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10.03.12 / Begründer einer Epoche / Pompeji-Ausstellung gedenkt der Leistungen von Johann Winckelmann, dem Urvater der Archäologie und des Klassizismus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-12 vom 10. März 2012

Begründer einer Epoche
Pompeji-Ausstellung gedenkt der Leistungen von Johann Winckelmann, dem Urvater der Archäologie und des Klassizismus

Gelockt von den Folgen einer grauenhaften Naturkatastrophe haben sich seit Anfang Dezember mehr als 60000 Menschen die Ausstellung „Pompeji – Nola – Herculaneum. Katastrophen am Vesuv“ im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle/Saale angesehen. Die geistigen Grundlagen für diese Ausstellung wurden bereits im 18. Jahrhundert durch einen Mann gelegt, der aus dem Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalt stammte.

Der Ausbruch des Vesuvs im Ok­tober des Jahres 79 n. Chr. brachte vielen der rund 20000 Einwohner von Pompeji und der etwa 4500 Bewohner von Herculaneum einen plötzlichen Tod. Für die Nachwelt wurden jedoch unter der erstarrten Lava zahlreiche Fundstücke konserviert, die uns heute einen Eindruck vom Leben damals geben. Viele der sonst nur in Neapel nahe dem Vesuv zu bestaunenden Exponate sind erstmals in Deutschland zu sehen. Bis zum 8. Juni ist die Schau, die mehr als 500 Exponate eindrucksvoll präsentiert und die die Geschichte der Besiedlung rund um den Vesuv erzählt, zu besichtigen.

Auf den ersten Blick mag es verwundern, dass die Ausstellung über die Katastrophe am Vesuv in Sachsen-Anhalt gezeigt wird, doch wer Schloss und Garten Wörlitz kennt, entdeckt viele von Pompeji inspirierte Kunstwerke. Zudem sind die „Väter des Gartenreiches“ Fürst Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau und sein Freund und Baumeister Baron Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff nicht die einzigen Landeskinder Mitteldeutschlands, die das heutige Sachsen-Anhalt mit den Stätten am Golf von Neapel verbinden. Johann Joachim Winckelmann, der 1717 geborene Sohn eines Schusters aus Stendal, der als Begründer der Klassischen Archäologie und Wegbereiter des klassizistischen Stils in die Geschichte eingehen sollte, besuchte mehrfach die antiken Stätten und Sammlungen am Vesuv. Seinen Berichten von den Ausgrabungen und den antiken Kunstwerken im königlichen Museum in Portici (bei Neapel) verdanken seine Zeitgenossen wie auch die Nachwelt wesentliche Informationen.

Doch wie kam es dazu, dass der einzige Sohn eines Schumachers zu einer Schlüsselgestalt in der Geschichte der Archäologie wurde? Schon früh begeisterte sich Winckelmann für die Antike. Dies spürten auch seine Lehrer und Eltern, sodass diese alles taten, um ihm den Zugang zu Bildung zu verschaffen. So konnte er sich 1738 an der Universität in Halle für ein Theologiestudium einschreiben. Doch die Wahl des Faches war dem Umstand geschuldet, dass nur die Theologische Fakultät den aus mittellosen Familien stammenden Studenten die Studiengebühren erließ. Und die Wahl des Studienortes fiel auf Halle, weil Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. 1729 ein Edikt erlassen hatte, das alle Bewerber für den gehobenen Staatsdienst zu zwei Studienjahren an der Universität zu Halle verpflichtete, da Halle damals als die bedeutendste Universität in Preußen galt.

Zwar interessierte sich Winckelmann für einige Vorlesungen der Theologie, doch die Begeisterung insgesamt war mäßig, sodass er mit einem nur durchschnittlichen Zeugnis die Universität verließ und danach nur eine Anstellung als Hauslehrer fand. Die Tätigkeit füllte den jungen Mann nicht aus, sodass er sich an die Universität Jena begab, um Medizin, Geometrie und moderne Sprachen zu studieren. Doch es waren wohl finanzielle Engpässe, die ihn wieder als Hauslehrer und 1743 als Konrektor der Lateinschule in Seehausen tätig werden ließen. Allerdings waren seine Ansprüche an die Schüler so hoch, dass weder er noch die Schüler glücklich wurden.

