19.04.2024

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11.02.12 / Spurensuche in Pommern / Beim Besuch in der Heimat wurde der ostpreußische Buchautor Kurt Gaede vom polnischen Regionalfernsehen entdeckt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-12 vom 11. Februar 2012

Spurensuche in Pommern
Beim Besuch in der Heimat wurde der ostpreußische Buchautor Kurt Gaede vom polnischen Regionalfernsehen entdeckt

Nicht jeder, der auf Spurensuche in der verlassenen Heimat geht, wird fündig. Und wenn, sind es auch nur kleine Mosaiksteinchen, die noch lange kein erkennbares Bild ergeben. Da ging es dem gebürtigen Pommern Kurt Gaede aus Diepholz anders. Der 73-Jährige hatte zwar schon die eigene Familiengeschichte in sein Buch „Vertrieben in Deutschland“ eingebracht, aber es blieben für ihn so viele Fragen offen, die er klären wollte. Vor allem wollte er eine authentische Bescheinigung seiner Geburt haben, aber alle Versuche, eine Geburtsurkunde zu bekommen, waren vergeblich gewesen. So beschloss er, in seiner pommerschen Heimat auf Spurensuche zu gehen, und er hatte es gegenüber den meisten Vertriebenen auch nicht sehr weit: Nur 200 Kilometer sind es von der Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen bis nach Schönlanke [Trzianka], südwestlich von Schneidemühl im Netzekreis gelegen, fast ein Katzensprung. Und eine streng kontrollierte Grenze mit oft unerwarteten Schwierigkeiten gibt es auch nicht.

Zum ersten Mal ist Kurt Gaede also wieder in der Stadt, in der er geboren wurde. Die Fried­richstraße, in der sein Elternhaus stand, ist bald gefunden. Aber steht es noch? Und welches ist es überhaupt? Die Erinnerung ist verblasst, aber sie kommt wieder. Angesichts des Kopfsteinpflasters, das zu einem zweigeschossigen Haus führt. „Hier bin ich als kleiner Junge oft gestürzt“, erinnert sich Kurt Gaede. Aufgeschlagene Knie vergisst man nicht. Es ist das Haus Nummer 6. Aus dem Obergeschoss kommt eine jüngere Frau, sie spricht den Mann an. Kurt erzählt seine Geschichte und die Frau, die zum Glück für den Suchenden Deutsch spricht, übersetzt sie den Nachbarn, die hinzukommen. Die heutige Bewohnerin bittet ihn in die Wohnung, und der 73-Jährige findet in seine Kindheit zurück, Schritt für Schritt, von Zimmer zu Zimmer. Der alte Kachelofen steht noch – Kurt Gaede kann es kaum glauben. Es sind bewegende Momente, die der im Kindesalter Vertriebene hier in seinem Elternhaus erlebt.

Weiter auf Spurensuche. Kurt Gaede geht in das Rathaus. Eine Beamtin begreift schnell, worum es dem Deutschen geht. Er möchte wissen, ob noch Geburtseintragungen aus der Zeit vor der sowjetischen Eroberung vorhanden sind. Es gibt sie. Auch die von Kurt Gaede? Ja, auch die ist da und er erhält die Kopie seiner Geburtseintragung von 1939. Gut lesbar in Sütterlinschrift. Wie ein Stück Papier glücklich machen kann!

Dann die Suche nach dem Bauernhof der Großeltern, auf den sich Mutter Frieda Gaede mit ihren beiden Söhnen flüchtete, nachdem sie aus ihrer Wohnung verjagt worden waren, in der sie viel Leidvolles hatten ertragen müssen. In dem Dorf Runau [Runowo] kann sich niemand an die Familie Gaede erinnern. Aber sie weisen ihm den Weg zu einem Deutschen, der nach der Vertreibung der Bewohner durch die Polen dort geblieben ist. Seine Familie durfte bleiben, weil sie katholisch war. Paul Groth heißt er und ist heute 77 Jahre alt. Er erinnert sich tatsächlich an die Familie Gaede und führt den nur wenig Jüngeren zu der Stelle, an der einst der Hof stand. Von ihm ist nichts mehr zu sehen, nur ein paar Grundmauern lassen erkennen, wo sich die Gebäude befanden. Die Polen, die nach der Vertreibung der Deutschen auf den Hof eingewiesen wurden, haben ihn verkommen lassen, sie gaben schon nach wenigen Jahren auf. Das unbewohnte Anwesen verfiel wie so viele Höfe in den von Deutschen verlassenen Gebieten. Nur die mächtige Linde steht noch auf dem Gaedehof und weckt bei dem Besucher Erinnerungen: Hier hatte sich sein Vater vor den Russen versteckt, war in die dichtbelaubte Krone gestiegen und wurde nicht entdeckt.

Aber Kurt Gaede wurde ent­deckt – vom polnischen Regionalfernsehen. Als deutscher Buchautor war er ein guter Gesprächspartner. Der Deutsche konnte ausführlich über den Sinn und Zweck seiner Reise in die Vergangenheit berichten, die hier so gegenwärtig geworden war, und zeigte stolz seine Geburtsurkunde, erzählte von seiner Kindheit in der Geborgenheit der alteingesessenen Familie und den Spuren, die er nun gefunden hatte. Der polnische Regionalsender brachte darüber einen längeren Beitrag. (Das Buch „Vertrieben in Deutschland. Eine Familiengeschichte“ von Kurt Gaede erschien 2009 im Weyher life media Verlag, 432 Seiten, ISBN 978-3-9807636-8-4.) R.G.


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