© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-12 vom 03. März 2012

Spontanheilung
Alles ist lediglich eine Kopfsache

Elisa hat einen sehr guten Hausarzt, der einige ihrer Krankheiten zwar nicht heilen, aber lindern kann, trotzdem kommt sie jedes Mal lachend aus seinem Sprechzimmer und hat das Gefühl, dass alles gar nicht so schlimm ist, wie es vorher aussah. Klagt sie über ihre alten Knochen, winkt er ab. Er sei schon fünfmal vergeblich an den Knien operiert worden und habe sich nun an seine Schmerzen und an die Tatsache gewöhnt, nicht mehr Tennis spielen zu können. Dann schämt sie sich ihrer eigenen Wehleidigkeit.

Heute war Elisa mal wieder bei ihm. Als sie ins Sprechzimmer kam, stand er von seinem Schreibtisch auf und begrüßte sie mit jugendlich forschem „Hey!“, fragte sogleich, wie es ihr denn ginge, sah sie bewundernd an und sagte: „Oh, Lady in red! Das steht Ihnen ausgezeichnet!“ (Elisa war von Kopf bis Fuß in Rot gekleidet!) „Weiß ich“, erwiderte sie lächelnd und er grinste. „Meine Schmerzen sind ganz schrecklich“, klagte sie, und er winkte erneut ab. „Schrecklich ist ganz etwas anderes“, meinte er und sie musste ihm Recht geben. Es gab tatsächlich Schlimmeres. Und schon fühlte sie sich erheblich besser. Wo waren denn plötzlich ihre Schmerzen hin? „Die Heilung beginnt im Kopf“, sagte der Doktor, sah sie prüfend an und nickte.

Als beide aus dem Sprechzimmer traten, umfasste er Elisas Schultern und sagte zu seiner Sprechstundenhilfe anerkennend auf die rote Lederjacke seiner Patientin zeigend: „Ist dies nicht eine schicke Dame, Frau Berg?“

Sie lachten alle drei über seinen Scherz und Elisa ging mit schwingendem Schritt zum Fahrstuhl; vorher war sie nur geschlichen. Die Komplimente des Arztes klangen ehrlich und waren genau das Richtige für die kranke Frau, nämlich die beste Medizin.  Gabriele Lins