Als dem Belesenen dann die Stelle als Bibliothekar des Reichsgrafen Heinrich von Bünau auf Schloss Nöthnitz nahe Dresden angeboten wurde, zögerte Win­ckelmann nicht lange. Mit über 42000 Bänden besaß der Adelige eine der größten deutschen Privatbibliotheken des 18. Jahrhunderts. Zudem war die Metropole Dresden in der Nähe, die mit ihrer Gemäldegalerie Winckelmann in ihren Bann zog und ihn zu seiner ersten Veröffentlichung veranlass­te: „Gedancken über die Nachahmung der Griechischen Wercke in der Mahlerey und Bildhauerkunst“. Hiermit machte er sich unter Gelehrten und Künstlern einen Namen. Auch der päpstliche Nuntius, Graf Alberigo Archinto, wurde auf ihn aufmerksam und besuchte Winckelmann auf Schloss Nöthnitz. Als Archinto zum Governatore di Roma berufen wurde, bot er diesem an, ihn mit nach Rom zu nehmen, so er denn zum Katholizismus konvertieren würde. Die Stadt reizte Winckelmann derart, dass er 1755 gegen den Widerstand seines protestantischen Umfelds den katholischen Glauben annahm und auch dank eines Stipendiums des sächsischen Königs nach Italien zog. Umgeben von den Zeugen der Antike, erhielt Winckelmann von in Rom lebenden Künstlern zahlreiche Impulse für seine Kunstanschauung und Kunsttheorie.

Als Dresden im Rahmen des Siebenjährigen Krieges von Preußen besetzt wurde, befürchtete Win­ckelmann ein Ausbleiben der Zahlungen aus seinem Stipendium und arbeitete wieder als Bibliothekar. 1759 erhielt er eine ansprechende Anstellung bei Kardinal Alessandro Albani und 1763 erlangte er auf dessen Empfehlung die Stelle als päpstlicher Antiquarius und Präsident der Altertümer von Rom. Eine Ausfuhr von historischen Funden bedurfte ab sofort seiner Genehmigung und Fundorte mussten ihm gemeldet werden. Da die Stelle zwar Reputation, aber nicht genügend Geld brachte, beschaffte Albani ihm noch die Stelle als Scrittore teutonica, sprich die des für die deutsche Sprache zuständigen Bibliothekschreibers in der vatikanischen Bibliothek. In Rom kam es zur Begegnung Winckelmanns mit Fürst Franz von Anhalt-Dessau und mit von Erdmannsdorff, denen Winckelmann, wie anderen deutschen Reisenden, als Begleiter während ihres Aufenthaltes diente.

Von Rom aus unternahm Win­ckelmann auch mehrere Forschungsreisen. Vier davon führten ins Königreich Neapel, wo man kurz zuvor mit den Ausgrabungen von Pompeji begonnen hatte. Doch Winckelmann war mit dem, was er sah, absolut nicht zufrieden und kritisierte in mehreren, weit verbreiteten Schriften auch die Unsitte, wertvolle Dinge einfach den Fundorten und somit ihrem Kontext zu entnehmen, zu verkaufen und die Fundorte verfallen zu lassen, was in Neapel begreiflicherweise zu einigem Unmut führte.

1768 wollte Winckelmann seine deutsche Heimat besuchen, doch auf der Reise erkrankte er schwer an Fieber, sodass er die Reise abbrach. In Triest, wo er auf ein Schiff nach Ancona wartete, wurde er jedoch Opfer eines tödlichen Raubüberfalls. Sein wegen Diebstahls bereits vorbestrafter Mörder wurde zwar verurteilt und hingerichtet, doch die Welt verlor einen großen Vordenker, denn Winckelmann inspirierte mit seinen Schriften nicht nur Archäologen, sondern auch Literaten wie Lessing, Goethe und Schiller, die mit ihrem von ihm geprägten Bild der Antike die Epoche der Klassik einläuteten.

„Italien hat auch nicht vergessen, dass es Winckelmann war, der mit Hilfe seiner bedeutenden Studien, verfasst im Anschluss an seine Aufenthalte in Neapel und Umgebung in den Jahren zwischen 1758 und 1762, die Welt über die Schätze unterrichtete, die in Pompeji und Herculaneum zutage gekommen waren“, so der italienische Präsident Giorgio Napolitano in seinem Winckelmanns Bedeutung für die Beschäftigung mit der Antike hervorhebenden Grußwort zur Ausstellung in Halle.

Rebecca Bellano

Weitere Informationen zur Ausstellung unter www.pompeji-ausstellung.de und im Ausstellungskatalog: Harald Meller, Jens-Arne Dickmann: „Pompeji – Nola – Herculaneum. Katastrophen am Vesuv“, Hirmer, München 2011, gebunden, 390 Seiten, 39,90 Euro. Weitere Informationen zu Win­ckelmann unter www.winckel- mann-gesellschaft.de


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