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11.02.12 / Ein Leben für innovative Autos »made in Italy« / Wie kaum ein anderer Name steht der von Vincenzo Lancia für sowohl sportliche als auch bezahlbare Automobile aus Südeuropa

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-12 vom 11. Februar 2012

Ein Leben für innovative Autos »made in Italy«
Wie kaum ein anderer Name steht der von Vincenzo Lancia für sowohl sportliche als auch bezahlbare Automobile aus Südeuropa

Wenn es um Autos aus Italien geht, die sowohl sportlich als auch bezahlbar sind, muss neben „Alfa Romeo“ der Name „Lancia“ fallen. Der italienische Automobilproduzent, der seit 1970 zum Fiat-Konzern gehört, verdankt seinen Firmennamen seinem Gründer, dem am 24. August 1881 im piemontesischen Fobello geborenen Vincenzo Lancia, der vor 75 Jahren in Turin gestorben ist.

Wie Vincenzo hatte schon sein Vater mit Metallverarbeitung zu tun. Mit der Herstellung von Suppenkonservendosen hatte er es zu Wohlstand gebracht. Der Sohn sollte, wenn schon nicht Rechtsanwalt, so dann doch Buchhalter werden. Das schien ein Kompromiss zwischen Vincenzos Sinn für Mathematik und dem, was der Familienbetrieb brauchte. Vincenzo verband jedoch die Liebe zur Mathematik mit jener zur Technik. Ihn faszinierte die Fahrradwerkstatt im Hof des Turiner Wintersitzes der Familie, Corso Vittorio Emanuele 9.

Der Vater erlaubte ihm, dort anzufangen. Formal arbeitete er in dem Betrieb in seinem erlernten Buchhalterberuf, doch de facto war er dort schon als Mechaniker und Ingenieur in seinem Element. Als der Betrieb zur Herstellung von Fahrrädern und sogar Autos überging, war Lancia mit dabei. Die Auftragsbücher waren voll, der Kapitalbedarf groß und das Eigenkapital gering. So verkauften die Besitzer den Betrieb an ein Konsortium, das 1899 Fiat gründete. Lancia wurde als Chefinspekteur sowie als Test- und Rennfahrer übernommen. Lancia wusste nämlich nicht nur Autos zu bauen, sondern auch das Letzte aus ihnen herauszuholen. Er gehörte zu den bestverdienenden Rennfahrern seiner Zeit – und konnte das Geld auch gut gebrauchen. Er wollte sich nämlich selbstständig machen, selber Automobile bauen.

1906 gründete er mit seinem Freund und Fiat-Kollegen Claudio Fogolin mit je 50000 Lire eingebrachtem Startkapital die „Lancia & C. Fabricca Automobili“ in Turin. 1920 übernahm Lancia Fogolins Anteile. Ein weiterer seiner Freunde steuerte das Logo bei. Es handelte sich um Graf Carlo Biscaretti di Ruffia, den Lancia als Außendienstmitarbeiter seines ersten Arbeitgebers kennengelernt hatte. Da „Lancia“ das italienische Wort für Lanze ist, schlug er eine Lanze mit einer Lanzenfahne mit dem Schriftzug „Lancia“ auf einem vierspeichigen Lenkrad vor. Lancia nahm den Vorschlag an und diese Komposition schmückte über Jahrzehnte die Produkte seines Unternehmens. Erst vor einem halben Jahrzehnt wurde das Logo insoweit vereinfacht, als es jetzt nur noch den Schriftzug auf einem stilisierten zweispeichigen Volant zeigt.

Dass die Autos des Italieners ein elegantes Styling hatten, entspricht unserem Klischee von Italien. Aber sie waren darüber hinaus auch technisch innovativ. So brachte Lancia 1913 mit dem „Theta“ Europas erstes Automobil mit serienmäßiger elektrischer Anlage auf den Markt. Elektrische Anlasser statt der bis dahin üblichen Kurbel gehörten ebenso dazu wie elektrische Scheinwerfer, Rückleuchten und Armaturenbrettbeleuchtung. 1922 präsentierte Lancia mit dem „Lambda“ das erste Auto mit selbsttragender Karosserie. Fortschrittlich sind auch Lancias Einzelradaufhängung, seine Vierradbremsanlage und sein engwinkliger und damit platzsparender V-Motor.

Der gesellige, umgängliche, elegante und charmante Liebhaber klassischer Musik tummelt sich in der Oberschicht und baut für diese Autos, die sie gerne kauft. Lancias größter Erfolg ist jedoch sein Mittelklassemodell „Aprilia“. Wie beim „Lambda“ sind auch bei diesem Modell für breitere Gesellschaftskreise die Räder einzeln aufgehängt. Geringe Fahrzeugüberhänge sorgen für einen in dieser Fahrzeugklasse bemerkenswert großen Radstand. Das kommt dem Innenraum und der Straßenlage zugute. Obwohl die Karosserie verwindungssteif ist, kommt sie ohne B-Säule (Mittelpfosten) aus, was bei vorne an der A-Säule angeschlagenen Vorder- und hinten an der C-Säule angeschlagenen Hintertüren, sogenannten Selbstmördertüren, einen sehr bequemen Ein- und Ausstieg ermöglicht. Ihrer Zeit weit voraus ist auch die Windschlüpfrigkeit der avantgardistischen Karosserie, die den deutschen Betrachter entfernt an den legendären „Käfer“ erinnern kann. Mit einem cw-Wert von 0,47 setzte das Fahrzeug auch in dieser Beziehung Maßstäbe in der Mittelklasse. 1937 wurde der „Aprilia“ der Öffentlichkeit vorgestellt.

Den Erfolg seiner Entwicklung auf dem Markt mitzuerleben war Vincenzo Lancia nicht mehr vergönnt. Das hohe Alter seines Vaters erreichte er nämlich nicht. Dafür war sein Lebenswandel zu ungesund. Entweder arbeitete er besessen oder er genoss das Leben in vollen Zügen. Nachdem er vorausgegangene Warnungen seiner Ärzte in den Wind geschlagen hatte, erlag er am 12. Februar 1937 einem Herzinfarkt. Manuel Ruoff


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