent der Wähler strikt abgelehnt wird. Im Wettbewerb der Kandidaten gewinnt nicht derjenige, der ein möglichst dickes Parteiprogramm verteilt, sondern derjenige, der plakativ die Wähler für sich zu gewinnen weiß, wie es Barack Obama vor vier Jahren glänzend verstand.

 

Dr. Hinrich E. Bues, Jahrgang 1954, Studium der evangelischen und katholischen Theologie, wurde mit einer kirchengeschichtlichen Dissertation promoviert und arbeitet heute als freier Publizist.


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