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17.03.12 / Schattenhaushalte statt Einsparungen / Der Staat gibt immer mehr Kernaufgaben aus der Hand – Aus Schäden der Vergangenheit nichts gelernt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-12 vom 17. März 2012

Schattenhaushalte statt Einsparungen
Der Staat gibt immer mehr Kernaufgaben aus der Hand – Aus Schäden der Vergangenheit nichts gelernt

Erstmals übernimmt in Großbritannien ein privates Unternehmen den Betrieb einer Polizeiwache, was für Aufsehen sorgte. Die Anfangs gehegten Erwartungen, mit solchen Projekten von Öffentlich-Privaten-Partnerschaften (ÖPP) wirklich Geld zu sparen, haben sich bisher meist nicht erfüllt. Dass Politiker trotzdem immer noch auf solche Privatisierungsmodelle zurückgreifen, hat gleich mehrere Gründe.

Da die finanziellen Spielräume der öffentlichen Hand immer enger werden, ist die Privatisierungswelle inzwischen bei den Kernaufgaben des Staates angekommen. Es geht inzwischen nicht mehr nur um Straßen oder Schwimmbäder, sondern auch um die öffentliche Sicherheit.

Ein Blick nach Großbritannien ist hier aufschlussreich. Das Land war Vorreiter bei derartigen Privatisierungsprojekten in Europa. Bereits zu Anfang der 90er Jahre wurden öffentliche Aufgaben an Privatunternehmen vergeben. Somit kann man in Großbritannien mittlerweile auf 20 Jahre Erfahrung zurückblicken und die sind keinesfalls so positiv, wie anfangs erhofft. Nach Berechnungen der „Financial Times“ haben in Großbritannien 700 Projekte von ÖPP mittlerweile Mehrkosten von 20 Milliarden Pfund verursacht. Geschätzte 2,8 bis vier Milliarden Pfund sind zusätzlich für Anwaltshonorare und Beraterverträge angefallen. Bis zum Jahr 2050 werden die seit 1992 investierten 70 Milliarden Pfund für private Infrastrukturprojekte die Steuerzahler 240 Milliarden Pfund kosten.

Untersuchungen der „European Services Strategy Unit“ haben gezeigt, dass von den 700 privat betriebenen Infrastrukturprojekten 90 mittlerweile im Besitz von Firmen sind, die ihren Sitz in Steueroasen haben, so dass die Gewinne nicht einmal versteuert werden.

In Deutschland ist die Privatisierungswelle mit Hilfe von ÖPP erst mit dem von der rot-grünen Koalition auf den Weg gebrachten ÖPP-Beschleunigungsgesetz im Jahr 2005 in Gang gekommen. Auch hier ist die Bilanz durchwachsen. Statt der im Durchschnitt erhofften Einsparungen von zehn bis 15 Prozent sind die Projekte regelmäßig entweder genauso teuer wie bisher oder laufen kostenmäßig völlig aus dem Ruder. „Ein realistischer Kostenvergleich lässt keine Vorteile der ÖPP-Lösung gegenüber einer herkömmlichen Verwirklichung erkennen“, lautet etwa die Einschätzung des Chefs des Bayerischen Rechnungshofs nach der Untersuchung von ÖPP-Projekten im Freistaat.

Der Hinweis auf einen „realistischen Kostenvergleich“ weist auf einen durchgehenden Schwachpunkt bei den Projektplanungen hin. Bei der Kostenkalkulation werden Zusatzkosten wie Risikovorsorge und ähnliches einbezogen, wenn eine herkömmlich Realisierung durch die öffentliche Hand erfolgt. Bei den Angeboten der privaten Anbieter fehlen diese Kosten im Normalfall. Korrekterweise möchte man sagen, denn das Risiko bleibt wirklich bei der öffentlichen Hand hängen. Ebenso fehlen allerdings weitere Kosten: Berater- und Anwaltshonorare oder die Summen für die nötige Aufsicht, ob Vertragsleistungen wirklich erbracht werden.

Dass trotzt dieser Erfahrungen ÖPP-Projekte nach wie vor in Angriff genommen werden, hat einen einfachen Grund. Trotz klammer Kassen ermöglichen die ÖPP Politikern, relativ kurzfristig Vorhaben voranzubringen, die sie sich meist eigentlich nicht leisten können. Die Kosten fallen erst langfristig an. Angesichts von Vertragslaufzeiten von bis zu 30 Jahren lässt sich mit Fug und Recht behaupten, dass die Belastungen der nächsten Generation in der Form von Schattenhaushalten aufgehalst werden. Dass dies bisher so problemlos gelingt, hat mit der durchgehenden Praxis zu tun, abgeschlossene Verträge geheim zu halten. Zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen lautet die gängige Begründung. Damit werden die Projekte jeder öffentlichen Diskussion entzogen, selbst Abgeordnete bekommen im Normalfall keine Verträge zu Gesicht, sondern sie beschließen per Grundsatzentscheidung. Werden doch Verträge vorgelegt, dann sind häufig Passagen durch Anwälte vorher geschwärzt worden. Mit dem Rückgriff auf „schützenswerte Betriebsgeheimnisse“ können nicht einmal die jeweiligen Aufsichtsbehörden sicher sein, dass sie sämtliche relevante Informationen zu Gesicht bekommen.

Attraktiv sind die ÖPP-Projekte allerdings auch für Politiker nach ihrer aktiven Laufbahn: Entweder als Projekt-Berater oder wenn sie, wie der ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) zu Bau- und Dienstleistungsunternehmen wie etwa Bilfinger Berger gehen. Derzeit bewirbt sich der Konzern um den privaten Betrieb von vier Polizeiwachen in Großbritannien. Norman Hanert


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