25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
03.03.12 / Wo Kinderherzen höher schlagen / Selbst Roosevelt erlag dem Kindchenschema: Private Museen im ganzen Land zeigen Teddies und Puppen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-12 vom 03. März 2012

Wo Kinderherzen höher schlagen
Selbst Roosevelt erlag dem Kindchenschema: Private Museen im ganzen Land zeigen Teddies und Puppen

Uschi Schulz, früher Souffleuse beim Esslinger Landestheater, und ihr Mann Rudi, pensionierter Schauspieler derselben Bühne, betreiben an der alten Stadtmauer der für ihre Fachwerkbauten berühmten, mittelalterlichen Stadt am Neckar ein Asylantenheim, eine Heimstatt für Gestrandete, ganz aus privaten Mitteln.

Die Bewerber für die idyllische Unterkunft sind aus Stoff, Porzellan oder Plastik, sprechen nicht, sind aber stets jahreszeitlich adäquat gekleidet. Uschi näht die neuen Roben selbst und sorgt sich rührend um die hilflosen Schützlinge: Alte Teddybären, liebevoll reparierte Puppen, Puppenstuben und -wagen, die einst Kinderherzen hoch schlagen ließen, dann aber nur noch auf Flohmärkten auftauchten oder gar im Müll zu landen drohten. Uschi und Rudis „Blaue Insel“ für die Gestrandeten des Spielzeugmarktes in der pittoresken Küfergasse wird deren neues Zuhause.

Die „Blaue Insel“ ist beileibe nicht das einzige private Museum dieser Art in der Republik. Mehr als zwei Dutzend ähnlicher Einrichtungen locken neben staunenden Kindern von Hamburg bis in den Schwarzwald, von der Insel Rügen bis Ostfriesland und von Thüringen bis München Liebhaber und Sammler an. Besonders wertvolle Stücke, wie etwa die Puppen der weltberühmten Berliner Puppenmacherin Käthe Kruse (1883–1968), erzielen bei entsprechenden Versteigerungen Preise von mehreren Tausend Euro.

Im sogenannten Puppen-Café am Hafen von Carolinensiel an der Nordsee verspricht ein gemütliches Kaffeestündchen die unmittelbare Begegnung mit den kleinen Zeitzeugen aus Urgroßmutters Spielzimmer. Dasselbe gilt für die Jesteburger Puppenstube in der Nordheide. Eine rund 170 Jahre alte Puppengeschichte lässt sich dort bei selbstgebackenem Kuchen zum Kaffee studieren. Oft werden solche Ausstellungen auch durch Dokumentationen bereichert. So vermittelt die Privatsammlung des Puppenmuseums Falkenstein in Hamburg (Sammlung Elke Dröscher) historische und kulturelle Aspekte der bürgerlichen Epoche des ausgehenden 18. Jahrhunderts.

Und die Welt der weltweit beliebtesten Kuscheltiere, der Teddybären, brachte 2012 die Messe „Teddybär Welt“ in Hamburg mit ihren 300 „bärenstarken“ Ausstellern den Besuchern nahe. Diese „Norddeutsche Puppen-, Teddybären- und Miniaturbörse“ vom 12. Februar präsentierte neben ausgewählten Stücken auch Anleitungen zur eigenen Puppen- und Bärenherstellung. Schon Käthe Kruses Mann, der Bühnenbildner Max Kruse, meinte: „Ick koof euch keene Puppen. Ick find se scheißlich. Macht euch selber welche.“ Seine Frau tat es und wurde so unversehens zur Gründerin einer weltbekannten Manufaktur.

Im westfälischen Münster stellt die weltweit größte Bären-Messe am 14. und 15. April fast 50000 Teddies zur Schau. Liebhaber und „Bärenjäger“ aus dem Pazifikraum, von Australien bis Japan und aus den USA, geben sich ein Stelldichein. Preise bis zu fünf Stellen vor dem Komma, etwa für seltene Exemplare des Erfinders Richard Steiff aus dem Jahr 1902, sind da keine Seltenheit.

Seinen Namen soll der global begehrte Plüschbär dem US-Präsidenten Theodore („Teddy“) Roosevelt verdanken, der zum Paten avancierte. Denn der Politiker hatte es 1902 nicht übers Herz gebracht, bei der Jagd einen jungen Bären zu erschießen.

Inzwischen gibt es sogar einen „Oscar“ für Desig­ner-Teddies, den „Golden George“. Aus 200 eingereichten Exemplaren kürt die fünfköpfige Jury jährlich in fünf Kate­gorien die Sieger.

Zu den seltenen Exemplaren im Besitz von privaten Sammlern zählen im Museum von Anneliese Jonetzek in Reichshof-Eckenhagen im Oberbergischen Land Einzelstücke, die einst der Kaiserin von Persien, Farah Diba, dem Generalsekretär des ZK der KPdSU Leonid Breschnew oder Fürst Rainier III. von Monaco gehörten.

Die Frauenmode lässt sich en miniature im 1978 von Liesl Leicht in Künzelsau gegründeten privaten Puppenmuseum studieren. In vielen der privaten Sammlungen wurden Hunderte von Exponaten zusammengetragen. Das deutsche Bären- und Puppenmuseum Loreley in St. Goar etwa präsentiert eine private Sammlung von mehr als 3000 Exponaten. Auf 1800 Exemplare bringt es im ehemaligen Kleinbahnhof der Strecke Nienhagen-Schneidlingen die Sammlung von Simone Schuldt. Die Sammlung von Brian und Ursula Gottlieb in Hamburg beherbergt 650 Puppen, die in lebendig wirkenden Szenen zur Schau gestellt sind.

Oft sind Puppen auch in Sonderabteilungen von Spielzeugmuseen zu finden, von denen es über 20 auch privat betriebene in Deutschland gibt. Manchmal gehen solche liebevollen Sammlungen nach dem Tod ihrer Gründer in öffentlichen Besitz über, so beispielsweise in Coburg, wo die bekannte Puppenkünstlerin Carin Loss­nitzer der Stadt ihr Erbe hinterließ.

Natürlich existieren auch im benachbarten Ausland private Museen dieser Art, in den Niederlanden, im schweizerischen Basel und in Österreich: Etwa 1000 Exemplare zeigt die Privatsammlung in Rudolz an der Grenze zur Tschechei. Joachim Feyerabend


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren