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10.03.12 / Eigenwilliges Gedankengut / Überkritisches Porträt der US-»Tea Party«-Bewegung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-12 vom 10. März 2012

Eigenwilliges Gedankengut
Überkritisches Porträt der US-»Tea Party«-Bewegung

Das Buch „Tea Party. Die weiße Wut – Was Amerikas Rechte so gefährlich macht“ von Eva C. Schweitzer ist auf dem Stand vom Oktober 2011, berück-sichtigt also nicht mehr die innerparteiliche Kandidatenkür der Republikaner in den USA. Dafür wird ein eher grundsätzlicher Einblick in die Geisteswelt der Leute ansatzweise gegeben, die den lockeren Verbund bilden, der „Tea Party“ heißt. Der Name nimmt die „Boston Tea Party“ von 1773 auf, als einheimische Weiße, als Indianer verkleidet, im Hafen von Boston aus England importierte Teeballen ins Wasser warfen, um für mehr politische Teilhabe zu demonstrieren. Die Episode dient seitdem zur Versinnbildlichung von gerechtem Bürgerzorn gegenüber einer ungerechten Obrigkeit. Allerdings lassen bereits die Untertitel des Buches Zweifel aufkommen, ob in der innenpolitischen Szene der USA Schwarz und Weiß wirklich so eindeutig verteilt sind. Die Autorin jedoch stellt ihre Informationen so zusammen, dass der Leser einen republikanischen Wahlsieg im November 2012 nicht mehr wünschen kann. Denn auch wenn die „Grand Old Party“ nicht identisch ist mit dem Personenkreis, der sich unter dem Etikett „Tea Party“ tummelt, so spielt das Gedankengut der letzteren bei ersterer eine große Rolle. Da zeigt sich religiöser Fanatismus bis hin zu einer ausgesprochenen Xenophobie, die Schwarze, Moslems, Gelbe und auch „dekadente“ Europäer in Grund und Boden verachtet.

Während man auf dem Globus nach Herzenslust interveniert, darf keinerlei Einfluss von außen das amerikanische Herzland berühren! Antisemitismus spielt auch eine gewisse Rolle, aber nur eine geringe im Vergleich etwa zum Anti-Islamismus. Denn ein jeglicher republikanische Kandidat muss die jüdische Lobby im Lande bedienen und sich so eindeutig wie nur möglich zur Unterstützung Israels bekennen.

Ein bedeutender Teil der amerikanischen Wählerschaft verüble es Obama, so die Autorin, dass er ein Schwarzer ist, oder er hält ihn als einen Demokraten für linksradikal. Die Legalisierung von Schwulen-Ehen und die Straffreiheit von Abtreibung seien aufzuheben. Schweitzer führt zudem die Exponenten der „Tea Party“ wie Michele Bachmann, Newt Gingrich, Sarah Palin, Mitt Romney und Rick Santorum in ihrer intellektuellen Dürftigkeit und mit ihrem tatsächlichen Opportunismus bei scheinbarer eherner Prinzipientreue einzeln vor.

Das alles wird ausgebreitet im flüssigen Stile einer die Augenblicke und bizarren Porträts aneinander reihenden Reportage. Aber eine genauere Analyse der skizzierten Gedankenwelt und eine Herleitung aus der amerikanischen Tradition seit den Pilgervätern kommen in dem Buch zu kurz. Die „Tea Party“-Leute sind viel zu überzeugt von sich, als dass man ihre Vorstellungen nur als Kapriolen betrachten könnte. Zudem wird wegen der praktisch auch schon 2011 gegebenen Wahlkampfsituation sicherlich manches heißer gekocht, als es von einem republikanischen Präsidenten dann serviert würde. Die zeitgeschichtliche Dimension des Rechtsrucks, der Obama aus dem Amt zu drängen droht, wird nicht sichtbar. Die Autorin ist Amerikanistin; das hätte man also von ihr erwarten dürfen. Und insgesamt: Etwas mehr an abwägender Distanz zu ihrem Material wäre wünschenswert gewesen. Bernd Rill

Eva C. Schweitzer: „Tea Party. Die weiße Wut – Was Amerikas Rechte so gefährlich macht“, dtv Premium, München 2012, kartoniert, 14,90 Euro.


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