23.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
03.03.12 / Durch Leid »erweckt« / Asienkorrespondent erzählt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-12 vom 03. März 2012

Durch Leid »erweckt«
Asienkorrespondent erzählt

Ein altes Sprichwort besagt: „Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um.“ Carsten Stormer jedoch hatte bis dato immer Glück. Da ihm ein Leben als Speditionskaufmann wenig erfüllend erschien, kündigte er nach der Ausbildung seinen Job, um in Krisengebiete zu fliegen.

Eigentlich hätte man Carsten Stormer zunächst als Herumtreiber bezeichnen können, kein richtiger Job, kein Plan von der Zukunft, immer in der Welt unterwegs auf der Suche nach einem neuen Abenteuer. Doch eines Tages wird er in Kambodscha Zeuge eines schicksalhaften Ereignisses: „Sie ist elf Jahre alt, und ihre Zukunft wurde von einer alten Mine zerstört. Neben ihr kauert ihre neunjährige Schwester, das Gesicht in den Händen vergraben. Zwischen ihren Fingern läuft Blut heraus. Sie hat bei der Explosion ihr Augenlicht verloren … den Anblick der beiden blutenden Mädchen habe ich nie vergessen. Es macht mich traurig, dass niemand je etwas über das Schicksal dieser beiden Mädchen erfahren wird, weil es in einem toten Winkel der Welt passiert … Zwei Kinder am Arsch der Welt, das Leben für immer zerstört. Dieses Bild hat sich eingebohrt in meine Seele wie ein Widerhaken. Es ist eine Art Erweckungserlebnis gewesen.“

Viele weitere verstörende und befremdende Erfahrungen hat Carsten Stormer auf seinen Reisen gemacht, doch der für die meisten etwas befremdend erscheinende Wunsch, solcherlei Erfahrungen zu machen und darüber zu berichten, trieb ihn stets zu neuen Reisen in Krisengebiete an.

Ein Interview in Afghanistan im Jahr 2005 mit einem amerikanischen Soldaten namens Perez, der bereits in seinen ersten Tagen im Kriegseinsatz im Irak ein Bein verlor, und der in Afghanistan als Waffenwart arbeitete, um weiterhin der US-Army dienen zu können, stimmte Carsten Stormer sehr nachdenklich: „Dieser ganze Patriotismus ist mir fremd, ebenso das geregelte Leben in der Army, die Tagesabläufe durchstrukturiert mit Befehlen und Routine, der Mensch als Maschine, die keine Fragen stellt, Befehle ausführt. Ein verlorenes Bein im Irak, eine verlorene Seele in Afghanistan. Politisch standen Perez und ich uns nicht nahe. Aber uns verbindet der unbedingte Wille, für seine Träume zu kämpfen, Opfer zu bringen und nicht auf andere Menschen zu hören, die einem die Idee ausreden möchten … Vielleicht habe ich in Perez mein Spiegelbild gesehen und gelernt, dass Träume zerbrechen können. Ich kann es nicht ändern, aber seit unserem Treffen in Afghanistan denke ich oft daran, was aus mir werden würde, wenn mir eine Mine ein Bein abtrennen würde.“

Trotz weiterer gefährlicher Reisen zu den Kriegsschauplätzen dieser Welt blieb Stormer zum Glück unversehrt. In dem Buch „Das Leben ist ein wildes Tier. Wie ich die Gefahr suchte und mich selber fand“ berichtet er von seinen Erlebnissen auf diesen Reisen, ein kritischer Berichterstatter über die Kriegsgeschehnisse und

-schauplätze unserer Zeit. Die dem Buch beigefügten Fotos geben einen kleinen Blick auf die fürchterlichen Dinge, die der Autor erlebt und gesehen hat. Vanessa Ney

Carsten Stormer: „Das Leben ist ein wildes Tier. Wie ich die Gefahr suchte und mich selber fand“, Bastei Lübbe, Köln 2011, geb., 344 Seiten, 16,99 Euro


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren