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03.03.12 / Wo Europas teuerste Bürokraten sitzen / Stoiber: Bei der nationalen Umsetzung von EU-Richtlinien können 41 Milliarden Euro gespart werden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-12 vom 03. März 2012

Wo Europas teuerste Bürokraten sitzen
Stoiber: Bei der nationalen Umsetzung von EU-Richtlinien können 41 Milliarden Euro gespart werden

Wenn Politiker der Bürokratie den Krieg erklären, ist Vorsicht geboten: In aller Regel endet der Bürokratieabbau in neuer, noch teurerer Bürokratieabbau-Bürokratie. Vor allem der „Moloch Brüssel“ genießt hier einen schlechten Ruf.

So war die Skepsis groß, als vor knapp fünf Jahren der gerade aus dem bayerischen Ministerpräsidentenamt beförderte Edmund Stoiber von der EU-Kommission zum Sonderbeauftragten für Bürokratieabbau befördert wurde. Ausgerechnet er, dessen akribische, detailverliebte und fast schon pedantische Arbeitsweise gefürchtet war, sollte für eine schlankere, effektivere Verwaltung sorgen? Wurde da nicht der Bock zum Gärtner, der Bürokrat zum Bürokratiekiller gemacht?

Schnell gelang es dem von eigenen „Parteifreunden“ hinweggelobten Ex-CSU-Chef, vorschnelle Vorurteile auszuräumen, man habe ihn mit einem gut dotierten Frühstücksdirektoren-Pöstchen versorgen wollen. Den Vorsitz der „Hochrangigen Gruppe unabhängiger Interessenträger im Bereich Verwaltungslasten“ (HRG) führt er ehrenamtlich. Und inzwischen hat er eine durchaus mehr als respektable Fleißarbeit vorgelegt.

Der Bericht, den Stoiber vor wenigen Tagen dem EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso vorlegte, listet auf 83 Seiten auf, was die 27 Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft durch Bürokratieabbau sparen könnten: bis zu 41 Milliarden Euro jährlich. Und dies zusätzlich zu den 23 Milliarden Euro, die die Umsetzung der von der Arbeitsgruppe gemachten Vorschläge bereits EU-weit eingespart hat.

Angesichts der EU-kritischen Haltung, die Stoiber während seiner Amtszeit als Regierungschef nachgesagt wurde, wären eigentlich massive Attacken auf den „Moloch Brüssel“, also die übermächtig aufgeblähte, zentralistische Verwaltung der Gemeinschaft, zu erwarten gewesen. Doch hier wartet Stoiber mit einer faustdicken Überraschung auf. Die schlimmsten (und teuersten) Bürokraten, so sein Fazit, sitzen nicht in Brüssel, sondern in Berlin und Paris, London und Rom, Madrid und Warschau, Helsinki und Athen und sind mit der nationalen Umsetzung der EU-Richtlinien beschäftigt. Und so werden in den Metropolen der Mitgliedsstaaten die meisten Milliarden vergeudet. Allein ein Drittel der unnötigen Kosten geht auf das Konto „ineffiziente nationale Umsetzung von EU-Rechtsakten“, wie es im schönsten Bürokratendeutsch heißt.

Im Klartext: Jeder der 27 Staaten hat seine eigene, mehr oder weniger kostenträchtige Methode entwickelt, europäische Verordnungen und Richtlinien in nationale Gesetze umzuschreiben. Besonders beliebt ist das so genannte „Goldplating“, also das in aller Regel überflüssige Draufsatteln auf europäische Rechtsakte. Deutschland, das sich ja gern in der Rolle des europäischen Musterknaben sieht, tut sich hier oft unrühmlich hervor.

Stoiber und seine „Hochrangige Gruppe“ legen den Schwerpunkt ihres Berichts allerdings nicht auf die kritische Darstellung bürokratischer Auswüchse, sondern auf positive Beispiele. Sie vergleichen die nationale Umsetzung von 60 einzelnen EU-Richtlinien, nennen nicht nur die Bürokratiesünder, sondern vor allem diejenigen, die es besonders gut machen. Im Vordergrund steht dabei stets, welche Belastungen all diese Verwaltungsakte für die mittelständische Wirtschaft bewirken. Denn Stoiber weiß aus langjähriger Erfahrung als Ministerpräsident, dass der Mittelstand der stärkste Motor der Volkswirtschaft und des Arbeitsmarktes ist; dies gilt nicht nur für erfolgreiche Bundesländer wie Bayern, sondern für ganz Deutschland und die gesamte EU.

Insgesamt werden die europäischen Unternehmen durch von Brüssel ausgehende Verwaltungsakte mit jährlich 124 Milliarden Euro belastet. Wenn alle Staaten sich am jeweils effizientesten und preisgünstigsten orientieren würden, könnten allein dadurch 32 Prozent der Kosten (gleich 41 Milliarden Euro) eingespart werden.

Wie eklatant die Unterschiede auf nationaler Ebene sind, sollten folgende Beispiele erhellen: Die sogenannte Gleichstellungsrichtlinie belastet die deutsche Wirtschaft mit durchschnittlich 67 Euro pro Beschäftigten. In Frankreich sind es 81 Euro, die besonders gleichstellungsbeflissenen Spanier lassen sich die nationale Umsetzung der Richtlinie gar 161 Euro pro Beschäftigten kosten. Die Umsetzung der Emissionshandels-Richtlinie belastet die deutsche Wirtschaft mit 57 Millionen Euro im Jahr. Spanien und Frankreich machen das mit 34 beziehungsweise 26 Millionen deutlich billiger.

Gravierende Unterschiede zeigen sich auch bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. In Luxemburg braucht ein Unternehmen durchschnittlich 22 Arbeitstage, in Deutschland bereits 35, in Bulgarien sogar 93 Tage, um die Verfahrenskosten hereinzuarbeiten. Die Vergabedauer schwankt zwischen 77 Tagen in Lettland und 241 in Malta.

Die von Stoiber geleitete Gruppe setzt bewusst darauf, Bürokratieabbau weniger durch zusätzliche Regulierung als durch positive Beispiele, Erfahrungsaustausch und grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu erreichen. Hans-Jürgen Mahlitz


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